Kapitel 9

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,,Ich dachte immer, dass du Journalistin werden willst."

Fion setzt sich auf die Mauer neben mich und greift sich ein Stück Apfel aus der Dose in meiner Hand. Er macht es immer so, weil er morgens nie die Zeit findet sich Essen zu machen. Ich kommentiere diese Handlung schon gar nicht mehr mittlerweile. Heute drücke ich ihm die ganze Dose in die Hand und signalisiere damit, dass er sie plündern darf. Grinsend bedient sich mein bester Freund, der allerdings noch immer auf meine Antwort wartet.

,,Wann soll ich denn gesagt haben, dass ich Journalistin werden will? Wie lange ist das her?"

,,Immer schon?"

,,Nein, das ist Quatsch. Ich will Jura studieren. Hörst du mir etwa nie zu, wenn ich davon erzähle?"

Fion runzelt die Stirn. Die Dose in seinen Händen ist schon fast leer und innerhalb weniger Sekunden hat er die letzten Stücke auch vertilgt. Er gibt mir die Dose, mit noch immer gerunzelter Stirn, zurück.

,,Will Helen nicht auch Jura studieren?"

,,Wirklich jetzt? Das wusste ich noch gar nicht."

,,Du weißt alles über dieses Mädchen. Du kannst sogar ganz exakt so gehen wie sie, weil du sie dabei schon so oft beobachtet hast, Lynn. Jetzt verstehe ich es! Och, mach das nicht. Du solltest Jura nicht nur wegen ihr studieren. Deine Gefühle für diese Schreckschraube werden vergehen, dann hast du aber trozdem ein Studium angefangen, mit dem du total unglücklich bist. Was machst du dann? Abbrechen und viele Jahre verschwendet haben oder einen Abschluss machen, mit dem du nichts anfangen kannst? Das ist Mist soetwas zu machen, ganz großer Mist."

,,Ich möchte es wegen mir machen, Fion. Ich denke auch, dass ich das gut kann, weil ich mich nicht leicht beeinflussen lasse."

,,Deine selektive Wahrnehmung hätte ich auch gerne. Es tut mir leid das zu sagen, aber ich kenne niemanden, der leichter manipulierbar ist als du. Du magst beispielsweise prinzipiell alles was Helen mag, oder von dem du denkst, dass sie es mag. Deshalb solltest du trotzdem Journalistin werden, denn das kannst du wirklich gut und daran hast du Spaß."

Fion schüttelt mit dem Kopf und sieht richtig frustriert aus während er seine Hände in seine Hosentaschen steckt. Er sieht unentspannt aus.

,,Was ist los mit dir heute?"

,,Ich mache mir Sorgen, dass du dir wegen ihr deine Zukunft verbaust. Siehst du denn nicht wie sie ist? Was an ihr blendet dich so?"

Ich zucke mit den Schultern und rutsche etwas unbehaglich auf der Mauer hin und her.

,,Sie ist einfach so vollkommen. Du kannst mir nicht eine Sache sagen, die sie nicht kann..."

,,Französisch, darin ist sie wirklich hoffnungslos hinterher."

,,Gut, aber niemand kann alles perfekt, Fion. Schau dir ihr Aussehen an und die Art wie sie redet und sie ist so höflich zu allen. Helen hält anderen die Tür auf und lächelt alle freundlich an. Sie ist so ein gutherziger Mensch."

,,Ich finde, dass sie eine Bitch ist, die mit allen um sich herum nur spielt."

,,Das ist sie nicht! Auf keinen Fall!"

,,Sie will nur beliebt sein, dafür tut sie alles. Die riesigen Partys bei ihr mit den ausgesuchten Leuten, sind auch nur dazu da, um sich selbst zu verkaufen, Lynn. Sie lädt immer nur die reichen Leute ein. Jemand nettes lädt seine Freunde ein, aber Helen hat gar keine Freunde. Und weißt du warum? Weil sie menschlich komplett miserabel ist und sie keiner mag."

,,Das stimmt nicht! Sie ist beliebt und mit jedem befreundet! Sie unterteilt ihre Freunde halt nicht in beste Freunde und Freunde!"

Fion seufzt und wirft dabei einen Blick auf seine schlichte Armbanduhr. Er hält kurz inne, ehe er aufsteht und ohne ein Wort weg geht. Was ist denn in den gefahren? Was soll das?

,,Wohin willst du denn jetzt?"

,,Es hat doch eh keinen Sinn mit dir darüber zu reden, Lynn. Du bist verblendet. Ich will keinen Streit wegen der und bin verabredet. Wir sehen uns später!"

Mit diesen Worten geht er auf den Parkplatz und schlängelt sich einen Weg zwischen den Autos hindurch. Wütend stehe ich auf und stelle mich auf die Mauer. Wer ist ihm denn wichtiger als ich? Was soll das alles?

,,Was machst du da, Gwendolyn?"

,,Ahhh! Erschreck mich doch nicht so, Molly. Ich habe dich nicht kommen gesehen."

,,Wie solltest du auch, wenn du so auf den Parkplatz fokussiert bist. Nach wem hälst du Ausschau?"

Molly stellt sich ungefragt neben mich auf die Mauer. Ich blicke zurück und suche Fions eigentlich so markanten Haarschopf.

,,Ich will wissen mit dem Fion sich trifft, weil er mir nichts davon erzählen wollte und so geheimnisvoll getan hat."

,,Er steht dort an dem grünen Wagen mit einem Mädchen. Ich glaube, dass das Helen ist. Ja, das müsste sie sein. Solch auffällige Schuhe hat nur sie. Daten die sich etwa heimlich?"

,,Bist du dir wirklich sicher, dass das Helen ist?"

,,Ja, klar. Diese gelben Schuhe hat nur sie und die erkenne ich überall wieder."

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Molly

HelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt