,,Ich wusste gar nicht, dass Gwenny Krebs hatte, Fion. Stand sie deshalb vor mir, weil sie wusste, dass es eh bald vorbei sein würde?"
Der Junge neben mir sieht so abgemagert und schlecht in dem schwarzen Anzug aus. Bis heute hatte ich die Theorie, dass Anzüge immer nur gut aussehen können. Heute an diesem regnerischen Tag werde ich eines besseren belehrt. Seufzend lege ich meine Hand auf den Regenschrim und ziehe das schwarze Tuch nochmal richtig über meine Schultern. Ich war nie gerne auf Friedhöfen, aber heute möchte ich einfach nur weg laufen. Nach jedem Schritt fällt mir das Atmen schwerer. Ich würde so gerne ein oberflächliches Gespräch halten, über das Wetter oder das letzte Mittagessen, aber das wäre so unangebracht wie es gut tun würde. Die Trauerfeier war schon heftig. Es wurden ihre Lieblingslieder gespielt und ihre Mutter hat eine Rede gehalten. Fion wollte das auch tun, aber er konnte kein Wort sagen. Er stand einfach nur da und hat stumm geweint. Dann hat er sich auf die Treppe gesetzt und den Kopf in den Händen vergraben. Ich habe ihn dann langsam von dort weg gebracht. Vielleicht stand niemand ihr näher als Fion, aber trotzdem sind einige Mitschüler gekommen. Sie saßen hinten in den letzten Reihen und haben sich erstaunlich zivilisiert verhalten.
,,Helen wusste es und hat es keinem gesagt. Ich habe ihr Tagebuch gelesen. Wieso ist mir nicht aufgefallen, dass ihre Haare dünner geworden sind und sie eine Parrücke trug? Sie müssen ihr ausgefallen sein durch die Behandlung und die Migräneanfälle lagen vielleicht wirklich an dem Hirntumor."
,,Fion, dafür kannst du nichts. Sie trug eine Echthaarperrücke. Die fühlt und sieht echt aus. Weißt du, vielleicht hat sie dadurch sogar weniger gelitten. Der Polizist meinte mir gegenüber, dass der Verlauf sonst sehr schmerzhaft ist. Deshalb dachten die ja auch zuerst, dass wir ihr das nur erleichtern wollten."
,,Als hätten wir ihr was antun können. Molly war einfach nur besessen und krank."
Fions Stimme ist leise und gedämpft. Sie füllt die Stille zwischen uns und ich blicke in seine tränenverschleierten Augen. Er sieht mitgenommen aus. Ich habe ihn länger nicht gesehen, daher er stationär in die Entzugsklinik aufgenommen wurde. Er macht Fortschritte, darf aber kaum Besuch empfangen. In meiner Einsamkeit habe ich begonnen mir einzureden, dass Gwenny noch da ist und ich sie nur nicht sehen kann. Ich fühle Teile von ihr noch in meiner Nähe und immerhin ist sie wohl nicht leidend gestorben. Die Menschen, die ihr wichtig waren, waren bei ihr. Der Psychologe sagt, dass sie das sicher glücklich gemacht hat und ich hoffe, dass es wirklich so ist. Und ich hoffe auch, dass wir uns wieder sehen, auch wenn ich es nicht verdient habe in den Himmel zu ihr zu kommen, vielleicht klappt es trotzdem.
,,Weißt du, ob sie Molly schon gefunden haben?"
,,Sie meinten, dass es einen Leichenfund gab in dem Wald 20 Kilometer von hier entfernt. Sie soll bei Bewusstsein verbrannt worden sein. Ob es sie ist, ist den Behörden noch unklar. Außerdem was sollen wir mit einem Mord 20 Kilometer von hier zu tun haben?"
Der Junge nickt stumm. Die Menge hält an und wir werfen alle nacheinander verschiedene Blumen auf die Holzkiste. Ich wünsche mir bei jedem Aufkatschen der Erde darauf, dass sich der Deckel öffnet, aber das wird er nicht mehr. Gwenny bleibt nur in unseren Herzen lebendig und in den Geschichten, die wir von ihr erzählen werden.
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Ich möchte mich herzlich bei euch fürs Mitfiebern bedanken. Jeder einzelne Kommentar bedeutet mir so unbeschreiblich viel, DANKE dafür!
Ich hoffe, dass ihr mir verzeihen könnt, dass es kein Happy End geworden ist.Es würde mich freuen, wenn man sich in einem anderen Buch "wiedersieht"!
Sonnige Grüße