Epilog Helen

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,,Lass sie los, Fion! Du willst Gwen doch eh nur dazu bekommen, dass sie mit in den Drogenring einsteigt! Du bist nicht gut für sie!"

Molly steht in der Küchentür. Ihre Brust hebt und senkt sich unregelmäßig und sie sieht fuchsteufelswild aus. Panik durchströmt mich. Wird es Konsequenzen haben, dass wir sie eingeschlossen haben? Ich schaue mich in der Küche um. Die Tür ist der einzige Ausgang, verdammt. In Gwennys Blick erkenne ich auch Panik und Angst.

,,Du hast mir gar nichts zu sagen! Du bist doch der Kopf des Ganzen! Ich will sie vor dir beschützen und außerdem werde ich meine beste Freundin ja wohl noch umarmen dürfen."

,,Du machst jetzt was ich sage, sonst stribt Helen!"

Was? Sonst sterbe ich? Was geht hier vor? Molly zieht aus ihrer unförmigen Tasche eine Pistole und richtet sie auf mich. Ist die komplett übergeschnappt? Gwenny schnappt erschrocken nach Luft.

,,Lass das! Das da draußen war nur ein dummer Streich! Wir wollten dich wieder raus lassen, wirklich! Es tut uns leid, mach soetwas nicht, bitte Molly. Wir können normal drüber reden."

Langsam lässt Fion seine beste Freundin los und Gwenny packt meinen Oberarm beherzt. Sie will doch nicht etwa... mit einem Ruck werde ich zu dem Mädchen gezogen und sie schiebt mich hinter sich. Die Öffnung der Pistole zeigt jetzt auf sie vor mir.

,,Wer hat sie bitteschön frei gelassen? Ich habe den Schlüssel noch immer in der Tasche."

Gwenny spricht leise mit mir, ohne sich umzudrehen. Ihre Handinnenseiten zeigen zu Molly und sie atmet scheinbar ganz ruhig, was sie allerdings sicher nicht ist. Wieso steht sie überhaupt vor mir?

,,Ich weiß es nicht. Warum kommt denn keiner? Sonst ist die Küche der Hauptplatz, weil hier doch der Alkohol ist..."

,,Lass soetwas Molly. Wir können das bestimmt anders klären. Pack die Waffe weg, bitte."

,,Nein! Ich muss dafür sorgen, dass ihr Gwen nicht noch weiter beschädgigen könnt."

Ist sie etwa in Gwenny verliebt? Hat sie uns deshalb erpresst? Natürlich! Gwenny ist in mich verliebt und dadurch bin ich die Konkurrenz und mit Fion verbringt sie viel Zeit, die sie ja auch mit Molly verbringen könnte. Deshalb hat sie mir die Drogen untergejubelt und hat meinen Halbbruder abhängig gemacht. Gwenny weiß nichts davon, dass er sich regelmäßig Pillen einwerfen muss, um auf Höhe zu sein. Molly hat ihn auf einer Party dazu gebracht und es hat sofort geklappt. Er plappert sobald er den Pegel nicht mehr hat alles aus. So konnte Molly alles erfahren und ihn an sich binden... Was für ein abgekartetes Spiel! Molly wollte uns mundtot machen, damit wir uns Gwenny nicht mehr nähern und sie freie Bahn hat. Wieso bin ich nicht früher drauf gekommen? Es ist eigentlich so offensichtlich.

,,Es kann jeden Moment jemand kommen, Molly. Lass das den Scheiß. Wir werden das auch anders klären können."

,,Oh, es wird niemand kommen. Sie spielen alle ganz begeistert 7 Minuten im Himmel."

,,Das will ich sehen. SHOTS in der Küche für alle!"

Kaum hat Fion das gerufen, hört man die Menge gröhlen und trampelnde Schritte. Sie kommen. Bald ist es vorbei und wir haben es geschafft, ein Glück. Erleichtert lege ich eine Hand auf Gwennys linke Schulter, die weiterhin standhaft vor mir steht. Sie tut das, weil sie es auch verstanden hat. Molly würde nicht auf sie schießen. Die Schritte werden immer lauter und ich habe das Gefühl gleich umzukippen vor Erleichterung.

,,Prank! Bloß ein Prank!"

Murren ertönt und dann werden die Schritte leiser. Molly hat sie alle scheinbar zum Umdrehen gebracht, was ein verdammter Mist. Wieso glauben die ihr auch? Ich lehne mich zu Gwennys Ohr.

,,Wir müssen es zu ihr schaffen. Zusammen überwältigen wir sie auch nochmal."

Gwenny nickt und dann geht alles ganz schnell. Ein unfassbarer Schmerz bereitet sich an meiner Seite aus. Keuchend gehe ich in die Knie und drücke eine Hand auf die Stelle. Sofort spüre ich das Blut. Es ist aber nicht nur mein Blut. Gwenny stürzt regelrecht auf die Fliesen und hustet. Sie presst ihre Hände auf ihre Brust. Schnell bereitet sich ein großer Fleck auf ihrem hellen Top aus. Molly hat auf sie geschossen und sie hat getroffen. Panisch versuche ich mich an irgendwas zu erinnern. Was macht man bloß in so einer Situation? Hilfesuchend blicke ich zu Fion, aber der starrt wie paralysiert auf die hustende Gwenny. Er ist vor Schock wie gelähmt. Ich drehe Gwenny mit hektischen Handgriffen auf den Rücken und presse meine Hände auf ihre Brust. Sie darf jetzt doch nicht einfach so sterben.

,,Jetzt ruft schon den Krankenwagen, verdammt! Holt Hilfe! Los!"

Gwennys Kopf rollt zur Seite. Schnell drehe ich ihn gerade und lege ihn auf mein blutiges Oberteil, das ich schnell ausziehe. Dann sitze ich eben im BH hier, das ist jetzt egal. Ich drücke immer fester je verzweifelter ich werde, um die Blutung zu stoppen. Bisher hilft es nur nicht. Vielleicht muss ich noch fester drücken... Gwennys Augenlieder flattern mittlerweile.

,,Schau mich an. Ich bin bei dir. Du bist stark. Du schaffst das, los lass mich nicht alleine. Wir brauchen dich. Hörst du? Wir brauchen dich, weil wir dich lieben. Kämpf für mich und für dich. Du darfst jetzt nicht aufgeben. Die Hilfe ist schon unterwegs, Gwenny. Du schaffst das. Ich glaub an dich."

Tränen verschleiern meine Sicht. Durch das ganze Adrenalin spüre ich meine eigene Wunde kaum noch. Ich nehme nichts war, außer das immer schwächer werdene Atmen. Es klingt so unfassbar rasselnd, dass es mir kalt den Rücken runter läuft. Mir wird klar, dass sie nicht mehr lange durchhalten kann.

,,Warum hast du das gemacht?"

,,Sie ist die Perfektion in Person."

,,Das stimmt, aber deshalb bringt man doch niemanden um, verdammt!"

Fion legt das Handy weg, er hat scheinbar wirklich Hilfe gerufen und dann stürzt er sich auf Molly. Ich fühle etwas warmes, feuchtes mir über die Wange streichen und drehe meinen Kopf wieder Richtung Boden. Gwenny hat eine Hand gehoben und wischt meine Tränen weg. Sie lächelt mit müden Augen.

,,Wein nicht."

Ich drücke ihren Arm herunter und umfasse ihre Hand. Vielleicht braucht sie nur etwas, an dem sie sich festhalten kann. Mit der anderen Hand versuche ich weiterhin die Blutung zu stoppen. Eine große Lache aus größtenteils ihrem Blut umgibt uns schon. Gwennys Augen fallen zu. Hektisch rüttel ich an ihrem Körper. Die Augen bleiben geschlossen. Ihre Brust hebt sich noch zwei Mal und dann nicht mehr.

,,Diese Perfektion muss geschützt werden! Sie ist so viel besser als ihr! Wenn sie aufwacht, wird sie bei mir sein. So perfekt wie sie ist, kann sie nur die Wahrheit erkennen!"

,,Du meinst wohl sie war perfekt."

Meine Stimme ist rau. Fion fährt herum, kreidebleich. Er stürzt neben mich und beginnt mit Wiederbelebnungsmaßnahmen. Immer wieder drückt er den Brustkorb herunter, aber wie soll sie atmen, wenn ihre Lunge wahrscheinlich voller Blut ist? Ich sacke zusammen und umklammere ihre Hand. Noch ist sie warm und fast noch lebendig. Schluchzer entweichen meiner Kehle. Mir ist unfassbar kalt. Plötzlich fühle ich auch meine eigene Schusswunde wieder. Es ist wohl ein Streifschuss und brennt höllisch, aber mehr tut mein Herz weh. Wieso hat die Kugel mich nur verfehlt und sie getroffen? Ich hätte tot sein sollen. Gwenny hatte doch so große Ziele, die sie alle noch erledigen wollte. Ich wollte immer nur geliebt werden und habe viel zu spät erkannt, dass Fion Recht hatte und sie mich wirklich nur wegen ihm geküsst hat und nicht um mir zu schaden. Sie war viel zu gut.
Ich bekomme kaum mit wie Männer in knalligen Anzügen hereinkommen. Verschwommene Hände umgreifen meine Oberarme lösen meine Hand. Sie ziehen mich immer weiter von Gwenny weg und ich kann auch nicht dagegen ankämpfen. Sie stellen danach nur noch ihren Tod fest. Ich werde in einen Krankenwagen gebracht, Fion begleitet mich schweigend. Er starrt einfach an die gegenüberliegende Wand und hält meine Hand fest. Wir hatten alles heute Nacht und nun haben wir nichts außer einander. Von Molly fehlte bei unserer Abfahrt allerdings jede Spur.

HelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt