Kapitel 28
Dafür beschäftigte er sich umso intensiver mit seinen Eltern, um seinen Frust abzuladen. Und es fühlte sich für Louise und Albert so an als würde Kevin von Tag zu Tag stärker und grausamer werden, obwohl dem natürlich nicht so war. Das hatte die Analyse ergeben, die sie vor einigen Wochen gemacht hatten. Die Untersuchung, die sehr wahrscheinlich der eigentliche Auslöser war, denn erst diese Erinnerung an die Laborerlebnisse hatte einen Schalter in Kevins Kopf umgelegt und eine lange Zeit verschlossene Tür geöffnet. Louise bedauerte ihre Tat nun zutiefst, denn vielleicht hätten sie Kevin helfen und ihn langsam an seine Fähigkeiten gewöhnen können, wenn er sich nicht aus Hass und Wut ihnen gegenüber so gesperrt hätte. Es hätte alles gut werden können, wenn sie ihn mehr geliebt hätten, wenn sie sie sich verhalten hätten wie normale Eltern. Aber das hatten sie nicht, sie waren Wissenschaftler mit Leib und Seele und sie hatte es nicht ertragen, im Ungewissen zu bleiben und es nicht gekonnt, ihren Sohn einfach zu akzeptieren und ihm durch elterlichen Beistand zu helfen.
Aber so lange der seelische und teilweise auch körperliche Schmerz andauern mochte, sie hatten bisher keine Chance sich aus Kevins Bann zu reißen. Einmal hatte er sie betraft, weil sie vor Erschöpfung zusammengeklappt war und somit seinen Befehl nicht ausgeführt hatte. Louise begann mit der Zeit die paar Stunden am Morgen zu genießen in denen Kevin nicht zuhause war. Es war die entspannteste Zeit des Tages, in der sie wenigstens halbwegs mit ihren Gedanken allein war. Und sie stellte zu ihrem Entsetzen fest, dass sie Angst hatte. Angst vor ihrem eigenen Sohn, immer wieder fürchtete sie seine Rückkehr aus der Schule. Welch ein absurder Gedanke, Angst vor dem eigenen Kind, einem zehnjährigen Jungen, der nicht sonderlich kräftig gebaut war. Aber wer konnte auch schon ahnen, welche Macht wirklich zu Füßen dieses Jungen lag. Niemand würde sich ihm widersetzen können.
Und auch wenn sie inzwischen bemerkt hatten das er seine Beeinflussung nicht ewig durchhielt, er sorgte dafür das sie im Keller waren, wenn die Beeinflussung nachließ. Also gab es immer noch kein Entkommen. Immerhin hatten sie so die Möglichkeit sich zu unterhalten, wenn Kevin länger in der Schule bleib, denn ansonsten hatte er ihnen geboten nicht miteinander zu sprechen. Erst wenn die Wirkung der Beeinflussung nachließ konnten Albert und Louise in Kontakt treten. Davor schwiegen sie sich an und warteten auf Kevins Rückkehr.
Heute hatten sie Glück. Kevin blieb länger weg und Louise löste sich mit einem schaudern aus ihrem Bann.
„Albert, wir können so nicht weitermachen!" sagte sie.
„Du hast recht, Schatz, aber was sollen wir tun? Er lässt uns nicht zu Wort kommen und wir haben keine Chance zu ihm durchzudringen. Er drängt uns dazu seinem Willen zu folgen. Wir können uns nicht widersetzen."
Louise nickte und es tat ihr unendlich weh, was sie jetzt sagte, aber sie sah keinen anderen Ausweg mehr „Albert wir müssen hier weg!"
„Du meinst fliehen? Und ihn allein lassen?", Albert war überrascht, „Das geht doch nicht einfach so? Er ist unser Sohn, mit all seinen Fehlern die er haben mag. Wir sind für ihn verantwortlich und müssen uns um ihn kümmern."
„Ich habe Angst" gab Louise zu.
„Ich auch, und vielleicht hast du Recht, aber wir sollten darüber noch nicht jetzt nachdenken. Geben wir uns und ihm noch eine Chance."
„Und wenn es die nicht gibt?"
Albert dachte kurz nach „Vermutlich hast du Recht, es wird nicht besser werden. Wir werden eine Möglichkeit finden zu entkommen."
„Ich habe Angst, was wenn es bereits zu spät ist und wir keine Chance mehr haben?"
„Doch, es wird eine Chance geben, ganz bestimmt. Und jetzt sollten wir uns wappnen, ich habe die Haustür gehört."
Louise nickte und ihr Körper versteinerte augenblicklich vor Angst. Was hatte Kevin heute mit ihnen vor? Nachmittags überließ er sie großzügiger Weise oft zum Teil ihren eigenen Aktivitäten. Louise nutzen diese dann um möglichst normal zu leben und auch immer wieder starteten sie einen Versuch mit Kevin zu reden, doch der Junge blickte jede Art von Gespräch in diese Richtung ab. Kritik oder Ähnliches wollte er nicht hören. Schon mehrfach hatte ihn dies so sehr verärgert, dass er sie gezwungen hatte, mehrere Stunden auf einem Bein zu stehen.
So traurig es auch klang, sie lebten in Angst vor ihrem Sohn. Wenn er heimkam war er oft launisch, hatte extreme Stimmungsschwankungen und ließ sie stundenlang auf einem Bein springen bevor er nach einem Eis verlangte.
Louise merkte es. Sie fürchtete sich und ihr war klar geworden, dass dieses Verhalten nicht dem eines normalen Zehnjährigen entsprach. Kevin verhielt sich sadistisch und gefühlskalt und seine Stimmung konnte innerhalb von Sekunden von Zufriedenheit in Wut oder blinden Hass umschlagen. Es war jeden Tag aufs Neue ein ständiges Glücksspiel und ein Pokern mit den Gefühlen und Wutausbrüchen.
Und wenn sie ehrlich war, ihre Nerven und ihre Geduld waren schon lange bis auf den Boden erschöpft. Sie konnte und wollte das nicht länger.
Am Abend wurde es dann wieder Zeit für den Keller.
„Stopp", befahl Kevin und sofort bleiben beide stehen, „Ausziehen!"
Albert fluchte innerlich, woher wusste Kevin, dass er sich einen Schraubenzieher in die Hosentasche gesteckt hatte um nachts die Tür aufzubrechen und zu entkommen.
„Kevin, das ist doch Schwachsinn" protestierte Albert noch verzweifelt, während er bereits dabei war sich seiner Kleidung zu entledigen. Louise tat es ihm gleich und beide betraten völlig unbekleidet den Kellerraum. Es war kalt und nach wenigen Sekunden hatte sich bereits Gänsehaut gebildet, die sich auch durch die dünnen Decken, welche ihnen zur Verfügung standen, nicht bekämpfen ließ. Dicht aneinander gedrängt saßen sie da und dachten daran wie erniedrigend es war, was ihr Sohn ihnen hier antat. Es war unmenschlich und demütigend.
Die Nacht war grauenvoll und das gehässige Grinsen, welches sie am Morgen empfing als Kevin sie wieder herausließ, sorgte dafür das in Albert Hass aufstieg. Er hatte zwar Angst vor Kevins Fähigkeiten, aber sein Temperament rebellierte dennoch gegen die sklavenartige Behandlung.
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~~ Rise~~ [Kilgrave FF (Marvel's Jessica Jones)]
FanfictionBevor er zu Kilgrave wurde war Kevin ein ganz normaler Junge, sah man einmal von der Krankheit ab, die sein Leben bedrohte. Seine Eltern, zwei Wissenschaftler suchten nach Heilung für ihren Sohn, doch was sie schufen war ein Monster.