Herzinfarkte, Fundamentalismus und Weihnachtsgeschenke

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June PoV

Mom und Dad hatten, seitdem ich und July aus Hogwarts zurück waren, mindestens 13 Mal fast einen Herzinfarkt bekommen.

Das erste Mal als sie Julys neue Frisur gesehen haben.

Das zweite Mal, als Caleb ihnen von der Voodoopuppe erzählte, die er auf dem St. Marys gebastelt hatte, einem katholischen Internat (der Junge hat Nerven), das bei July nicht wirklich viel gebracht hatte.

Die anderen Male, als Caleb ihnen von den Tarotkarten erzählt hatte, die sein bester Freund in die Schule geschmuggelt hatte, und jedes Mal, wenn July einen absichtlich provozierenden Kommentar abgab ("Hey, könnt ihr mich zur Moschee fahren?" "Soll ich euch ein paar Karatetricks zeigen?" "Wie findet ihr mein neues Croptop?"). Jetzt wo ich darüber nachdachte, waren es mehr als 13 Male.

Aber das würde ihnen endgültig den Rest geben.

"Bist du lebensmüde? Es ist -1°C draußen!"

July trug ein Oberteil, das ihr gerade mal bis unter die Brust reichte, eine viel zu kurze Hose und schwarze Stiefel. Dazu war sie noch extrem stark geschminkt, sie trug dicken Eyeliner, grauen Lidschatten und dunkelroten Lippenstift.

Meine Zwillingsschwester schnaubte nur. "Denkst du ernsthaft, Mom und Dad lassen mich so in die Kirche? An Weihnachten?"

"Also willst du die Ferien im Zimmer eingeschlossen verbringen?"

"Besser als Mom und Dad zuzuhören."

"Du bekommst keine Weihnachtsgeschenke."

"Fuck, das hab ich nicht bedacht. Wie soll ich ohne die neuste Auflage der illustrierten Bibel weiterleben?"

Ich verdrehte nur die Augen. "Wann lernst du endlich, mit ihnen klarzukommen?"

July schaubte und verdrehte ebenfalls die Augen. "Gar nicht. Mit 16 bin ich hier raus, so lange ist es witzig, sie ausrasten zu sehen."

"Sie sind trotzdem unsere Eltern."

"Schön, wie du meinst. Dann geh in deinem maßgeschneiderten, gepunkteten Kleid runter zu Mom und Dad und hör zu, wie sie sich über Wissenschaft, Lesben und Demokraten beschweren. Ich hab da keinen Bock drauf, da verhungere ich lieber hier."

Ich verdrehte wieder einmal die Augen über die Engstirnigkeit meiner Zwillingsschwester. Klar, ihre Moralvorstellungen waren aus dem Mittelalter und der Bibel entnommen, aber sie waren trotzdem noch unsere Eltern und am Ende des Tages stand ich in jedem Fall zwischen beiden Fronten und war diejenige, die July Instant-Nudeln in unser gemeinsames Zimmer bringen musste oder bei der Mom einen ihrer täglichen Beschwerdenmonologe zum Besten gab, diesmal über July.

Weihnachten war für mich nie etwas besonderes gewesen, eher eine zwangsläufige Prozedur, durch die ich mich jedes Jahr quälen musste. Wir sangen in der Kirche ein paar Weihnachtslieder, der Pfarrer hielt eine Rede, bei der ich versuchen musste, nicht einzuschlafen, und danach las ich jährlich die selbe Passage aus der Bibel vor, nämlich die Weihnachtsgeschichte, die ich mittlerweile sogar auswendig können sollte.

"Okay.", gab ich mich nur geschlagen. July sollte machen, was sie wollte: wir hatten nicht das beste Verhältnis und wenn sie Lust hatte, hier in unserem Zimmer zu verschimmeln, war das nicht mein Problem. Das Zimmer sah aus wie von zwei neunjährigen: Die Betten waren weiß lackiert und höchstens einen halben Meter hoch, und die Tagesdecken waren pink mit kleinen Feen. An den pink gestrichenen Wänden hingen Poster von Märchenfiguren, die wir als Kinder mochten, und etwas neuer waren die Poster von irgendwelchen Rockstars, die July mochte, und das signierte Foto von meiner Lieblingsquidditchmannschaft. Über dem pinken Schminktisch hingen Kritzeleien von uns aus dem Kindergarten, die wir uns nie bemüht hatten, abzuhängen, da wir eh nicht viel Zeit in unserem Zimmer verbrachten. Es war relativ klein und wenn man nicht darauf stand, mit Puppen, denen die Haare abgeschnitten wurden, in einem halb zerfallenen Puppenhaus zu spielen, gab es nicht wirklich viel zu tun.

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