04 || Olivias Erbe

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Am nächsten Morgen war die Stimmung angespannt. Ariana tat zwar so, als wäre nie etwas passiert, doch die bemerkte die unsicheren Blicke, die ihre Freunde zwischen ihr und Jelena hin und her warfen. Trotzdem beschlossen sie, noch am selben Abend mit Jelena zu reden. Während Ariana im Unterricht saß, schweiften ihre Gedanken immer wieder zu Jelena, die sich wahrscheinlich oben im Gryffindorturm langweilte. Was sie wohl den ganzen Tag machte? Vorsorglich hatte Ariana ihr Tagebuch und private Briefe in ihre Nachttischschublade geschlossen. Den Schlüssel trug sie an einem Band um den Hals.

„Miss Zidane!" Ariana schreckte auf. Professor McGonagall sah sie streng an. „Können Sie mir sagen, welcher Spruch nötig ist, um ein Tier verschwinden zu lassen?" Arianas Wangen würden heiß, als alle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war. Den Bonus, neu zu sein, hatte sie bei den Lehrern jetzt nicht mehr.

„Ähm... Evanesco?" McGonagall sah überrascht aus und Ariana bildete sich ein, dass ihre Mundwinkel sich zu einem kleinen Lächeln verzogen.

„Sehr gut, Miss Zidane. Fünf Punkte für Gryffindor." Ariana lächelte stolz. Das erste Mal hatte sie im Unterricht Punkte für ihr Haus erzielen können. Lily drehte sich zu ihr um und hob grinsend einen Daumen.

Nach der Stunde hakte Lily sich bei ihr unter.

„Das ganze Lernen hat sich gelohnt, was?"

„Auf jeden Fall", wollte Ariana erwidern, doch Sirius kam ihr zuvor.

„Lass uns das mit Jelena in der Mittagspause machen, okay?" Ariana nickte. Sofort war die Freude verflogen. Nicht nur hatte Sirius Jelena angesprochen, er hatte auch keine einzige Reaktion auf ihren Erfolg gezeigt. Natürlich erwartete sie nicht, dass er vor Freude in die Luft sprang, aber einen kleinen ermutigenden Kommentar hätte sie schön gefunden, nach dem sie Stunden über Stunden in der Bibliothek gesessen hatte, um das Verpasste nachzuholen.

„Ich mache es allein", verkündete Ariana und ihre Freunde sahen sie verblüfft an.

„Warum?", fragte Lily irritiert.

„Ich möchte es eben allein mit ihr besprechen. Ich erzähle euch dann natürlich, was sie gesagt hat." Sirius wollte etwas einwenden, doch Lily legte eine Hand auf seinen Arm. Ariana war ihr dankbar dafür. So sehr sie ihren Freund auch liebte, manchmal verstand er sie einfach nicht. Sie konnte es nachvollziehen, schließlich verstand sie sich ja meistens selbst nicht. Aber diesmal wusste sie ganz genau, wieso sie nicht wollte, dass ihre Freunde bei dem Gespräch dabei waren: Sie hatte Angst. Angst vor ihren neuen Kräften, vor dem, was sie darüber hören würde und vor den Erwartungen, die Jelena und der Orden an sie stellen könnten.

„In Ordnung", sagte Sirius schließlich widerstrebend. „Ganz wie du willst."

So stand Ariana wenige Stunden später mit wild schlagendem Herzen vor der Tür des Mädchenschlafsaals. Langsam hob sie die Hand, um zu klopfen, doch dann fiel ihr ein, dass es ihr Zimmer war. Sie musste nicht klopfen. Schließlich war hier Jelena zu Gast. Entschlossen drückte sie die Tür auf. Jelena saß auf ihrem Feldbett und las in Arianas Zaubertrankbuch.

„Das sind wirklich widerliche Zutaten für dieses Gebräu", kommentierte sie naserümpfend.

„Sagt diejenige, die mein Blut für ein Ritual benutzen wollte", schnaubte Ariana und Jelena grinste und setzte sich auf.

„Stimmt. Was gibt's?" Seufzend ließ Ariana sich neben ihr nieder.

„Ich muss dich etwas fragen."

„Das da wäre... ?"

„Hast du schon mal was von Beschwörern gehört, die mächtiger geworden sind? Also, nicht die normale Entwicklung von Kräften mit dem Alter, sondern neue Fähigkeiten, die man vorher nicht hatte. Die niemand sonst hat."

Gaias Töchter (2) - Zwischen den WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt