22 || Ben und Becca

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Als Ariana aufwachte, roch es nach Kaffee und Zigaretten. Für ein paar Minuten lag sie still mit geschlossenen Augen auf dem weichen Untergrund. Unter ihrem Kopf war ein Kissen. Jemand hatte sie zugedeckt. Aus einem anderen Raum drangen gedämpfte Geräusche zu ihr durch.

Arianas Kehle war staubtrocken, ihr Magen schmerzte vor Hunger. Vorsichtig bewegte sie erst die Finger, dann die Zehen. Ihr rechtes Bein war bandagiert.

Endlich blinzelte sie und öffnete langsam die Augen. Ihre Augenlider waren tonnenschwer. Sie brauchte ein paar Momente, um sich an das Licht zu gewöhnen.

Der Raum, in den man sie gebracht hatte, war ein kleines Schlafzimmer. Schummriges Licht drang durch die dicken Vorhänge vor dem Fenster und verlieh den fleckigen Tapeten einen gelblichen Schimmer. Ariana lag auf einem kleinen Sofa, das gerade so groß genug war, dass nur ihre Füße in der Luft hingen. Bis auf das und eine hölzerne Kommode war der Raum unmöbliert. Sie trug keine Hose, sondern nur ein großen Herrenshirt.

Jemand klapperte mit Geschirr. Ein dünner Lichtstrahl fiel durch die angelehnte Tür. Wo war sie gelandet?

Vorsichtig richtete Ariana sich auf. Sobald sie sich bewegte zuckte ein stechender Schmerz durch ihren Kopf. Sie zischte leise auf. Für ein paar Sekunden ließ ihr Kreislauf sie im Stich. Mit geschlossenen Augen versuchte sie, ihre Beine vom Bett zu schwingen, während sich der Raum um sie herum drehte.

Als sie einigermaßen stabil saß, schaffte sie es, ihr bandagiertes Bein zu packen und vom Bett zu heben. Erst jetzt bemerkte sie die Krücken, die neben ihrem Bett lagen. Wer auch immer sie her gebracht hatte, muss damit gerechnet haben, dass sie wach wurde. Mithilfe der Krücken stand sie auf. Ihre Beine zitterten und ihr Herz raste von dieser eigentlich einfachen Bewegung. Wie lange hatte sie wohl geschlafen? Stunden? Oder Tage?

Langsam humpelte sie zur Tür, halb neugierig, halb ängstlich, wer sich dahinter verbergen würde. Mit einem Auge linste sie durch den Spalt. Jemand werkelte in der Küche herum, ein junger Mann, sicherlich nicht älter als zwanzig. Leise summte er das Lied mit, das im Radio lief, während er Geschirr abspülte. Die Wohnung war klein, die Tapeten vergilbt und Fenster schien es kaum zu geben. Licht kam im Flur einzig von einem schmutzigen Deckenfluter.

Vorsichtig stieß sie die Tür auf und humpelte über den Teppichboden. Der Mann hatte sie noch nicht bemerkt, als sie schon fast in der Küche stand. Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen.

„Hallo?" Mit einem kurzen hohe Aufschrei wirbelte er herum und ließ dabei einen Teller fallen.

„Oh Gott, hast du mich erschreckt!" Er trug eine Brille und hatte einen blonden Dreitagebart. Ariana konnte sich nicht erinnern, ihn jemals schon mal gesehen zu haben. „Ah Mist!" Er betrachtete die Scherben auf dem Boden, dann wandte er sich wieder ihr zu. „Ariana, richtig?" Sie nickte steif. „Ich bin Ben. Eigentlich Benjamin. Aber nenn mich ruhig Ben." Etwas fahrig sammelte er die Scherben auf und warf sie in den Müll. „Wie gehts dir? Hast du Schmerzen? Rebecca meinte-"

„Rebecca?" Er verstummte, als Ariana die Stimme erhob. „Meine Schwester?" Er nickte langsam.

„Du hast aber keine Gedächtnislücken, oder?"

„Wo bin ich hier?"

„Ach ja!" Er breitete die Arme aus und lachte verlegen. „Willkommen in meiner, ähm, bescheidenen Unterkunft. Wir sind hier in einer schmutzigen Gasse von Hampstead, am Rande Londons."

„Wie bin ich... Was ist passiert?"

„Ich glaube, dass sollte dir Rebecca besser selbst erklären."

„Wo ist sie denn?" Er warf einen Blick auf die Küchenuhr.

„Einkaufen, aber sie sollte jeden Moment wieder kommen." Als hätte er es jetzt erst realisiert, fasste er sich an den Kopf. „Oh, willst du dich setzen? Etwas trinken? Warte kurz." Er half ihr auf einen Stuhl und stellte ihr ein Glas Wasser hin. „Wir haben auch Orangensaft und Apfelsaft, aber ich glaub, der ist abgelaufen- Oh!" Jemand steckte einen Schlüssel ins Schloss. „Rebecca ist da!"

Gaias Töchter (2) - Zwischen den WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt