23 || Kein Zurück

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Es waren gerade mal zwei Tage vergangen, als Ariana allein am Frühstückstisch saß und den Tagespropheten laß, da stürmte Becca strahlend herein und warf eine kleine Tüte auf den Tisch.

Irritiert sah Ariana auf.

„Was ist das?"

„Ich habe dir ein Flugticket und einen falschen Ausweis besorgt", sagte Becca.

„Was?" Ariana starrte ihre Schwester entgeistert an. Die tat, als wäre es das normalste der Welt.

„Sie haben sogar die Muggelbehörden infiltriert. Sie werden es erfahren, wenn du ausreist. Deswegen heißt du jetzt Marilyn Wilson, hast eine amerikanische Staatsbürgerschaft, bist aber in Großbritannien aufgewachsen. Deine Haare färben wir noch blond, du hast gerade die Schule abgeschlossen und gehst zum Studium in dein Vaterland zurück."

„Woher... Was?" Ariana wusste nicht, was sie sagen sollte.

„Dein Flug geht übermorgen", fügte ihre Schwester hinzu. Sie sah sich kurz um. „Wo ist Ben?"

„Im Schlafzimmer." Sofort schloss Becca die Küchentür und setzte sich zu Ariana.

„Vor unserer Haustür ist ein Todesser."

„Was?!", rief Ariana alarmiert, sprang auf und wollte zum Fenster stürzen, doch Becca riss sie zurück.

„Glaube ich! Ich bin mir nicht sicher. Er steht schon seit gestern Abend da. Ein total vermummter Typ, Kapuze, Sonnenbrille und so. Er hat komische Sachen an. Ich glaube, er hat versucht, Muggelkleidung anzuziehen. Ich fürchte, sie haben verdacht geschöpft und beschatten uns jetzt."

„Ich gehe", entschied Ariana sofort und wollte ihre Sachen holen, doch Becca hielt sie abermals zurück.

„Sei doch nicht dumm! Wenn du jetzt rausgehst, kriegt er dich doch direkt. Und was willst du die zwei Tage bis dein Flug geht ohne Unterkunft in der Stadt machen, hm? Du bleibst hier!"
„Aber damit bringe ich euch in Gefahr!", rief sie.

„Psst! Ben darf nichts von alldem mitkriegen", zischte Becca. „Wenn du dich ruhig verhält, nicht rausgehst und nicht ans Fenster gehst, dann dürfte nichts passieren. Vielleicht kriege ich meine Nachbarin dazu, die Polizei zu rufen, dann können die den Typen entfernen."

„Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die Todesser sich von der Muggelpolizei aufhalten lassen", schnaubte Ariana. Becca zuckte mit den Schultern.
„Ein Versuch ist es wert. Aber versprich mir, dass du jetzt nicht überstürzt handelst, okay?" Sie nickte resigniert.

„Okay. Aber sobald der Todesser irgendetwas versucht, bin ich hier weg, klar?" Becca hob ergeben die Hände.

„Klar."

Die Tage mit Becca und Ben waren erstaunlich unterhaltsam. Neben dem etwas unbeholfenen, aber sehr herzlichen und lustigen Ben, blühte Arianas Schwester auf. Ariana bemühte sich, ihre Sorgen und Ängste zu verstecken und sich von Bens zimmerguter Laune anstecken zu lassen, doch es fiel ihr schwer. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Sirius und ihren Freunden zurück. Wo sie wohl gerade waren? Ob ihr Plan wohl aufgegangen war, die Todesser abzulenken, um ihren Freunden zur Flucht zu verhelfen? Ob Remus ihre Nachricht an Sirius weitergegeben hatte? Und was Sirius wohl gerade dachte? Vor lauter Sorgen schwirrte ihr bald Kopf, sodass sie den Großteil des Tages in ihrem Zimmer verbrachte, die Vorhänge zugezogen. Irgendwann begann sie, Briefe zu schreiben, von denen sie wusste, dass sie sie nie abschicken würde. Doch die Vorstellung, ihre Freunde könnten sie lesen, ihre Gedanken verstehen und ihr verzeihen, war beruhigend.

Es war der Tag des Abflugs und Ariana war gerade dabei, ein paar Klamotten, die Becca ihr geschenkt hatte, in einen kleinen Koffer zu packen, da öffnete sich die Tür.

„Ich habe deine Schuluniform gewaschen und getrocknet", sagte Ben und hielt ihr einen Kleiderstapel hin. Ariana lächelte traurig.

„Du kannst sie wegwerfen. Ich brauche sie nicht mehr." Er nickte verständnisvoll. Für einen Moment schien er zu zögern, dann schloss er die Tür hinter sich und setzte sich aufs Bett.

„Brauchst du noch etwas?", fragte er.

„Danke, ich komme zurecht." Ben seufzte.

„Was auch immer mit dir passiert ist und vor wem auch immer du fliehst - ich hoffe, du findest irgendwann deinen Frieden." Verwirrt sah Ariana auf.

Kurz nachdem sie aufgewacht war, hatte Becca ihr die Geschichte, die sie Ben aufgetischt hatte, eingebläut. Laut dieser Version, waren sie und ihre Schwestern in einer geheimen Sekte aufgewachsen, völlig abgeschottet von der Gesellschaft. Ihre Mutter sei dann mit ihnen geflohen und wurde von der Sekte getötet. Daraufhin hätten sich de Schwestern aufgeteilt, um sich leichter verstecken zu können. Malia sei zur Sekte zurück gekehrt und nun wäre Ariana gesucht und vogelfrei, da sie Außenstehenden von der Sekte erzählt habe.

„Ich dachte Becca hat dir erzählt, was passiert ist." Ben lächelte nur müde.

„Natürlich hat sie das. Aber mal unter uns: Rebecca ist nicht die beste Lügnerin." Ihr Blut rauschte in Arianas Ohren. Was, wenn Ben herausfand, was wirklich geschehen war? Was, wenn er wusste, was sie und ihre Schwester wirklich Aren und sich deshalb aus dem Staub machte.

„Ich... Also-", stammelte sie, doch Ben grinste nur.

„Ich weiß, dass sie mich belogen hat und ich erwarte nicht von dir, dass du mir die Wahrheit erzählst. Natürlich würde ich mir wünschen, dass sie mir vertraut, aber hey! Rebecca ist die Liebe meines Lebens. Vielleicht ist sie irgendwann so weit, mir alles zu erzählen, aber bis dahin muss ich mich wohl mit dem Rest zufrieden geben." Ariana schnürte es die Kehle zu, als sie sich schmerzhaft an Sirius erinnert fühlte. Sirius hätte niemals locker gelassen. Er hätte nachgeforscht, bis er die ganze Wahrheit wusste. Gebracht hat ihm das nie etwas. Aber er konnte es einfach nicht aushalten, wenn sie ihm etwas verschwieg. Ob das gut oder schlecht war, wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass niemand auf der Welt so gut zu Becca passte, wie Ben. Und dass sie nie wieder jemanden wie Sirius finden würde.

„Ich wünsche euch, alles Glück der Welt", erwiderte sie ernst. „Und ich bin euch für immer etwas schuldig dafür, dass ihr mich aufgenommen habt." Er winkte ab.

„Dafür nicht. Und jetzt los! Sonst verpasst du deinen Flieger. Becca ist schon ganz nervös!"

Aufgeregt zwirbelte Ariana eine Haarsträhne zwischen ihren Fingern. Sie stand am Flughafen, kurz vor dem Security Check, während Becca (die mindestens genau so nervös war) auf sie einredete.

Arianas neue Haarfarbe - sie hatte sich für ein unauffälliges dunkelblond entschieden - war ungewohnt. Sie sah jünger aus, irgendwie unschuldig.

„Ich hab dir Brote geschmiert." Becca drückte ihr eine Dose aus Plastik in die Hand. „Und hier ist noch ein bisschen Geld, damit du dir gleich noch etwas zu trinken kaufen und später ein Taxi nehmen kannst."

„Ich... Danke, Becca." Ihre Schwester lächelte leicht und nahm ihre Hände in die eigenen.

„Das ist das Mindeste, was ich tun kann." Becca schlang ihre Arme um Ariana und drückte sie an sich. „Ich wünsche dir alles Glück der Welt", flüsterte sie mit erstickter Stimme.

„Ich werde es brauchen", gab Ariana trocken zurück, doch auch sie hatte einen fetten Kloß im Hals. Als Becca sich wieder löste, hatte sie Tränen in den Augen.

„Du hast ein einen Neuanfang verdient, ein normales Leben." Ariana schmunzelte.

„Ich glaube nicht, dass mein Leben irgendwie noch normal werden kann." Sie verabschiedete sich von Ben, drückte Becca noch ein letztes mal, dann wandte sie sich den Sicherheitsmann zu. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Gaias Töchter (2) - Zwischen den WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt