18. - Sein letzter Atemzug

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David hatte das Mädchen in Handschellen durch die Uniklinik ziehen müssen und kannte mittlerweile so ziemlich jedes Schimpfwort und jede Beleidigung, welche in der Jugendsprache verbreitet war. Das er von der Polizei war, dass diese ganze Aktion eine Polizeisache war, das kümmerte Celina nicht im geringsten. Auch das sie auf dem Weg zu ihrem Vater waren, weckte in ihr keinerlei sanftere Gefühle. Er hatte ihr bereits auf der Fahrt hierher erklärt das ihr alter Herr im sterben lag. Sie hatte verächtlich geschnauft. Es wäre ihr völlig egal. Nein, es würde sie sogar freuen.

Auch dieses ständige Gerede von ihrem Freund und das er sie vor dem Bullenstaat retten würde. Für sie war er ein Held. Er stand in einer Reihe mit Robin Hood und Che Guevara. Da hatte er ihr dann ausnahmsweise mal zustimmen müssen. Denn Che war doch auch ein machtbesessener, psychopathischer Irrer gewesen. Das Gekeife war nur lauter geworden. Das Spezialkommando, welches die kleine Festung auf der Intensivstation gehalten hatte, schaute nicht schlecht als er die verstimmte Celina durch ihre Reihen ans Krankenbett ihres Vaters führte. Er überlegte sie mit ihm alleine zu lassen, aber das war dann doch etwas gewagt. Also blieb er im Raum stehen und hielt sie an den Handschellen fest.

Sie hatte zu dem bleichen, eingefallenem Mann nur: „Hallo Daddy? Hast mich entführen lassen damit ich dir beim verrecken zusehen kann?“ gesagt. De Campen hatte die Augen geöffnet. Sie angesehen. „Celina, mein Kind. Du hast dir also die Ohren spitzen lassen. Als wenn du nicht wüstest wer du selbst bist.“ Sie verdrehte die Augen und sah David an. „Muss ich mir jetzt das Gerede dieses alten Sacks anhören?“ Ihr Vater seufzte. „Du hast so oft gefragt. Warum deine Mama eine Elfe ist und du nicht. Hast dir das immer so gewünscht.“ Sie schaute ihn trotzig an. „Nun, erst der Name. Dann die Ohren. Und als nächstes wird nun dein Vater für immer aus deinem Leben verschwinden. Vielleicht mag es dich ja glücklich...“

Sie wand sich wieder etwas in den Handschellen und sah David giftig an. „Ich hab ein perfektes Leben gehabt! Und nur weil du mich schon wieder kontrollieren musstest, nur deshalb bin ich jetzt entführt worden!“ Der sterbende Mann sah sie schweigend an. Er holte Luft. Sammelte Kraft. David konnte spüren welche Anstrengung dieser Moment für ihn war. Er fühlte mit ihm. Und hoffte gleichzeitig das er nicht alle Kraft verbrauchte. Denn sie brauchten seine Aussage. Er sprach leise aber Stimme zitterte nicht. Er gab sich nicht diese letzte Blöße. „Wenn mein Tod dich glücklich macht, dann ist es eben so. Ich habe dir nie alles erzählt. Ich habe dich immer beschützen wollen. Für das was ich im Leben getan habe... Dafür ist das hier viel zu gnädig. Deine Mutter, sie wollte das ich aufhöre. Mich zurückziehe und endlich meine Sünden bedaure.“

Er atmete durch. Celina war endlich mal still. Vermutlich weil ihr Vater nie zuvor offen gewesen war. Nie über ihre Mutter geredet hatte. Sie sah ihn mit einer seltsamen Neugierde an. Wie ein Archäologe der nach hunderten Jahren der Rätsel plötzlich ein Uraltes Rätsel lösen würde. Ihr Vater fuhr fort: „Ich habe für Leute gearbeitet... Für Leute die nur an Geld denken und denen nichts heilig ist. Ich habe... Familien zerstört, Menschen ermorden lassen, habe Gefoltert und Vergewaltigt. Ich habe mehr Blut an den Händen als andere in zehn Leben vergossen hätten.“

Die Worte klangen aus seinem Mund so normal. Als wenn nichts dabei wäre. Als wenn er ihnen seine Bestellung für das Abendbrot aufzählte. Das Mädchen starrte ihn fassungslos an. „Deine Mutter sie... War der einzige Mensch der das Gute in mir gesehen hat. Und als sie mich dann aufforderte diesen Wahnsinn zu beenden. Weg zu gehen und endlich Frieden zu machen.... Da hat sie eines Tages zu viel gewagt und...“ Er hielt inne und starrte einen Moment ins Leere. „Ich habe an diesem Tag alles verloren. Sie wurde mir genommen. Und... Und du, mein einziges Kind, wärst dran gewesen wenn ich jemals nicht gehorcht hätte.“

Celina schüttelte den Kopf. „Das... Das denkst du dir doch nur aus. Ja, nur aus damit ich brav heule wenn du tot bist!“ Ihr Vater schloss die Augen. „Du warst immer unter Beobachtung und sie haben dein Leben gelenkt. Und erst jetzt, da sich alles dem Ende neigt, konnte ich dich retten lassen. Habe ich endlich den Mut gefunden das Richtige zu tun. Du wirst es eines Tages verstehen. Und selbst wenn nicht. Immerhin wirst du am Leben sein.“ Celina stand endlich ruhig. Sie bewegte den Mund so als wenn sie was sagen wollte.

Der Sterbende ZeugeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt