"Die Sünde wird diese Stadt verschlingen und verzehren! Und die Dämonen der Unterwelt werden wieder auf Erden wandeln und sich an den Seelen der Verderbten laben. Ihr könnt weinen und wehklagen wenn sie kommen, doch am Ende verschlingen sie euch alle! Nur das Licht der heiligen Feuer kann euch retten..."
Robert schaute den Straßenprediger mit einer Mischung aus Mitleid und Bewunderung an. Er war ein zerlumpter Mann, dessen Haare wirr zu allen Seiten ab standen und der sicher einmal einen guten Job und sicher einen hohen Bildungsstand hatte. Und doch war er nun ein Abgerissener Prediger, der eine wahnsinnige Botschaft brüllte und Schilder aus Pappe in die Luft hielt. Das Schild mit dem Wort „Bereue!" war scheinbar sein absoluter Favorit. Er hatte früher öfters mal solche Leute von Straßenecken entfernen müssen. Sie konnten den Leuten den Tag gut vermiesen und Geschäften die Kundschaft vergraulen. Aber hier schien sich keiner so recht an ihm zu stören.
Er sah sich nochmal um. Die Gegend war noch kein Slum und schien sich krampfhaft an ihrem Status als ärmere aber sichere Gegend zu klammern. Die bunten Graffiti an den Wänden waren keine Gang Tags und manche waren echt kunstvoll. Der Mann vom Imbiss meldete sich mit rauer Stimme aus dem Verkaufsfenster zu Wort: „Hören sie dem nicht zu lange zu. Am Ende macht es noch Sinn." Robert drehte sich um und sah den Menschen an. Er war nicht so alt wie der Prediger aber sicher auch schon ewig in der Gegend. Und die Knasttattoos an seinen Unterarmen sprachen ebenfalls eine deutliche Sprache.
Robert lies seinen Blick durch das Fenster in den Laden wandern. Die verkrustete Fritteuse und die übervollen Fliegenfänger bereiteten ihm sofort Bauchschmerzen. Also lächelte er und bestellte eine Cola. Der Mann gab ihm eine Flasche und kassierte routiniert. Robert trank einen Schluck und sprach den Verkäufer nochmal an. „Sagen sie, sie kennen sich hier doch sicher in der Gegend aus?" Der verschwitze Mann grinste ihn an. „Na, wenn sie was suchen... Ich kann ihnen da sicher einen Tipp geben." Robert prostete ihm zu, nahm einen großen Schluck und sagte dann: „Ich suche was Abwechslung. Ein Kumpel meinte es gäbe hier so einen Rennclub..." Er ließ es langsam angehen.
Mal schauen was der Typ wusste. Dieser schenkte Robert ein grinsen. „Ja, da gibt vielleicht was. So ein Haufen Kids die Nachts was veranstalten. Ist ne heiße Sache, aber sie sehen aus wie jemand den das nicht stört." Robert zuckte die Schultern und leerte seine Flasche. Er gab sie dem Mann und zog dann noch einen 20er aus der Hosentasche. Bargeld verschwand so langsam aus dem Alltag, aber jeder der was zu verbergen hatte, der liebte es noch. Keine Spuren auf dem Konto. Keine Fragen.
Der Mann nahm das Geld und sagte dann etwas leiser: „Also, ich kenn mich da nicht so gut mit aus. Aber ich kenn jemand. Sagen sie einfach das Pascal sie schickt." Robert war nicht begeistert. Von einem Informanten zum anderen zu gehen war heikel. Einerseits weil man nie sicher sein konnte, ob der Tipp es Wert war und man nicht nur hin und her geschickt wurde und andererseits weil es auffiel wenn man zu vielen Leuten die gleichen Fragen stellte. Eine andere Möglichkeit gab es aber nicht. Zumindest vorläufig. Robert spannte sich also etwas an und sagte, ebenso leise: „OK, aber wehe der Tipp ist nicht gut."
Pascal grinste. „Nee, der Tipp ist echt gut. Ich hab ne Menge Kontakte, aber die Richtung in der du was wissen musst, da ist sie der Profi." Er erklärte mit einigen nichtssagenden Handbewegungen den Weg, ein paar Straßen weiter. „Sie vertickt da an der Ecke Zeugs. Wenn sie nich da ist, dann wart einfach. Sie taucht da schon auf." Er nickte Robert zu. „Danke für den Tipp. Und möge die heilige Flamme mit dir sein, oder so was." Er grinste und warf noch einen Blick auf den Prediger. Dann ließ er den Imbiss links liegen und machte sich auf den Weg.
Die Frau lächelte ihn mit ziemlich herzlichen Lächeln an. Der Imbissbrater hätte vielleicht einfach eine grobe Personenbeschreibung, oder einen Namen nennen können, aber so musste Robert einfach drauf vertrauen das er die Richtige gefunden hatte. Sie war ein Mensch und schien in Roberts alter zu sein. Ihre Jeans war ziemlich zerrissen und die leichte Armyjacke schien aus dem gleichen Altkleidersack zu stammen. Aber ihre Augen und ihr Lächeln hatten viel mehr Leben als Robert von Leuten wie ihr gewöhnt war.
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Der Sterbende Zeuge
Sci-fiDer Ex-Cop Robert übernimmt einen schwierigen Auftrag. Es bleibt ihm nicht viel Zeit und die Spur führt in die schlimmsten Kreise... Es ist die Welt von Shadowrun... Eine dunkle Zukunft in der die Technologie ungeahnte Höhen und der soziale Abgrund...