Jeder Muskel in ihrem Körper tat weh. Und ihr Kopf stand unter einem solchen Druck, als wenn ein Stausee sich hinter ihrer Stirn befände. Sie öffnete langsam ein Auge. Das Schlafzimmer. Das weiche Bett war so warm und kuschelig unter ihr. Sie hörte leise das Radio, Nachrichten. Der Duft von Kaffee stieg in ihre Nase und mischte sich mit dem von Rührei. Was war letzte Nacht passiert? Sie setzte sich langsam auf. Robert lang neben ihr, aber während sie nackt war, trug er noch T-Shirt und Unterhose. Sie rieb sich die Schläfen. Sie hatte gebadet und dann war sie zu ihm gegangen. Sie hatten Sex gehabt und dann...
Sie erstarrte. Richtig erinnern konnte sie sich nicht. Nur das es Streit gegeben hatte. Sie hatte was falsch gemacht. Und dann? Sie ahnte das hinter dem Schleier der ihre Erinnerung bedeckte nichts gutes lauerte. Aber immerhin war sie noch hier und in einem Stück. Robert regte sich. Er öffnete die Augen und schaute sie lange an, bevor er sich aufsetzte. Erin zog die Decke enger um sich. Es war ihr dann doch ein wenig Peinlich so nackt zu sein. Zumal ihre letzte Erinnerung ein Streit war. Aber was hatte ihn ausgelöst? Robert seufzte als wenn er beruhigt wäre. Dann sagte er leise: „Erin... Es geht dir gut.“ Er atmete wirklich erleichtert auf.
Sie lächelte unsicher. Was sollte sie sagen. Aber Robert übernahm das für sie: „Gestern Nacht... Du hast... Naja, wir haben uns beide ziemlich mies benommen. Tut mir leid aber... Verdammt, ich hab dich mit nem Krampfanfall im Bad gefunden.“ Erin hielt den Atem an. Sie schüttelte leicht den Kopf. „Ich... Das passiert mir halt manchmal...“ Robert sah sie wissend an. „Immer wenn du dieses Beruhigungsmittel über dosiert hast?“ Sie musste weggucken. „Is meine Sache...“ sagte sie leise und im Reflex. Robert schüttelte den Kopf. „Jetzt nicht mehr. Ich hab den Mist entsorgt, bevor dich das Zeug umbringt.“
Erin riss die Augen auf und starrte ihn an. „Du hast was?“ Entfuhr es ihr viel zu laut. Robert hielt dem Blick stand. „Das Zeug bringt dich früher oder später um. Wieso machst du das?“ Sie zitterte und schlug die Hände vors Gesicht. Dann sagte sie mit zitternder Stimme: „Da... Da steckten meine ganzen Ersparnisse drin. Das war alles was ich hatte...“ Robert fühlte sich mit einem mal hilflos. In was war er da rein geraten? „Wenn es dir nur darum geht, dann geb ich dir das Geld wieder. Zusätzlich zu deinem Honorar für die Hilfe. Aber ich werd mir nicht mitansehen wie du dich vor meinen Augen umbringst.“
Sie sah ihn wütend an. Die Verzweiflung sprach aus ihr: „Das geht dich nichts an. Ich mach für dich die Führerin durch den Dschungel da... Ich mach für dich die Beine breit, aber du kannst nicht von mir verlangen das ich mal eben aufhöre. Ich halt es ohne das Zeug nicht lange aus!“ Tränen schossen in ihre Augen und liefen über ihre Wangen. Roberts Blick wurde sanfter. Er schüttelte den Kopf. „Erin... Du hast gestern Abend gesagt was du von mir denkst. Das alle dich nur Benutzen und wegwerfen wollen... Und jetzt sagst du mir das du ohne den Stoff nicht leben kannst. Was ist dir passiert? Das bist nicht du die da redet.“
Erin sah zu Boden und presste ihre Augen zu. Sie zog die Decke eng an sich und schluchzte ein paar mal. „Das geht dich nen Dreck an!“ flüsterte sie, wie sie es wohl schon so oft getan hatte. Aber ihre Stimme war so brüchig und unsicher. Robert wiederholte die Frage und legte alle Ruhe und Nähe in die Stimme die er aufbringen konnte. „Was ist dir passiert?“ Erin zitterte und sah ihn dann mit verheulten Augen an. Sie schluchzte es leise: „Mein Leben ist mir passiert. Ich hab immer nur Scheiße erlebt. Weißt du wie es ist auf der Straße zu leben?“
Sie wischte sich die Tränen weg und rang um Fassung. Ein Tapferer aber aussichtsloser Versuch. „Wie es ist wenn jeder Tag der letzte sein kann? Ich hab immer nur sehen müssen wie ich überlebe. Was meinst du warum ich diesen Straßenstrich nicht sehen wollte? Ich hab selbst da gestanden! Ich hab diese kranken Kerle bedienen müssen, die mit ihren abartigen Wünschen in keinem legalen Bordell geduldet werden! Mit Drogen und Schlägen haben die mich ruhig gehalten!“ Sie hielt einen Augenblick inne und rieb sich wieder die Augen.
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Der Sterbende Zeuge
Ciencia FicciónDer Ex-Cop Robert übernimmt einen schwierigen Auftrag. Es bleibt ihm nicht viel Zeit und die Spur führt in die schlimmsten Kreise... Es ist die Welt von Shadowrun... Eine dunkle Zukunft in der die Technologie ungeahnte Höhen und der soziale Abgrund...