"Warum seht ihr denn so besorgt aus?" Clarisse, Hazel, Pansy, Draco, Blaise und Gregory hoben sich dunkel vor dem weißen Hintergrund der Fremden ab. Ich lächelte ihnen allen zu, aber das schien sie nicht zu beruhigen, eher im Gegenteil.
"Wie geht es dir?", fragte Gregory schüchtern. Blaise öffnete schon den Mund, um Gregory zu maßregeln, aber ich kam ihm zuvor.
"Alles ist wunderbar." Alles war wunderbar, mein Atem flach und der Griff um mein Herz hart und kalt. Die rosigen Wolken wurden zunehmend dunkler, aber durchsichtiger, die Enge in meiner Brust damit immer intensiver. Jedoch war alles gut. Alles gut.
"Das ist Sarkasmus, oder?" Blaise glotzte mich ungläubig an.
"Du bist sooo schön, du siehst aus ein wenig aus wie eine Statue. So tolle Augen." Sie standen schräg und waren von einem hellen Braunton, der sich von seiner dunklen Haut abhob. So, wie mein Schmerz von der puren Positivität der Lage. Denn alles war okay, alles war gut. Auch, wenn mein Körper etwas anderes schrie.
"Also... danke, aber..." Blaise wusste nicht recht, was er sagen sollte. Er stak als schwarzer Schemen, noch dunkler als Hazel, mit brennenden, goldenen Haselaugen aus der Menge der weißen Fremden, als wäre er eine dunkle Kreatur, ein Dämon mit silberner Zunge und goldenem Herzen.
Madame Pomfrey wollte sich zu Wort melden, sie trug Weiß. Sie gehört nicht dazu!, schrie mein Hirn und ich fletschte aggressiv die Zähne. Nicht nur die Weißen wichen zurück.
"Es ist nicht gewiss, ob wir Mister Jackson helfen können, deshalb sollte euch die Gelegenheit gegeben sein, euch zu verabschieden." Madame Pomfrey sprach mit ruhiger, aber resignierter Stimme.
Ich sollte sterben? Das konnte ich doch gar nicht.
Die Wolken, die meinen Geist füllten, waren gar nicht mehr so rosig, eher rauchig und schattig, sie ließen mich in etwa erahnen, was ich verloren hatte. Mein Herz krampfte sich zusammen.
"Habt ihr es schon mit Wasser probiert?", erkundigte Clarisse sich harsch, konnte die Panik in ihren Augen jedoch nicht verbergen.
"Warum Wasser?", fragte Draco.
Er hatte graue Augen. Grau wie der Dunst in meinem Kopf, der nun endgültig verschwand. Graue Augen, aber ganz anders als Annabeths.
~~~
Auf einmal krümmte Percy sich zusammen. Keiner rührte sich vom Fleck, auch die Heiler nicht. Zu atemlos und angespannt war die Stille und jeder fürchtete, was kommen mochte, sobald sie gebrochen ward. Erst als Percy begann, krampfartig zu zucken, kam Bewegung in die Masse; die Stille bot keinen Schutz.
Clarisse rannte los, um Wasser aufzutreiben, ihre Schuhe prallten hart und dröhnend auf dem steinernen Boden auf, wie Schüsse hallten sie laut und endgültig. Bei jedem ihrer Schritte zuckten die Zauberer zusammen.
Noch immer war Percy still, kein Laut verließ seine Lippen, während er zusammengekauert zitterte. Wenn möglich war seine Haut noch fahler geworden, ein kränklicher Gelbton prägte seinen Teint. Und wenn man ganz genau hinsah, konnte man feine, schwarze Linien erahnen, die heimtückisch pulsierten.
Zögerlich näherte Hazel sich Percy, um sie herum berieten sich die Heiler hektisch, wie sie nun handeln sollten; besorgte, verzweifelte, ratlose Stimmen steigerten sich in Percys Kopf zu einer Kakophonie der Unzulänglichkeit - seiner Unzulänglichkeit.
Er, der ach so große Retter des Olymps, der nicht einmal die Kraft gehabt hatte, um ein Mädchen zu retten oder den Mut, sich bei seiner Mutter zu melden.
"Percy?", fragte Hazel unsicher und wollte ihn an der Schulter berühren, zuckte aber erschrocken zurück, als ihr Freund sich ruckartig aufsetzte. Dünne, schwarze Adern überzogen ihn mittlerweile gut sichtbar, seine Augen leuchteten in einem unmenschlichem Feuer, genährt von Pein in ihrer reinsten Form. Scharf wie Glasscherben bohrte sich sein Blick in Hazels, die verschrocken zurückwich und den ihrigen abwandte.
Nie hätte sie gedacht, dass Percy so auf sie - oder irgendwen - reagieren würde. Nicht Percy mit dem sonnigen Gemüt, der verrückt nach blauem Essen wund ihr Freund war.
Aber dieser Percy war nicht ihr Freund. Dies war ein anderer Percy, ein feindlicher Percy.
Abwehrend drückte der Fremde sich gegen das Kopfteil des Krankenbettes und bleckte aggressiv die Zähne wie ein wildes Tier, das sich bedrängt und bedroht fühlte. Es lief ihnen allen kalt den Rücken hinunter, jedem einzelnen von ihnen. Egal wie viel sie schon erlebt hatten, egal, ob Oberarzt oder Schulheilerin, Demigott oder Hexe, jung oder alt. Niemand konnte sich der furchteinflößenden Wirkung des Perseus Achilles Jackson entziehen, auch wenn sie sich später etwas anderes einzureden versuchen mochten. Wer ängstigte sich schon als Kriegsveteran und Betreuer von Opfern schlimmer psychischer Erkrankungen vor einem Teenager? Die ersten Heiler disapparierten, die Sperre war nur für sie aufgehoben worden, auf dass sie Percy retten mochten.
Percy begann Wehklagen auszustoßen. Sein Blick war verschleiert und brannte sich nicht mehr mit seiner brutalen Intensität in ihre Seelen, er kauerte sich aber noch immer gegen die Wand.
Die Laute, die Percy erzeugte, waren roh und brachial, scharfkantige Klumpen der Trauer und unendlich wahr. Rau brachen sie aus seiner Kehle hervor, wanden sich in die Lüfte und legten sich eng um alles, das sie finden konnten, erstickend und fest. Sie transportierten pure Trauer, genauso wahr wie jede Trauer, die jemals empfunden worden war, denn keine Trauer war falsch.
Aber Percy schwamm in einem Meer aus Verlust und Schmerz, das sich bis an den Horizont erstreckte und tiefer reichte, als Sonnenstrahlen dringen konnten, während andere es mit Seen, Teichen oder Gläsern voll Kummer zu tun hatten.
Weitere Heiler disapparierten, zu groß war der Schrecken, die Beklemmung, die Trauer. Für diesen Jungen gab es ohnehin keine Hoffnung, bald würde er sterben oder in seinem kalten Meer ertrinken.
Die schwarzen Adern wurden langsam dicker, wie ein Netz pulsierender Würmer lagen sie auf Percys fahler Haut, der brennende Schmerz in seinen Eingeweiden breitete sich immer weiter aus, es war, als würden Eber mit groben, vor Gift triefenden Hauern in ihm wühlen. Die Qual schlich sich in sein Wehklagen, die Töne füllten sich mit nie gehörter Pein.
Gregory brach lautlos in Tränen aus, geräuschlos kullerten ihm dicke Krokodilstränen über die Wangen. Es waren Tränen, wie er sie noch nie geweint hatte, gefüllt mit Trauer, Verlust, Resignation, Wut,... So viel mehr, als er sonst zu verarbeiten vermochte. Immerhin war er Gregory Goyle und nicht für seine emotionale Intelligenz bekannt. Das wusste er auch selbst und bedauerte es mit aller Tiefe, die er aufbringen konnte.
Blaise neben ihm stand, starr, Percys Stimme hatte ihn komplett im Griff und er kniff die Lippen aufeinander, die leicht zitterten ob all der Eindrücke, die auf ihn einstürmten, getränkt von Angst und Schuld.
Pansy strich beiden beruhigend über den Rücken, aber sie waren zu sehr in Percys Bann gezogen, als dass sie es bemerkt hätten. Auch Pansy hatte mit ihrer Fassung zu kämpfen, nicht nur wegen Percys einschüchternder Aura, seinem beängstigendem und besorgniserregendem Aussehen und seinem Jammer, das durch Mark und Bein ging, sondern auch, weil sie als Tochter des Eros auch Percys Liebe für und das Verlangen nach Annabeth spürte. Liebe, die Berge versetzen konnte und Götter töten. Pansy war es nur möglich zu hoffen, dass sich diese Liebe nicht in etwas Dunkles verwandelte.
Draco hatte eine Gänsehaut. Er wusste nicht genau, ob wegen der wahnsinnigen Beklemmung, die Percy in ihm auslöste, den unheimlichen Klängen, die er erzeugte, oder wegen der Bilder, die er hervorrief. Bilder von grünen Lichtblitzen, mit manischem Gelächter oder bleierner Stille. Bilder von schnappenden Zähnen, ranzigem Atem und totenbleicher Haut. Kalter Schweiß bedeckte Dracos Körper, genauso kalt wie die Angst, die durch seine Adern pulsierte.
Hazel zitterte am ganzen Körper, Tränen hinterließen feuchte Spuren auf ihren Wangen. Sie konnte nur daran denken, dass das nicht der Percy war, den Frank und sie kennengelernt hatten. Damals war er ganz anders gewesen, zwar auch traurig, aber er drohte nicht daran zu ertrinken. Frank hätte sicher gewusst, was zu tun war, um Percy aus seinem Loch zu ziehen, aber Frank war verschwunden. Er war weg und sie wusste nicht, ob er tot, lebendig oder verletzt war.
Sie wusste nichts.
Nur, dass Percy nicht so traurig sein sollte, wenn er starb. Aber auch an ihr zog die Traurigkeit, hinunter in ihre dunklen Tiefen.
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Serendipity // PJO
FanfictionNach dem Krieg und den immensen Verlusten will Percy nur trauern - tja, Hekate hat andere Pläne für ihn, genauso wie Tom Riddle -, denn nur weil man tot ist, kann man ja noch immer planen, nicht? Zusammen mit Geistern, Funken und etwas, das Percy ni...