Nierenstein, dein Freund und Helfer

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Ich war mir nicht mehr sicher, ob die Basilisken, gegen die Frank, Hazel und ich gekämpft hatten, gehörnt gewesen waren, aber es schien ganz so, als gäbe es auch in der Zaubererwelt Basilisken. Die Welt war ja noch nicht gefährlich genug.

Clarisse hustete, ob aufgrund von Unglauben oder Häme konnte ich nicht beurteilen.

Sollte ich Salazar Slytherin kennen? Sein Name ließ vermuten, dass er Salsa herstellte, was bedeutete, dass ich ihn wirklich kennen sollte. Vielleicht war Salsa alla Salazar aber auch nur für Zauberer, das würde erklären, warum ich ihn nicht kannte.

"Wie erfreulich", brach Hazel schließlich unsicher das Schweigen. "Wie viel kostet das denn alles zusammen?"

~~

Zwei Tage später standen wir am Bahnhof King's Cross und hatten keinen Plan, wie wir uns unauffällig an den Sterblichen vorbei zum Bahngleis 9 3/4 bewegen sollten. Hazel hatte den Zugang entdeckt - er war mittels Nebel versteckt und befand sich zwischen Bahngleis 9 und 10. Hazel hatte ihn als eine Art Portal beschrieben, da sich hinter dem Eingang natürlich das Gleis samt Dampflock befand und das so vom Platz her nicht wirklich möglich war.

"Die Leute schauen schon", drängte Hazel, die langsam nervös wurde. "Wir tun einfach so, als wäre alles normal und schlüpfen durch den Durchgang. Problem gelöst!"

"Dann fliegt aber die Zauberergemeinde auf. Immerhin wären wir vor den Augen der Sterblichen durch eine Wand verschwunden. Und wenn die Leute sowieso schauen, hätte ich mir ruhig eine Kröte kaufen können!", jammerte ich. Wir hatten in der Winkelgasse einen Laden entdeckt, der Haustiere für Magier verkaufte und beide hatten mir resolut verboten, eine Kröte zu erstehen. Und das, obwohl ich die Kröten verstanden hatte und Quaki richtig lustig war!

"Ich werde nie wieder jemanden wie Quaki treffen", maulte ich, schaute schmollend erst Clarisse und ihre tollwütig aussehende Ratte Nierenstein und dann Hazel und deren Eule Frank an. Die Eule hatte ich ja noch halbwegs verstanden - immerhin schienen die Zauberer damit ihre Post zu verschicken und daher war Eulenpost ein guter Weg, um unauffällig auf Zaubererart mir Camp Halfblood zu kommunizieren. Aber eine Ratte? Die hatte genau so viel Sinn wie Quaki.

Nein, eigentlich weniger, Quaki hatte mich wenigstens zum Lachen gebracht. Nierenstein hingegen hatte sich auf mir übergeben, als ich ihn - oder sie? - hochgenommen hatte.

Mir fiel gerade auf, dass Clarisse Nierenstein zum Glück einen unisex Namen gegeben hatte, ich glaubte nicht, dass sie geguckt hatte, ob Nierenstein eine Lady oder ein Herr war.

Clarisse schnaubte nur ob meines Gequengels und deutete dann auf einen Pulk rothaariger Menschen, die mit einem schwarzhaarigen Jungen und einem braunen Wuschelkopf unterwegs waren.

Beim Anblick dieser bauschigen Mähne musste ich sofort an meine komische Halluzination/Trance/Vision in Ollivander's denken. Anscheinend ging diese wissbegierige Hexe nun nach Hogwarts, um all das Wissen, nach dem sie sich so sehnte zu erwerben.

"Die gehen einfach durchs Portal und keinen schert's. Bewegt euch und steht nicht da, Abmarsch und schämt euch, dass ihr so lange und auffällig gestritten habt. Los jetzt!" Clarisse drehte sich nach einem strafenden Blick auf uns um und stapfte davon. 

"Wir haben nicht gestritten", murmelte ich, klang aber irgendwie trotzdem schuldbewusst. Vielleicht, weil Clarisse mich geschimpft hatte oder weil das irgendwie mütterlich, aber so gar nicht wie meine Mom gewesen war - und ich mich noch nicht bei ihr gemeldet hatte.

Sie dachte wahrscheinlich, ich wäre tot. Das war besser so. Immerhin würde ich ein Gott werden und würde sie sowieso wieder verlassen müssen. Außerdem war ich ohne Annabeth nichts. Zumindest konnte ich meiner Mom so nicht unter die Augen treten.

Hazel und ich folgten Clarisse brav, ohne einen Mucks von uns zu geben, den sie falsch interpretieren hätte können. Obwohl wir uns nicht gestritten hatten.

Tatsächlich ernteten wir nun weit weniger verwunderte Blicke als zuvor und das ermutigte Clarisse offenbar, einfach weiter durchs Portal zu marschieren. Vielleicht ist es aber auch gar kein Portal, überlegte ich. Vielleicht ist es einfach Magie.

Auf der anderen Seite stockte mir der Atem. Diese Menschenmenge, die Lautstärke, der sich verabschiedenden Familien, die große, scharlachrote Dampflok, die glänzte, als wäre es mit dem frischen Blut aller Gefallenen lackiert. Irgendwie hatte ich das trotz Hazels Beschreibung nicht erwartet.

"Warum, glaubst du, hat dieser goldene Zauberstab bei Ollivander's nicht zu mir gepasst, Percy? Er hätte meine Sparte der Plutomagie symbolisiert und er wäre perfekt für Such- und Ortungszauber gewesen, was die Suche nach Fra-", begann Hazel ein mehr oder weniger unverfängliches Gespräch, um nicht von Clarise gerügt zu werden, wurde aber forsch von ihr unterbrochen: "Kommt! Steigen wir endlich ein!"

Darauf bedacht zusammenzubleiben, quetschten wir uns durch die Menge und hievten schließlich unser Gepäck in den Zug. Leider nahm der Trubel auch im Inneren nicht ab, Schüler wuselten unruhig hin und her und redeten aufgeregt durcheinander. "Es geht das Gerücht um, die Süßigkeitenhexe sei gestorben!" "Ich habe gerade Neville Longbottom getroffen. NEVILLE LONGBOTTOM!" "Ich hab gehört, das Goldene Trio wiederholt das siebte Schuljahr." "Das Silberne auch." "Die Abteile sind fast alle voll, nur bei den Todessern ist noch richtig viel Platz."

Die letzte Bemerkung stammte von einem brünettem Mädchen mit pinkem Haarband und widerlich süßer Stimme, welches den Gang hinunterdeutete. Als sie mich entdeckte, kam sie seltsamerweise auf mich zu und klimperte mit ihren Wimpern. "Hi, Süßer. Ich bin Lavendaaaaaah!" Ihre Vorstellung endete in einem Kreischen, weil Nierenstein ihr ins Gesicht sprang. Das brachte der Ratte einen Sympathiepunkt ein.

Nierenstein klammerte und biss sich in Lavendaaaahs Gesicht fest, während sie panisch umhertänzelte. Langsam gingen nach und nach die Abteiltüren auf, aus denen vorsichtig Augen herauslinsten , um den Grund für den plötzlichen Krawall herauszufinden. Manche Magier waren nicht ganz so diskret und reckten ihren ganzen Kopf aus dem Abteil.

Clarisse trat indessen einen Schritt auf Lavendaaah zu, packte Nierenstein und riss ihn von Lavendaaaah weg, was ohrenbetäubendes Gebrüll zur Folge hatte. "Tut mir nicht im Geringsten leid", meinte Clarisse, strich Nierenstein über das filzige Köpfchen und setzte ihn sich auf die Schulter. Ringsum ertönte ein kollektives nach-Luft-schnappen, offenbar war man auf Lavendaahs Erwiderung auf diese unverschämte Aussage gespannt. 

Ich rettete die Situation souverän, indem ich mich heldenhaft von der blutenden, aber unsympathischen Lavendaah abwandte und den Gang hinabschritt. "Hier soll noch was frei sein." Hazel streichelte Frank zwischen die Käfigstäbe hindurch und nickte.

Willkürlich klopfte ich an irgendeine Abteilstür, welche kurz darauf auch aufschwang. Vor mir stand ein Junge mit länglichem, bleichem Gesicht und aschblondem Haar. Ihn hatte ich auch im Zauberstabladen gesehen - er war der von den beiden sich überlappenden, blonden Knaben mit dem schöneren Augenbrauenschwung.  

Er lehnte so komisch und argwöhnisch in der Tür, dass ich nicht in das Abteil hineinspähen konnte, dennoch spürte ich die Anwesenheit eines anderen Demigottes darin.

"Wie kann ich euch helfen?", erkundigte der Junge sich und ließ seinen Blick prüfend über uns schweifen. Bei Nierenstein, der mit Clarisses strähnigem Harr spielte, blieb er kurz hängen. Wahrscheinlich durften wir nicht ins Abteil, immerhin schaute Nierenstein aus wie eine fiese, halbtote Kanalratte. Und ich war sicher, dass er und auch sonst niemand im Abteil Tollwut haben wollte.

Auch wenn der Verkäufer beteuert hatte, Nierenstein sei absolut gesund. Naja, Lavendaaah würde uns seine Glaubwürdigkeit schon beweisen.

"Ich wollte fragen, ob wir vielleicht zu dir und deinen Freunden in Abteil dürfen."

Er hob kühl eine Augenbraue. "Seid ihr so verzweifelt, dass ihr euch zu Tod-"

Ein Kreischen unterbrach ihn.

Serendipity // PJOWo Geschichten leben. Entdecke jetzt