Es ist Mittwoch am Abend. Ich chille gerade in meinem Zimmer, als es klingelt. Sofort stehe ich auf und luge aus meiner Tür.
"Susan, gehst du?", frage ich in die Luft hinein. Wo ist sie denn? Als ich feststelle, dass sie wohl schnell einkaufen gegangen sein muss, packe ich hektisch meine Maske und ziehe meinen Pulli, den ich schon etwas länger anhabe - ich gestehe - vorne zu. Er muss mal wieder gewaschen werden. Ja, ich weiß, das wird nachgeholt.
Dann spicke ich durch den Türspion. Als ich registriere, wer dort draußen steht, frage ich mich zunächst woher er weiß, wo ich wohne, erinnere mich dann aber an die Farbkatastrophe und die Heimfahrt.
Ich habe wohl zu lange gewartet, denn er dreht sich um und will schon wieder gehen. Sofort reise ich die Tür auf. "Cam?" Als er sich umdreht, merke ich erst, was los ist.
Sein Gesicht ist aufgequollen von Tränen. Er hat Augenringe die heute in der Schule noch nicht da waren, glaube ich zumindest. Seine Augen strahlen Trauer aus und als er anfängt zu schluchzen, zerreißt es mir das Herz. Vorsichtig komme ich zu ihm nach draußen und umarme ihn.
"Was ist los?", flüstere ich an seine Brust gepresst, als er mich näher drückt. Ich habe noch nie einen Mann weinen gesehen. Aber es scheint etwas Ernstes zu sein.
Wir bleiben eine kleine Ewigkeit draußen stehen. Cameron ist nicht fähig zu sprechen, weil sein Körper bebt. Als ich merke, dass es anfängt zu regnen, ziehe ich ihn nach drinnen. Ich kann seinen Kummer nicht länger ertragen und versuche, mir etwas einfallen zu lassen, als er sich gerade die Schuhe auszieht.
"Da ist mein Zimmer, ich komm gleich", weise ich ihn an und zeige auf die Tür. Er verzieht sich und ich klapper in der Küche umher.
Als ich gefunden habe, was ich suche, hellt sich mein Gesicht auf und ich hoffe, es wird wenigstens ein bisschen helfen. Ich schiebe vorsichtig die Tür auf und setze mich zu ihm auf mein Bett. Kurz checke ich noch die Umgebung, ob ich irgendetwas Peinliches herumliegen habe, bin dann aber sichtlich zufrieden und strecke ihm das Eis hin.
"Eis mit Cookies?", frage ich und sehe ihn aufmerksam an.
Er versucht sich ein Lächeln abzuringen, was aber scheitert. "Cam, ... was ist los?", erkundige ich mich noch einmal. Ich will ihn nicht bedrängen aber manchmal tut es einfach gut, etwas los zu werden. So kann ich ihm vielleicht helfen.
Cameron schluckt und versucht sich die immer noch fließenden Tränen wegzuwischen. Bevor mir bewusst wird, was ich da eigentlich tue, ist meine Hand vorne und wischt seine Wangen trocken.
Er zuckt leicht zusammen und sieht dann verblüfft zu mir herüber. Ich bin ja genau so verwirrt und ziehe meine Hand schnell wieder weg. "Sorry, Reflex", rede ich mich raus und versuche meine roten Wangen zu verbergen, was mir mit der Maske gar nicht so schwerfällt.
Cam räuspert sich und lehnt sich dann zurück. Ich tue es ihm gleich und breite die Decke über uns aus. Ich kuschle mich in die Kissen. "Es ... meine Familie bricht gerade auseinander. Es geht alles drunter und drüber." Ich lasse ihm Zeit und warte geduldig.
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Die Maskensammlerin
Teen Fiction~Ein Funke, der nur noch Anstoß brauchte um zu leuchten ~ Die junge Avery Grant lebt zurückgezogen.Seit dem Vorfall der ihr Gesicht zerstört hat, trägt sie in der Öffentlichkeit nur noch Masken. Sie versinkt in ihrem Selbstmitleid und ist in der Sch...