𝚎𝚒𝚗𝚜

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"Brooke"

Ich frage mich, wann er dort wohl runterfallen wird.

"Brooke"

Ist das eigentlich gefährlich, einfach so auf Dächern herum zu laufen?

"Brooke!"

Sofort schreckte ich auf und sah zu meiner Mom herüber, die ziemlich angefressen aussah. Ich bin siebzehn, sie kann von mir nicht erwarten, das ich ihr immer zuhöre wenn sie etwas sagt.

"Hast du mir überhaupt zugehört?", oh nein, bei dieser Frage kann ich ja nur verlieren. Nervös lächelte ich sie an, ehe ich versuchte, mir irgendetwas zusammen zu reimen. "Du hast meinen Namen gesagt und - nun ja -", nicht ganz meine Meisterleistung. "Ich habe dir gesagt, das du dein Vorstellungsgespräch nächste Woche nicht verpassen sollst.", Vorstellungsgespräch. Wenn ich dieses Wort schon höre wird mir ganz übel.

"Es ist wichtig das du dort erscheinst Brooke, es geht immerhin um deine Zukunft.", mahnt sie mich an, weshalb ich mich nur seufzend von ihr abwende und mich wieder dem Jungen zuwende, der noch immer auf dem Dach des Hauses steht und scheinbar nun eine angeregte Unterhaltung mit seinen Freunden führt. Die Glücklichen.

"Ich will nicht, das du dein ganzes Leben auf dieser Insel verschwendest und deine Zukunft ruinierst.", fuhr sie fort, weshalb ich mir ein lautes Seufzend unterdrückte. Meine Zukunft. Das ich nicht lache. Es ist ihr Plan, mich nach Yale zu schicken und von hier für immer zu verbannen. Doch eigentlich will ich gar nicht dorthin - und mein Zukunftsplan sieht sowieso für mich vor, die Welt zu bereisen.

"Brooke, bitte.", ihre Hand legte sich sanft auf meinen Arm, weshalb ich mich von dem Jungen abwendete und sie ansah. "Ja, ich werde da sein.", antwortete ich und lächelte leicht, um endlich das Thema zu wechseln, denn mein Motto ist es nicht in die Zukunft zu leben, sondern den Augenblick zu genießen.

Wieder sah ich zu den Jungs am Haus und musterte sie. Sie schienen Spaß zu haben. Wann hatte ich das letzte Mal wirklich Spaß? Rafe ist nicht gerade die Stimmungskanone.

"Das kann doch wohl nicht -", bemerkte Mom meinen Blick, ehe auch schon ein Polizeiwagen an uns vorbei fuhr. Sie wollte gerade losfahren, da hielt ich sie ab, irgendetwas dummes zu tun. "Mom, lass sie einfach. Bitte. Für mich.", hielt ich ihren Arm fest und ließ ihn los, so bald ich sah, wie die vier vor uns über die Straße rannten und in der nächsten Gasse verstanden.

"Was hast du nur mit diesen Pogues Schatz. Die sind einfach -", doch sie konnte ihren Satz gar nicht beenden, da begann sie zu lachen. Und da meine ich wirklich lachen. Ich war regelrecht überrascht, dass sie überhaupt wusste, was das war. Ich hatte sie, wenn es hochkommt, vielleicht vier Mal richtig lachen gehört, seit dem ich bei ihr lebe.

Wir leben auf einer Insel in North Carolina. Outer Banks. Für manche das Paradies auf Erden, für mich ein Gefängnis im Meer.

Es gibt hier genau zwei Arten von Menschen: die, die sich zwei Häuser leisten können und die, die zwei Jobs haben, um zu überleben. Die Northside und die Southside. Zu meinem Pech, gehöre ich zu denen, die sich zwei Häuser leisten könnten.

Ich bin nicht gerne eine Kook, wie wir von den Southsidern bezeichnet werden, denn ich habe nirgends Probleme und jeder kennt dich. Doch das ist auch ein ziemliches Problem. Niemals kann ich irgendwo hingehen, ohne dabei von Freunden meiner Mutter aufgegabelt zu werden. Wie oft habe ich schon versucht zu den Partys der Pogues zu gehen und habe es nicht mal bis zum Strand geschafft? Zu oft.

"Über was denkst du nach? Du bist heute so still.", riss mich die Stimme meiner Mom aus den Gedanken, weshalb ich mich zu ihr drehte und durch meine Haare fuhr. "Nichts was dich interessieren würde.", es war leichter nichts zu sagen, als irgendeine belanglose Lüge zu erfinden.

"Ich setz dich zu Hause ab und fahre dann aufs Revier, in Ordnung?", ich kann doch sowieso nichts einwenden, oder ? "Klar, mach du dein Sheriff-Ding und ich mach mein Ding. So wie immer.", erwiderte ich und sah schon von weiten unser Haus am Ende der Straße aufblitzen. Es war nichts besonderes, eben eines, was Kooks wie wir uns leisten können.

Nur ein paar Tage später, als Rafe eigentlich vor hatte mit Topper, Sarah und mir raus in den Sumpf zu fahren, kam zu meiner Rettung Sturm Agatha und ruinierte somit seine Pläne, hinderte ihn dennoch nicht, zu mir zu kommen.

"Wann denkst du, ist deine Mom zu Hause?", zog er mich an sich und strich mir eine Strähne aus meinem Gesicht. Ja, manchmal kann er süß sein. Manchmal.

"Ich weiß nicht, vielleicht in - möglicherweise drei, vier oder fünf Stunden. Wieso?", legte ich meinen Kopf in den Nacken und sah zu ihm hinauf.

Rafe Cameron. Sohn einer sehr reichen Familie. Dennoch ist er nicht gerade der Typ von Sohn, den sich ein Vater wünschen würde. Das wusste ich schon seit Monaten. Er ist süß, hat jedoch einen Drang zum gewalttätigen und dennoch, steht er noch immer hier.

"Na dann haben wir ja noch genügend Zeit.", grinste er und hob mich im handumdrehen hoch, so dass ich meine Beine hinter seinem Rücken verschlang. "Tut mir Leid, ich muss noch ein paar Lebensmittel einkaufen, da Mom das nicht geschafft hatte und ich habe wirklich keine Lust, Agatha über den Weg zu laufen.", murmelte ich, ehe ich mich dazu drang, doch noch meine Lippen auf seine zu legen. Er murrte nur, ehe er mich hinunter ließ. Seine Hand fuhr beruhigend über meinen Rücken, ehe es jedoch durch sein Klingeln unterbrochen wurde.

Sein Blick wurde starr und er schluckte schwer, als er aufs Display starrte. Ward. Sein Vater.

"Soll ich dich irgendwo absetzen?", fragte er und ließ leicht seine Mundwinkel zucken, was ich auch erwiderte jedoch verneinend meinen Kopf schüttelte. "Bitte bleib im Haus wenn der Sturm kommt, versprichst du mir das?", küsste er meine Stirn, ehe er mich zur Haustür zog und sich dann anschließend in seinen Wagen fallen ließ. "Ich verspreche es.", er nickte zufrieden, ehe er davon fuhr.

Gut, wäre das auch geklärt. Schnell schnappte ich meine Tasche und lief genau dort hin, wo ich eigentlich nicht hin sollte. Zu den Docks.

Ich musste wenigstens einmal in einem Monat in die Haut eines Pogue schlüpfen um der Realität zu entfliehen. Wüsste meine Mutter das, wäre ich am Arsch. Wüsste Rafe das, wäre ich tot.

Laute Sirenen ertönten, als ich auf dem Steg entlang lief und versuchte einfach nur diese Umgebung zu genießen. Das Meer. Die Wellen. Die salzige Sommerbrise auf meiner Haut. Es ist einfach -

Doch plötzlich spürte ich einen gewissen Druck, ehe ich auch schon taumelnd zurück fiel und auf dem hözernen Boden landete.

"Oh Sorry, alles okay bei dir?", fragte eine fremde Stimme sogleich, weshalb ich mich stöhnend aufrichtete und ihn leicht lächelnd ansah. "Sicher, alles in Ordnung. Keine Panik.", lachte ich und ließ mich von ihm aufziehen, als er mir erleichtert die Hand reichte.

Ein Junge. Schätzungsweise mein Alter. Weißes Shirt. Braune Haare. Doch Augen, die ich unter hunderten wieder erkennen würde.

"Geht's dir wirklich gut?", lachte er, nach dem ich wohl einige Augenblicke nicht reagiert hatte, weshalb ich nur lächelnd abwinkte. "Also dann, vielleicht sieht man sich."

Ich hoffe doch.

together alone × 𝐨𝐮𝐭𝐞𝐫 𝐛𝐚𝐧𝐤𝐬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt