19. Kapitel - Der Weg nach Isengart

59 4 2
                                    

19. Kapitel – Der Weg nach Isengart

[1. März im Jahre 3019 des Dritten Zeitalters]

Der Ritt der Waldläufer auf der Nord-Süd-Straße war eintönig. Nirgends wuchs auch nur eine Pflanze, abgesehen von einigen hier und dort in der Landschaft stehenden verdorrten Büschen, die gerade den Eindruck dieser toten Gegend noch zu verstärken schienen, anstatt dem Blicke der Waldläufer Abwechslung zu verschaffen. Schweigend ritt ein Großteil der Grauen Schar mit gesenkten Köpfen, um dem in der Ebene starken Wind zu trotzen, sie schienen nur sich selbst und das Schnauben ihrer Pferde wahrzunehmen, die Bewegung der Muskeln unter ihnen. Kaum ein Wort wurde gewechselt, kaum Blicke, kaum bewegten sich die Reiter auf ihren Pferden, die wie von selbst ihren Weg zu finden schienen. So nahm es jedenfalls Beravor wahr, die am Ende des Zuges ritt, wo sie sich am wenigsten durch andere heimlich beobachtet fühlte, neben ihr trottete Galruin, der Istavor zuverlässig trug und stur den Pferden vor ihm folgte, welche wiederum den Pferden Halbarads sowie Elladans und Elrohirs folgten, deren Reiter den Weg kannten und alle Waldläufer sicher leiten würden.

So wie die Dúnedain die Ebene hassten, weil sie in dieser Landschaft ohne Verstecke leicht zu sehen und anzugreifen waren, so sehr fürchteten sie alle auch den Weg, der noch vor ihnen lag. Denn Halbarad hatte beschlossen, dass sie nahe an Isengart, das in einem Kessel des Nebelgebirges lag, vorbeireiten würden, entlang der Nord-Süd-Straße. Ein Marsch auf der Straße war zwar gefährlich, da die Schar dort von allen Seiten ungeschützt war und die Späher des Feindes die Straße Tag und Nacht überwachten, doch Halbarad und die Elbenzwillinge waren sich sicher, dass ihr Vorhaben Saruman und Sauron seit Langem bekannt war. Allerdings wollten sie die schwarzen Schatten der gewaltigen Nebelberge vermeiden, denn aus dem Gebirge kamen des Nachts wilde Geschöpfe, Orks und schlimmere, die plünderten und mordeten, und die Nebelberge würden weniger zum Schutz als vielmehr zur Gefahr werden. So hatten sich die Führer der Grauen Schar für den gefährlichen Weg auf der offenen Straße entschieden, die dicht an Isengart und dem Turm Orthanc vorbeiführte, in welchem der Verräter Saruman hauste, der durch seine Zauberkünste zu großer Macht gelangt war; denn er war ein Maia, eines der göttlichen Wesen aus den ersten Tagen der Welt, und er forderte die Herrschaft über das Königreich, dessen König nicht die Macht zu haben schien, sein Volk vor dieser Bedrohung an ihrer Pforte zu schützen; dies waren die Dinge, die den Númenórern wirklich Furcht zu bereiten schienen und sie in das Schweigen hatten verfallen lassen, in welchem sie nun viele Meilen durch die eintönige Gegend trotteten.

Dennoch spürte Beravor, wie sie gemeinsam mit ihrer wiedergewonnenen Freundin Istavor durch diese karge Landschaft ritt, eine Freude, wie sie sie lange nicht mehr verspürt hatte, seit sie mit Halbarad und den Elbenzwillingen diese Reise ohne Wiederkehr angetreten hatte. Denn ihr Herz war wieder hell, durch das Gespräch mit Halbarad, aber auch zu keinem geringen Teil durch die Versöhnung mit ihrer Gefährtin, mit der sie einen so langen Teil des Weges in Eintracht geritten war und die ihr Rückhalt gegeben hatte, bevor sie ein Zwist entzweit hatte, der sie nicht hätte trennen dürfen. Beravor fragte sich mittlerweile selbst, wie sie damals so falsch hatte das Gespräch führen können, indem sie ihre Verzweiflung ihr Herz hatte leiten lassen, obwohl sie doch eigentlich von Hoffnung hätte reden sollen, nun, da die Graue Schar, mächtige, großgewachsene Dúnedain mit Geschick und Kraft gleich der von Elben, dem immer noch Sauron Widerstand leistenden Volk der Menschen zur Hilfe eilte. Durch Halbarads Worte, die sie so aufgerichtet hatten, fühlte sich Beravor nun auch als ein Mitglied der Dúnedain, als ein Nachfahre der Menschen des Westens, und sie war zum ersten Male stolz darauf, ein Teil der Waldläufer zu sein, die zur Wendung des Krieges nach Rohan ritten.

Als sie dies bei sich dachte, fiel ihr plötzlich auf, dass die Nachricht, Aragorn halte sich zurzeit in Rohan auf, bereits etwa einen Monat alt war. Woher wussten die Elben und Halbarad so sicher, dass sie den Stammesführer der Westmenschen im Land der Pferdeherren finden würden? Sie teilte diese Fragen Istavor mit, die einige Zeit überlegte, bevor sie sprach: „Ich weiß nicht, weshalb unsere Führer ihren Weg so zielstrebig gehen, doch ich bin mir sicher, zweifelten sie an der Richtigkeit unseres Weges, so beratschlagten sie sich sicher und versuchten in Erfahrung zu bringen, wo er nun sei. Ich vertraue Halbarad und den Elben, dass sie uns den richtigen Pfad führen, denn sie sind weise und haben sicher alles bedacht, was mit unserem Marsch in Zusammenhang steht. Außerdem haben die Elben vielleicht Botschaften von den Vögeln erhalten. Du weißt, dass sie viele Freunde in der Natur haben, die ihnen Nachricht und Kunde von vielem bringen, was in der Welt vor sich geht." Damit schien sich für Istavor die Frage geklärt zu haben, und beide verfielen wieder in Schweigen, kein trübes Schweigen wie das der anderen Waldläufer, doch ein nachdenkliches. Beravor zweifelte ein wenig an den Worten ihrer Freundin, und kurzerhand entschloss sie sich, Halbarad und die Elben zu fragen, die an der Spitze des Zuges ritten und allen die rechte Richtung wiesen. Während sie nach vorne ritt, bewunderte sie ein weiteres Mal die Nebelberge, die zu ihrer linken im Osten dunkel und drohend aufragten und deren Höhe sich nicht ermessen ließ, denn die höchsten Gipfel, von denen es hieß, dass auf ihnen immer Schnee liege, auch zur höchsten Sommerzeit, diese Gipfel verschwanden in den Wolken hoch über ihnen, in den dunklen Wolken des Feindes, die aus seiner verderbten Behausung im Schwarzen Land strömten. Beravor hatte diese Gipfel in ihrer Kindheit und Jugend und auch in der Zeit, bevor sie mit der Grauen Schar gezogen war, stets nur aus der Ferne gesehen, doch seit sie mit der Schar zum ersten Mal an des Gebirges Ausläufer gekommen war, staunte und verwunderte sie sich über die Maße dieser Berge, obwohl sie sie fürchtete.

Der Weg der Grauen ScharWo Geschichten leben. Entdecke jetzt