25. Kapitel - Der Marsch der Elben

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25. Kapitel – Der Marsch der Elben

Azar verlangsamte seinen Schritt, als er und Merendú sich der Brücke näherten, die über den Graben zum Tor von Caras Galadhon führte. Auf der Mauer standen viele Elben in Rüstung, Soldaten aus Lórien, die auf den Angriff des Feindes warteten. Es war auffallend still, und Merendú fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, als Azar auf das große Tor zutrabte.
„Halt!", rief auch sofort ein Elb, der direkt über dem großen Tor auf seinem Posten stand, und Azar blieb stehen. Merendú sah nach oben, und sein Blick traf den des Wachmanns. Der Elb erkannte die grauen Augen eines Dúnadan und entspannte sich sogleich ein wenig.
„Seid gegrüßt", sagte Merendú, „mein Name ist Merendú, Waldläufer des Nordens. Aragorn, meinen König, suchte ich mit meinen Leuten, denn er ist nach Osten gewandert, aber ich wurde von den Meinen getrennt und suchte dieses Land auf, in der Hoffnung, hier Rat und Hilfe zu finden. Doch nicht deshalb bin ich bis hierher in höchster Eile geritten, und nicht deshalb ließen mich Eure Späher am Eingang zum Wald passieren, sondern, weil ich Euch eine Warnung überbringe. Darum bitte ich Euch, dass Ihr mich durch das Tor lasst, damit ich mit Eurem Hauptmann sprechen kann."
„Die Dúnedain waren stets die Freunde der Elben", sagte der Wächter, „und wenn Ihr eine Mitteilung von so großer Wichtigkeit mit Euch tragt, so will ich Euch einlassen, Merendú." Er gab einem anderen Elben den Befehl, die Tore zu öffnen, und schickte einen weiteren, der den Hauptmann benachrichtigen sollte.

Der Eingang durch die Tore nach Caras Galadhon war eine Gasse, die durch die zwei sich überlappenden Mauerenden verlief, doch war er breit genug, dass mehrere Elben nebeneinander hindurchgehen konnten. Vor Merendú öffneten sich die schweren Tore, die ihn sonst verschlossen hielten, und er ritt hindurch. Kaum hatte er die Gasse durchquert und war auf der anderen Seite der grünen Mauer herausgekommen, da erwartete ihn schon ein Elb, der ihn zum Hauptmann der Krieger führen sollte.
„Steigt ab, Herr Merendú", sagte der Elb, „denn der Pfad, dem wir nun folgen werden, ist schmal und steil, und es ist wohl besser, wenn Ihr Euer Pferd führt."
„Wie lange werden wir laufen?", fragte Merendú. „Die Nachricht ist von größter Dringlichkeit und sollte schnellstens überbracht werden."
„Die Heermeister beraten sich in einem Flett, das etwa 500 Fuß hinter der Mauer liegt. Wir werden also nicht lange brauchen."

Der Elb führte Merendú einen gewundenen Pfad entlang, der sich nur wenig vom Wald, der um ihn herum wuchs, unterschied. Auf dem kurzen Weg, den sie gingen, sagte Merendú kein Wort mehr, denn die Schönheit der Mallornbäume, die den gesamten Hügel von Caras Galadhon bedeckten, hielt ihn zu sehr in Atem. Der Frühling war angebrochen, und die Bäume hatten ihre goldenen Blätter des letzten Herbstes abgeworfen, und jetzt war über Merendú ein Dach aus Silber, und er lief auf einem Boden aus schimmerndem Gold; und auch, wenn es das einzige Mal in Merendús Leben war, so vergaß er diesen Anblick niemals, und auch nicht das Gefühl, das er empfand, als er dort entlang lief; denn obwohl er viele Tage unermüdlich geritten war und sich nie erholt hatte, so kehrte nun mit jedem Schritt, den er tat, etwas der Kraft der Dúnedain in seinen Körper zurück, und auch Azar, den er führte, atmete ruhiger und schritt kräftiger.

Wie der Elb angekündigt hatte, kamen sie nach kurzer Zeit zu einem großen Mallorn, und sowie sie dort eintrafen, kletterte ein Elb geschickt den Stamm zu ihnen herunter. Er war in eine graue Rüstung gekleidet, die ihn im Zwielicht der Bäume beinahe unsichtbar werden ließ, und er trug einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen. An seiner Seite hing ein langes Schwert.
„Wohl getroffen, Merendú!", sagte der Elb, „mein Name ist Orodhrin, ich bin der Hauptmann der Elbenkrieger dieses Landes. Man sagt, Ihr habt eine wichtige Botschaft für mich. Sprecht also rasch, denn uns bleibt nicht mehr viel Zeit, bis der Angriff der Sklaven des Dunklen Herrschers auf unser Land beginnt."
„Genau deswegen bin ich gekommen", sagte Merendú, „denn ich bringe schlechte Kunde: Vom Rothornpass bin ich zu Euch hinab gekommen, und das Tor von Moria stand offen. Eine zweite Armee wird von dort kommen, und sie ist schon unterwegs."
„Das ist in der Tat schlechte Kunde, denn wir erwarten die Streitkräfte des Feindes im Osten, und eine gewaltige Armee marschiert von Dol Guldur aus gegen unser Land. Doch wenn Ihr Recht habt, Merendú, und eine zweite Armee von Moria aus herannaht, so bleibt mir nichts anderes übrig, als einen Teil unserer Truppen zurückzurufen und an unsere Grenze im Westen zu schicken."
„Ich glaube, dass Ihr wohl daran tätet, Orodhrin", sagte Merendú, „denn auch wenn ich die genaue Zahl der Feinde nicht kenne, die aus dem Schattenbachtor kommen, so fürchte ich dennoch aufgrund der zahllosen Fackeln und der vielen Schritte, die ich wahrnahm, dass eine große Armee heranrückt."
„Scharf sind die Augen der Dúnedain, und ihre Ohren hören mehr als die jedes anderen lebende Menschen", sagte Orodhrin, „und deshalb zögere ich nicht, Eurer Aussage Vertrauen zu schenken. Doch es wird nötig sein, die genaue Zahl zu erfahren, die uns vom Westen angreifen soll, damit ich die richtigen Entscheidungen treffen kann." Er wandte sich an die Wache, die Merendú hergeführt hatte, und sagte: „Rúmil, eile rasch nach Westen und überbringe den verbliebenen Wächtern die Nachricht, dass sie einen Späher bestimmen sollen, der die Truppenstärke des Heeres, das aus Moria kommt, genauestens in Erfahrung bringen soll, und mir anschließend davon berichtet. Die Späher und auch du sollt so viel des Weges reiten, wie ihr könnt, damit ich die Nachricht möglichst schnell erhalte." Rúmil nickte und wandte sich zum Gehen, doch dann drehte er sich noch einmal um und sagte:
„Wenn Ihr erlaubt, Herr, so will ich gleich dort bleiben, wo Ihr mich hinschickt, denn meine Brüder sind zur Bewachung der Westgrenze abgestellt, und wenn es dort zum Kampfe kommt, dann ist es mein Wunsch, mit ihnen zu kämpfen."
„Ich verstehe deinen Wunsch und gebe ihm gerne statt", sagte Orodhrin, und Rúmil eilte los und war bald zwischen den unzähligen Bäumen verschwunden. Dann wandte sich Orodhrin an Merendú und sagte: „Ich danke Euch vielmals, Merendú Dúnadan, dass ihr die Mühen einer schnellen Reise auf Euch genommen habt, um uns noch rechtzeitig zu warnen. Und darum mögt Ihr, wenn der Krieg vorbei ist und wider alle Hoffnung ein gutes Ende für uns genommen hat, einen Wunsch nennen, und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, Euch diesen zu erfüllen."
Merendú senkte den Kopf zum Zeichen der Dankbarkeit. „Eines erlaubt Ihr mir vielleicht, mir schon vorher auszubitten", sagte er, „denn auch wenn es mich eigentlich dorthin zieht, wo meine Stammesbrüder gerade reiten mögen, so sehe ich doch die Möglichkeit nicht mehr, vor dem Beginn der Schlacht von hier fortzureiten. Darum bitte ich Euch, dass Ihr mir gestattet, nach Westen zu reiten, denn mein Herz verlangt danach, nicht mehr fortzulaufen und nach etwas zu suchen, das ich nicht zu finden vermag, sondern endlich das Schwert zu ziehen und meinen Beitrag zum Schicksal zu leisten, so gut es meine Kräfte zulassen."
Orodhrin lächelte und sagte: „Mein Herz sagt mir, dass Ihr Euren Beitrag zum Schicksal der Welt schon geleistet habt, als Ihr vom Rothorn herabgekommen und in unseren Wald geritten seid und von unseren Wächtern gesehen wurdet. Doch erlaube ich Euch gerne, Euch an unserer Verteidigung zu beteiligen; aber ich rate Euch, dass Ihr Euer Pferd hier lasst, wo es sicher ist, und mit den Elben zieht, die sich bald, wenn die Späher zurückkehren und Eure Meldung bestätigen, zur Grenze aufmachen, denn sie kennen diesen Wald und werden Euch den schnellsten und geheimsten Weg zeigen."

Der Weg der Grauen ScharWo Geschichten leben. Entdecke jetzt