Das Geräusch von klirrendem Geschirr sowie der Geruch nach verbrannten, exotischen Kräutern weckten Blue. Das war an sich überhaupt nichts besonderes. Im Foxway kochte immer irgendjemand und Kräuter hingen ebenfalls im ganzen Haus, egal ob an der Decke, in Fenstern oder an Wänden. Was allerdings ungewöhnlich war, war die Uhrzeit zu der dies geschah. Ein Blick auf ihren alten Wecker verriet Blue, dass es gerade mal viertel vor acht war. Die Frauen im Foxway standen an einem normalen Samstag-morgen nicht vor zehn auf. Kurz überlegte Blue, ob sie die Wochentage verwechselte, oder ob heute vielleicht irgendein besonderer Anlass war. Orlas Geburtstag war erst in ein paar Wochen und sonst fiel ihr auch kein Grund ein, was die Wahrsagerinnen so früh zum Aufstehen bewegt hatte. Neugierig schlug Blue also die Bettdecke zurück, streifte einen jasminfarbenen Pullover mit raffiniertem Karomuster über und schlurfte dann noch etwas verschlafen die Treppen hinunter. Tatsächlich stand in der Küche ihre Mutter und wendete ein schon ziemlich angekokeltes Rührei. In der Luft stand der penetrante Geruch von Nelken, Kümmel und noch etwas drittem, das Blue beim besten Willen nicht zuordnen konnte. Sie gähnte und ließ sich an den Küchentisch fallen. "Was machst du so früh in der Küche?", fragte sie Maura. "Es ist noch nicht mal acht." Maura pfiff zu Blues großer Überraschung eine kurze Melodie und hob den Pfannenwender. "Willst du auch etwas Rührei, Blue-Schatz?", flötete sie gut gelaunt. Wer war dieser Dämon, der von ihrer Mutter Besitz ergriffen hatte?! Blue schüttelte den Kopf , holte sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank und angelte sich einen Teelöffel aus der Besteckschublade. Da fiel ihr Blick auf eine sorgfältig geschriebene Post-it Notiz an der Kühlschranktür. Mit lila Tinte und in der geschwungenen Handschrift ihrer Mutter stand da: Frühstück mit Mr Gray, Samstag um 9:00!!!
Die drei Ausrufezeichen strahlten eine leicht aggressive Stimmung aus. Blue konnte nicht glauben, dass sie das vergessen hatte. Eine hals-über-Kopf verliebte Maura, die den ganzen Morgen ungeniert mit Mr. Gray flirten würde, konnte Blue heute einfach nicht ertragen. Schlimm genug, dass Maura sich wie ein verknallter Teenie Mr. Gray gegenüber verhielt, aber sie konnte doch nicht von Blue erwarten auch noch freiwillig den ganzen Samstag-Vormittag dieses Geschnultze anzuhören! "Mum, ich muss um neun zum Monmouth und den Jungs helfen." Maura drehte sich gefährlich langsam zu ihr um und funkelte sie aus ihren klaren Augen scharf an. "Der Zettel hängt seit einer Woche an der Stelle. Du wirst mir doch nicht erzählen wollen, dass du den nicht ein einziges mal gesehen hast!" Nein das konnte Blue tatsächlich nicht behaupten. Ehrlich gesagt hatte sie den Jungs bisher auch noch nicht von ihrem Besuch um neun erzählt. Den hatte sie nämlich gerade erfunden, um dem Familien-frühstück zu entkommen. Und ja sie hatte den Zettel gesehen. Sie hatte nur gehofft sich spontan darum drücken zu können und dann vergessen sich eine bessere Ausrede zu suchen. Also blieb ihr wohl nichts besseres über als ihre Mutter mit flehendem Blick anzusehen. "Bitte Mum... Ich helfe dir auch am Montag bei deinen Sitzungen!" Das Angebot konnte Maura ihr gar nicht ausschlagen. Trotz Mauras hervorragenden Seherkünsten, war eine Sitzung mit Blue einfach nicht vergleichbar zu einer normalen. Ihre Mutter bat Blue oft ihr mit ihrer Gabe, alles hellseherische zu verstärken, bei besonders wichtigen Fällen zu helfen, jedoch konnte sich Blue bessere Beschäftigungen vorstellen als mit ihrer Mutter im Sitzungszimmer zu sitzen und sich anzuhören, ob eine Kundin sich für diesen bestimmten Job bewerben sollte oder nicht. Wie schon erwähnt, ein solches Angebot konnte Maura einfach nicht ausschlagen. "Okay. Aber beim nächsten Familienessen gibt es keine Ausreden! Dann bist du dabei, egal ob ich dich am Stuhl fesseln muss, wenn nötig." Blue schlucke und nickte. Dann legte sie ihren benutzten Löffel in die Spüle, schmiss den ausgekratzten Joghurtbecher in den Müll und flüchtete aus der Küche. Bevor Maura es sich anders überlegen konnte, streifte sie sich ihre kornblumenblaue Regenjacke über, holte ihr Fahrrad aus dem Schuppen und fuhr zum großen Backsteingebäude, in dem ihre bestern Freunde wohnten.
Das Monmouth Manufacturing war früher einmal ein Fabrikgebäude gewesen, heute war es das Zuhause von Gansey, Ronan und Noah. Man hätte wohl auch sagen können, dass es ebenso Adams zuhause war, aber schlafen tat er dort nicht. Er war zu stolz, um sich seine Miete von Gansey bezahlen zu lassen und wohnte deswegen in einer kleinen Wohnung über dem örtlichen Pfarramt, ganz in der Nähe. Zuerst war sich Blue nicht sicher, ob sie wirklich einfach so unangekündigt vorbeikommen sollte, entschloss sich dann aber, dass es sinnlos wäre nun wieder nach Hause zu fahren und anzurufen. Die Jungs würden eh noch schlafen, da konnte sie genauso gut klingeln. Sie sperrte ihr Rad auf dem Parkplatz vor dem Gebäude ab und klingelte. Als nach ein paar Sekunden immer noch niemand geöffnet hatte, versuchte sie es erneut, diesmal gleich dreimal. Probeweise drückte sie einmal die Klinke runter und als sie merkte, dass die Tür nicht verschlossen war, öffnete sie diese und trat ins Treppenhaus. Der gesamte untere Stock war unbewohnt. Nur Staub und alte Maschinen lagerten dort und Blue hatte sich schon immer gefragt wieso Gansey den großen Raum leer stehen ließ und nicht vermietete oder anderweitig nutzte. Aber das war vermutlich einfach nicht Ganseys Art. „Hallo, hier ist Blue", rief sie hoch ins Treppenhaus. „Kann ich hochkommen?" Zwei Sekunden später erschien Ronans verschlafenes Gesicht über dem Geländer. Ach du scheiße, was machst du denn hier? „Der einzige der uns zu der Uhrzeit Überraschungsbesuche abstattet ist Declan und dem hätte ich nicht aufgemacht." Blue stieg die knarzenden Stufen zum Wohnbereich hinauf. „Die Tür war übrigens offen. Wieso sperrt ihr denn nicht ab, ihr Idioten? Ich hätte ein Serienmörder sein können!", zeterte Blue. „Serienmörder klingeln nicht." Ronan grinste ihr zu, sodass auch Blue schmunzeln musste. Da hatte er recht. Ronan trug nur ein verknittertes weißes T-Shirt und Boxershorts, aber es schien ihn nicht zu stören, also hob Blue nur eine Augenbraue und folgte ihm dann in die Wohnung.
Innen herrschte das übliche Chaos. Auf dem Boden waren Bücher und Karten verteilt, der kleine Tisch an der Wand war überhäuft mit Zeichnungen und Notizzetteln und die Wände waren ebenfalls mit Karten und Bildern behängt. Durch die staubigen Fenster fielen flache Sonnenstrahlen und ließen das Zimmer golden leuchten. Der einzige saubere Fleck war Ganseys sorgfältig gemachtes Bett, das mitten im Raum stand und mit seinen schneeweißen Laken fast unwirklich inmitten des Chaos wirkte. „Wo ist Gansey?", fragte Blue an Ronan gewandt. Ronan zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Wahrscheinlich Schwimmen. Und Noah der kleine Mistkerl hat sich nicht mal die Mühe gemacht dir die Tür zu öffnen. Dabei weiß er, dass ich nicht an die Tür gehe. Wo ist er denn jetzt schon wieder?" Als hätte er auf diese Frage gewartet, tauchte Noah plötzlich neben Blue auf. „Ich bin seit sieben Jahren tot. Ich öffne auch keine Türen.", sagte er beleidigt. Blue lies ihn etwas von ihrer Energie aufnehmen, aber nur so viel, dass ihr nicht zu kalt wurde. „Oh, hi Noah. Hi, Blue. Was machst du hier?", fragte er und lächelte leicht. Er war zurzeit noch weniger menschlich als sonst. Es war fast, als würde ihm langsam die Energie ausgehen. Mitleidsvoll schleuste Blue ihm noch etwas mehr von ihrer Energie ab. Seine Konturen schienen sich ein wenig zu verfestigen. „Ich bin eigentlich nur vor meiner Mutter und Mr. Gray geflohen." Ronan lachte. „Ja das ist verständlich. Hey du könntest in Noahs Zimmer ziehen. Der braucht es doch eigentlich eh nicht." Noah sah Ronan wütend an, warf dann aber einen unsicheren Blick zu Blue. „Eigentlich hat er recht. Auch wenn ich es nicht besonders gern zugebe." Blue schüttelte den Kopf: „Nein Noah, schon in Ordnung. So schlimm ist es dann auch wieder nicht." Sie grinste die beiden an. „Aber wie wäre es wenn wir heute mal wieder auf die Suche nach einem walisischen König machen?" Ronan blickte gelangweilt. „Wenns sein muss. Gansey wollte eh nochmal diese Höhle im Naturschutzgebiet untersuchen. Aber erst brauch ich was zum Frühstücken, also lass dir was einfallen Jane." Blue lachte, nickte aber dann. „Okay, okay. Ich schreibe Gansey und Adam, dass wir uns in einer viertel Stunde im Nino zum Frühstücken treffen." Dann warf sie einen vorsichtigen Blick zu Noah. „Und du? Kommst du auch mit?" Noah verzog gequält das Gesicht, wodurch seine Unmenschlichkeit noch besser zum Vorschein trat. „Ich bin doch da und bleibe neben dir", lenkte Blue ein. Darauf nickte Noah vorsichtig. „In Ordnung. Verschwinden ist einfach nicht besonders angenehm, weißt du?"
DU LIEST GERADE
fading - the raven cycle
FanfictionEine 'the raven cycle' fanfiction "Wenn Blue ihre wahre Liebe küsste, dann würde dieser Junge sterben." Aber was wenn Blues wahre Liebe nicht Gansey gewesen wäre? Noah Czerny war seit sieben Jahren tot. Zumindest fast. Er konnte gehen und sprechen...