12. Vollkommene Gewissheit

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Blue hatte im Lesezimmer gesessen, als sie plötzlich da war. Ein seltsame Gewissheit. Die Sonne ging gerade hinter den Bergen unter und tauchte das Zimmer in goldenes Licht, als sie es plötzlich wusste. Blue wusste, was zu tun war. Sie wusste nicht, woher, aber sie wusste es. So etwas hatte sie noch nie in ihrem Leben erfahren. Vollkommene Gewissheit. Einen Moment blieb sie einfach vor dem Fenster sitzen, völlig überrumpelt von diesem überraschenden Gefühl. Dann stand sie auf und zog sich an. Einen Pullover, weil es nachts manchmal kalt werden konnte. Feste Schuhe. Eine stabile Jeans. Dann ging sie aus der Haustür und da stand Adam. Er war gerade im Begriff gewesen zu klingeln, aber verharrte nun mit einer erhobenen Hand vor der Tür. „Hi Adam", grüßte Blue ihn. Aus irgendeinem Grund überraschte es sie kein bisschen ihn hier zu sehen. „Blue? Wir müssen reden." „Ich weiß, was du vorhast. Lass uns fahren", sagte sie und stieg neben ihn ins Auto. Und Adam fuhr los. „Ich habe in die Sehschale gesehen und Cabeswater hat es irgendwie geschafft mir zu zeigen, was ich tun muss. Deswegen bin ich hergefahren. Wir müssen nach Cabeswater." Blue nickte. „Ich weiß. Ich hab einfach dagesessen und da wusste ich es. Ich weiß was ich tun muss." „Wie...?" Adam sah verwirrt aus. Er begriff nicht wie Blue es ohne Cabeswaters Hilfe erfahren hatte können. Sie zuckte mit den Schultern. Sie hatte selbst nicht die geringste Ahnung.

Sie fuhren durch Henrietta, sie fuhren aus Henrietta heraus, sie fuhren nach Cabeswater. Es würde zu ende gehen. Heute Nacht. Blue zog sich die Ärmel ihres Pullovers über die Hände. Es war noch warm draußen und auch in Adams Auto war es nicht kalt, aber trotzdem fröstelte sie. Und ja: Sie hatte ein wenig Angst. Angst vor dem Ende, auf das sie alle so lange gewartet hatten. Aber nun, da sie dieses Ende kannte, da sie wusste, wie es ausgehen würde, fühlte es sich an, als wäre es zu früh. Blue kannte das Gefühl bereits: Wenn man sich seit Monaten darauf freute, dass bald Weihnachten war, wenn man Geburtstag hatte, alle diese Dinge, die man schon vermisste bevor sie richtig zu Ende sind. Das hier war in gewisser Weise ganz ähnlich: So oft hatte sie sich schon vorgestellt wie es enden würde, aber nun, da man wusste, was passierte, war es seltsam sich dies einzugestehen. Es würde enden.

fading - the raven cycleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt