11. Drei Minuten

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Adam kniete über einer mit Wasser gefüllten Schüssel, auf deren Oberfläche sich sein blasses Gesicht spiegelte. Ronan saß neben ihm im Schneidersitz. Er hielt Adams Hand, bereit ihn zurück zu hohlen, falls es nötig wäre. Drei Minuten, danach sollte er ihn zurück ziehen. Adams Anker zur realen Welt. Aber was war schon real? Cabeswater war ebenfalls real, auf seine besondere, ganz eigene Weise. Langsam senkte Adam seine Stirn über das Wasser und verband sich mit Cabeswater, griff nach ihm, spürte wie es in der Dunkelheit nach ihm tastete. Sie fanden sich.
Um Adam herum bildete sich ein Wald. Er war in Nebel getaucht, wollte sein vollkommendes Erscheinungsbild noch nicht offenbaren. Adam sah eine Folge von verschwommenen Bildern, Reihen von Gefühlen und Sinneseindrücken, die Cabeswater ihm zeigte, um mit ihm zu kommunizieren. Adam brauchte eine Weile bis er verstand. Ein leerer Spiegel, der Geruch von Rauch, ein klarer See, ein Herzschlag, davonfliegende Raben. Etwas zog Adam am Arm und er tauchte aus der traumgleichen Welt auf, in der mit Cabeswater eins war.

„Drei Minuten sind vorbei." Ronans Stimme rüttelte Adam wieder aus seiner Starre. „Hast du erwas herausgefunden?" Adam nickte abwesend. Er hatte etwas herausgefunden. Er war sich aber nicht sicher, ob er es aussprechen konnte. Es würde real werden. Er wollte es nicht endgültiger machen als es schon war. Also sagte er nur: „Ronan, ich glaube du musst gehen." Erst wollte Ronan widersprechen, er hatte bereits seinen Mund geöffnet, um eine abfällige Bemerkung anzubringen, aber Adams Blick hielt ihn davon ab. Er sah ernst aus, melancholisch, aber entschlossen. Er wusste was zu tun war und Ronan wusste, dass er ihm vertrauen musste. „Okay", lenkte Ronan ein. „wenn du mal wieder den verdammten Helden spielen willst, na gut. Sei der verdammte Held."
Ronan war zurück ins Monmouth gegangen und hatte Adam das Versprechen abgenommen, nichts gefährliches oder überstürztes zu unternehmen. Adam würde nichts überstürzen, denn er wusste was zu tun war. Er war sich noch nie bei etwas so sicher gewesen, auch wenn es schwer war. Das Schicksal hatte entschieden und so würde es kommen. Es würde heute Nacht enden.

fading - the raven cycleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt