17. Definitiv Winter

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Blues Beine waren schwer und steif, aber sie lief immer weiter. Der Gedanke an Noah trieb sie an. Immer wieder rief sie sich sein Gesicht ins Gedächtnis, sie wollte ihn keine Sekunde vergessen. Sie konnten ihn noch retten. Doch dafür müssten sie erst Glendower finden und der lag irgendwo auf dieser verdammt langen Leylinie begraben und hatte wohl nicht vor sich in allzu naher Zeit an die Oberfläche zu begeben. Es schien realistisch betrachtet ziemlich aussichtslos, aber zum Glück waren die Ravenboys nie viel an den Dingen interessiert gewesen, die andere Leute als realistisch beschrieben hätten. Und das gab Blue Hoffnung. Alles hier war unrealistisch. Ein magischer Wald? Absolut verrückt. Ein halbtoter Geist, der durch einen Kuss erlöst wird? Komplett unmöglich. Ein schlafender walisischer König, der darauf wartete geweckt zu werden? Ganz und gar unrealistisch. Aber Blue war mit unrealistischen Phänomenen aufgewachsen, also kreuzte sie nur zwei Finger und schickte ihren Wunsch zu den Sternen.

Es wurde immer kälter. Während die Gruppe am Ufer des Sees entlangging, zogen über ihnen immer mehr Wolken auf, die die Sterne verdeckten. Es wurde so mit jeder Minute auch schwerer den Boden unter ihren Fußen zu erkennen und im Weg liegenden Ästen und Steinen auszuweichen. Ronan blieb mit einem Fuß an einer Wurzel hängen und stieß einen sehr langen und exotischen Fluch aus.
„Ronan", sagte Gansey mahnend. Blue dachte manchmal, dass er es sich schon so zur Gewohnheit gemacht hatte Ronan zu verbessern und zu ermahnen, dass es selbst teilweise gar nicht mehr wahrnahm. „Mensch ist das kalt." Adam zog seine Jacke fester um sich. „Ich glaube es wird Winter." Die Bäume am Waldrand wirkten kahler und das Gras unter ihren Füßen schien ebenfalls immer trockener zu werden. Gansey zuckte mit den Schultern: „Kann schon sein. Wir laufen schon ziemlich lang." Plötzlich räusperte sich Ronan. „Jep. Definitiv Winter." Blue blickte auf und tatsächlich: Vor ihrer Nase rieselten in der Dunkelheit einzelne Schneeflocken zu Boden. Sie waren im Schwarz der Nacht kaum zu sehen, aber deutlich als kalte nasse Punkte auf ihrem Gesicht zu spüren.
„Schnee", flüsterte Blue andächtig. „Ja Schnee, du Genie. Das ist das kalte, gefrorene Wasser, falls dir das was sagt", scherzte Ronan. Blue verdrehte nur die Augen. Sie wusste selbst nicht, wieso sie der Gedanke so überraschte. Sie hatte schon früher die Jahreszeitenwechsel von Cabeswater miterlebt, also sollte es nicht mehr wirklich überraschend sein. Der Schnee begann immer schneller zu fallen, bis sie unter ihren Schuhsohlen eine Schneedecke spüren konnten, in die sie mit jedem Schritt etwas mehr einsanken. Blues Socken waren bereits komplett durchnässt und sie fror immer mehr.
„Okay das ist jetzt seltsam." Adam war ein paar Schritte hinter ihnen Stehen geblieben und zeigte zwischen die nun blätterlosen Bäume am Waldrand. „Was ist seltsam Adam?", fragte Gansey verdutzt. „Glühwürmchen", flüsterte dieser kaum hörbar. Sie traten einen Schritt näher an die Bäume heran, um Adams Fund sehen zu können. Da schwirrte wirklich eine ganze Hand voll Glühwürmchen über dem Schnee. „Glühwürmchen fliegen nicht im Winter", bemerkte Adam. „Das muss ein Zeichen von Cabeswater sein." „Mich haben vorhin auch Lichter hergeführt, aber das war... anders..." Blue stockte. Sie wusste nicht wie sie es beschreiben sollte. Es waren eher körperlose Lichter gewesen als Glühwürmchen. Kein lebendes Licht, sondern magisches. „Sie sollen uns nicht führen. Sie sollten bloß meine Aufmerksamkeit auf das hier lenken." Wieder streckte Adam einen Finger aus. Diesmal konnte Blue es sehen ohne näher zu kommen, denn der Schein der Glühwürmchen beleuchteten den schneebedeckten Waldboden. Fußspuren.

fading - the raven cycleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt