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Mürrisch saß ich am Frühstückstisch und stocherte im Rührei herum, denn Nicole hatte ich erzählt, dass ich es gerne aß und so stand sie jeden Morgen auf, um es mir zuzubereiten. Sie war schon zur Arbeit, auch Lucas war unterwegs, er fuhr neuerdings mit dem Fahrrad, da ich ja nun den Weg zum Bus und zur Schule kannte. Im Bus traf ich mich mit den anderen Deutschen, wo ich immer französische Literatur las, um meinen Wortschatz zu erweitern. Ich las das Buch, mit dem Tim gerade arbeitete, so fühlte ich mich ihm nahe und konnte besser mitreden. Seinen Brief hatte ich zurück geschickt und erwartete heute einen Neuen, machte mir bereits Notizen.

„Büffeltante! Genieße doch die Freiheit, dass wir mal keine Hausaufgaben machen müssen!" murrte Regina, die maulig war, dass ihre Busenfreundin Silvia krank war.

Sie strahlte, als endlich die anderen Mädchen zustiegen und sofort ging die Planung los- Samstag Abend sollte eine große „Halbzeit- Fete" stattfinden. Alex wollte auch unbedingt hin, weil „ihre" Lehrerin dort sein würde, so war ich dieses Mal tatsächlich die Einzige, die sich nicht freute. Ich würde lieber mit Tim telefonieren, aber da er ja Sonntag her kommen wollte, hatten wir verabredet, dass er morgen nicht anrufen würde. Er meinte, ich solle mich amüsieren. Ich seufzte schwer und las den Absatz zum dritten Mal. Es war wie verhext!

Doch nicht nur organisatorische Gedanken schwirrten durch meinen Kopf, auch die Erinnerung an die letzte, heiße Nacht. Ich hatte sein Boss- Foto aus dem Rahmen genommen und in das Buch gelegt und manchmal starrte ich nur darauf und versuchte, zu begreifen, was für ein Glück ich hatte. Ich konnte es kaum erwarten, Tim zu umarmen. Zu küssen. Während ich träumte, hörte ich Dani aufheulen.

„Sie behandeln ihn, wie einen Verbrecher!" erklärte sie weinerlich und ich schaute auf.

„Wen?" fragte ich und alle stöhnten.

„Philippe, ihren Freund. Er ist doch schon fünfundzwanzig!" erklärte Maggie.

„Und?" fragte ich.

„In Deutschland ist er volljährig und Dani nicht!" gab Danis beste Freundin Colle scharf zurück. „Nun haben Danis Eltern hier angerufen und Alarm gemacht, dass sie Dani sofort zum Frauenarzt schicken und wenn Philippe sich an ihr „vergangen" hat, wollen sie ihn verklagen. Dabei wollten beide es!"

Ich wurde blaß. Daran hatte ich nie gedacht! Papa hielt sich aus so etwas heraus, aber meine Tante, die sich sehr um uns kümmerte, seit Mama gestorben war, hatte mich bereits zum Frauenarzt geschleppt und ich hatte die Pille verschrieben bekommen. Natürlich konnte ich sie nicht alleine bezahlen, so hatte ich Papa anbetteln müssen, der nach der Trennung von meinem Freund aber gemeint hatte, nun bräuchte ich sie nicht mehr. In so fern lag Tim nicht so falsch, mit dem Warten...wenn ich achtzehn war, konnte ich alleine entscheiden und er wäre außer Gefahr! Dani weinte, Colle tröstete sie und die anderen echauffierten sich, wie unfair Danis Eltern wären. Nun machte ich mir noch mehr Sorgen und konnte es kaum erwarten, am Abend mit Tim zu sprechen. 

Als ich nach Hause kam, war das Haus voller Leute- Marc und Nicole gaben eine Party. Ein Brief von Tim war angekommen und ich zog mich damit zurück, das war auch gut so, denn dieses Mal war eine Karte dabei, auf der stand: „Ich bin völlig verrückt nach dir!" Tim schrieb, dass es die einzige Karte wäre, die er gefunden hätte, die nicht schwülstig wäre. Aber sie sagte genau das, was er fühle- ich hätte ihn verzaubert und er möchte mich nicht mehr missen, die Trennung sei „Hölle" und er würde Tag und Nacht schreiben, damit er Sonntag bei mir sein könne. Ich sollte ihm dann die Überarbeitung per Express zurück schicken, er hatte das Porto bei gelegt. Ich machte mich sogleich daran, bis Nicole zum Essen rief. Fragte sie, ob noch eine Poststelle auf hätte und sie rief bei ihren Eltern an, dass sie das Faxgerät einschalten sollten. Die Nachbarn der Chalamets hatten auch eines und waren auf der Party, ich folgte also dem älteren Mann, der mir das Gerät erklärte und mir dabei ziemlich auf die Pelle rückte. Während des Abends im Garten der Chalamets meinte er dann wohl, ich sei ihm etwas schuldig und versuchte immer wieder, mich noch mal in das Haus zu locken. Als seine Frau ihren völlig betrunken Kerl rein bringen wollte, begann er, mich abzuknutschen und Marc griff ein. Obwohl es ein herrlicher, sonniger Abend war, zog ich mich zurück, ich hatte die Nase voll. Erst die Geschichte mit Dani, dann der triebgesteuerte alte Sack! Ich wählte Tims Nummer und betrachtete die süße Karte. Doch Tim nahm nicht ab. Es war erst neun, vielleicht war er noch nicht daheim, er hatte erwähnt, dass er ein paar Leute aus Paris kannte, Studienfreunde, mit denen er sich mal traf, um den Kopf frei zu kriegen. Ich wartete und versuchte es eine halbe Stunde später noch einmal, wieder nichts. Irgendwann war ich eingeschlafen.

tenebras luxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt