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Ich hatte mir schon längst einen Job gesucht und in den Weihnachtsferien und Osterferien so viel verdient, dass es für einen Flug nach Singapur reichte. Natürlich wollte ich Nicole nicht anbetteln, denn auch sie war gegen die Idee, zu Tim zu reisen. Er hatte mittlerweile wieder Kontakt zu seiner Familie aufgenommen, aber die Stimmung sei sehr unterkühlt, meinte Tim. Da er sich für ein Jahr als Entwicklungshelfer in Asien verpflichtet hatte und nicht bereit war, es abzubrechen. Marc beichtete mir, dass er Angst hätte, dass Tim immer noch log, dort in den Tag hinein lebte, Drogen konsumierte und herum vögelte. Und er verstehe meine Naivität nicht, auch noch hin zu reisen! Und wahrscheinlich irgendwann tot in der Gosse liegen würde, obwohl ich ein intelligentes Mädchen sei und eine brillante Karriere hinlegen könnte, wenn ich nur das Angebot meiner Zweitfamilie annehmen würde.

„Mach doch wenigstens die zwölfte Klasse noch zu ende." bettelte Alex. „Mit mir zusammen, komm!"

„Ich brauche das, Alex. Wenn du die Fotos sehen würdest, wie schön es dort ist...wer weiß, wann ich nochmal diese Möglichkeit bekomme, so weit zu reisen?"

„Tim lockt dich unter falschen Voraussetzungen dort hin, Sina, verstehst du nicht?" jaulte sie.

„Er hat nicht einmal erwähnt, dass ich hinkommen soll. Es war meine Entscheidung." brummte ich.

„Er muss es nicht sagen, er weiß, wie er dich kriegt, und dann sitzt du nachher da und bist krank oder verzweifelt, weil er dich wieder hängen lässt. Kann sein, dass du es vergessen hast, wie traurig du warst, wie sehr du geweint hast, letztes Jahr im Sommer, aber ich nicht."

„Im Sommer! Darüber bin ich längst hinweg und Tim weiß das. Er weiß, dass ich mich da nie wieder so reinhängen werde!"

„Du tust es doch schon." seufzte sie. „Komm, mach dein Ding hier zu ende, dann kannst du ihn immer noch besuchen oder er kommt zurück, was das Beste für alle wäre."

„Siehst du...das Beste für alle, aber nicht für Tim! Du weißt doch selbst, wie konservativ diese La Rocheller sind, er wäre in aller Munde, wie damals nach seiner Modelkarriere."

„Bah, Sina! Erzähl mir nichts über meine Leute!" schnappte meine Freundin wütend.

„Und du nichts über Tim und mich!" fauchte ich zurück. „Ihr alle versucht nicht mal, uns zu verstehen oder es einfach nur hinzunehmen, wie wir ticken!"

„Wir!" zischte Alex. „Immer nur wir! Dieser Typ ist wie ein Parasit, seit er dich angesehen hat!"

„Ich habe ohne ihn überlebt, Alex, und ihr habt nicht mal helfen müssen, weil ihr alle so beschäftigt wart! Du hast recht, ich habe im Sommer geweint, aber das ist doch normal. Ich habe nicht täglich darum gebettelt, dass du mich ablenkst, oder? Und nun tust du so, als hätte Tim mein Leben zerstört. Nur, weil du eifersüchtig bist."

„Ach, leck mich doch." fauchte sie und legte auf.

So ein ähnliches Gespräch führte ich ein paar Tage später mit Maggie. Und Dani meinte, in Singapur sei man als Frau sowieso potentielles Vergewaltigungsopfer. „Hm, Frankreich scheint nicht besser zu sein!" gab ich schnippisch zurück.

Verständnis kam von unerwarteter Seite- Jens, dem alles bisher piepegal war, meinte, er würde es genauso machen, wenn er nicht permanent pleite wäre und nicht noch zur Schule gehen müsse. Papa schien seine Sorge hinter einer Brummigkeit zu verstecken, aber da ich in den Osterferien achtzehn geworden war, konnte er mich nicht aufhalten. Außerdem mochte seine neue Freundin mich nicht besonders und war ganz begeistert, dass ich auszog. Mein Abgangszeugnis war fast so super, wie dass der Mittleren Reife und ich war mir sicher, dass ich, wenn ich zurück war, weiter darauf aufbauen konnte. Ich rief Tim an und erzählte es ihm fröhlich.

tenebras luxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt