anorektisches Verhalten

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Mein Kalender steht auf meinem Schreibtisch in der linken Ecke, an den Blumentopf angelehnt und von Feuerzeugen und einer Kerze umringt. Ganz groß steht unter den Tagen Dienstag bis Freitag "NICHTS ESSEN!!!". Blättert man eine Seite weiter, so sieht man dasselbe unter den Tagen Montag bis Donnerstag und Samstag bis Sonntag stehen.

Die Tage, an denen ich mir erlaube zu essen, sind Geselligkeiten, denen ich zugesagt habe, noch bevor mich diese Welle der Anorexie überkam. Und ich stehe zu meinem Wort, also kommt absagen nicht in den Sinn.

Das ist es, was du aus mir machst. Mit deinem kritischen und angeekelten Blick, deinen niederschmetternden Worten und deiner Ignoranz hast du mich dazu gebracht, mich genauso im Spiegel zu betrachten, wie du mich ansiehst. Voller Abscheu und Unzufriedenheit. Jeder Zentimeter meines Körper fühlt sich zu schwer an und jedes Kilo zu viel.
Damit hättest du dann wohl dein Ziel erreicht. Herzlichen Glückwunsch.

Ich werde so dünn, wie du es wolltest. Was waren noch gleich deine Begründungen? 
„Damit dir das Tanzen leichter fällt."
„Damit du schönere Klamotten tragen kannst."
„Damit du weiblicher aussiehst."

Das einzige, was du damit wirklich erreichst, ist die Zunahme meines Selbsthasses, meiner Selbstzweifel und das Gefühl der Inakzeptanz. Du machst mich kaputt und es tut dir noch nicht einmal im entferntesten leid. Nicht mal ansatzweise. Kein bisschen Reue. Jedes mal, wenn du in meinem Zimmer bist, siehst du meinen Kalender doch bestimmt. Du siehst es doch! Aber es ist dir egal. Du bist eine ekelhafte Person, wahrscheinlich freust du dich nämlich auch noch darüber.
Und dann bin ich das Arschloch? Fragwürdig. Äußerst fragwürdig, deine Logik.

Ich hatte auch vorher schon Probleme damit, meinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Zugegeben bin ich auch öfter schon mal nach einer Mahlzeit oder wenn es mir so vorkam, als hätte ich zu viel gegessen, auf die Toilette gerannt und habe meinen Magen entleert.
Ob im Restaurant oder an Halloween – beides kam schon mal vor und ich bin nicht stolz auf mich. Ich schäme mich zu Grund und Boden, aber es wird einfach nicht besser.

Mein Körper verändert sich kaum. Das Gewicht geht nur im Schneckentempo zurück und ich verzweifle daran. Anschließend verzweifle ich daran, dass ich daran verzweifle, weil es eigentlich nichts gibt, worüber ich verzweifeln müsste. Es ist zum verzweifeln. Noch verzweifelnder ist jedoch, dass ich einfach nicht aufhören kann. Ich kann nicht damit aufhören, mich deinen Erwartungen anpassen zu wollen.

Ich kann nicht damit aufhören, mich von dir zerstören zu lassen.

mind chaosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt