Nach zwei, schrecklichen Stunden Französisch traf ich Mr. Trafalgar in einer ablegegenen Ecke des Pausenhofes. Es kam mir zwar etwas eigenartig vor, dennoch stellte ich mich zu ihm und bekam sogleich Bepo überreicht. Lächelnd klammerte sich dieser sogleich an mein Shirt. "Ich hole ihn später bei dir ab." Mit diesen Worten lief der Schwarzhaarige auch gleich an mir vorbei und auf direktem Weg zurück ins Gebäude. Etwas bedröbbelte sah ich ihm nach, doch das war typisch er. "Vielen Dank Andi, dass du mir hilfst, wirklich nett von dir." murmelte ich leise und sah zu dem kleinen Jungen in meinen Armen, den ich an meiner Hüfte abgesetzt hatte und ihn mit einem Arm fest hielt. Dieser sah mich einfach nur lächelnd an und hatte offenbar keine Ahnung, an wen sich meine Worte eigentlich richteten, sodass ich mir wohl keinen Sorgen machen brauchte, dass er es seinem Onkel erzählte. "Was hältst du von einer Portion Nudeln mit Tomatensauce zum Mittagessen?" Die großen Augen des kleinen begannen zu leuchten und er nickte hastig, woraufhin ich leicht lachen musste. Gemeinsam verließen wir das Schulareal, die Blicke meiner Mitschüler ignorierte ich gekonnt und lief einfach an ihnen vorbei. Ohnehin konnte man sagen, dass ich nicht sonderlich beliebt war in der Schule, wobei ich nicht wirklich sagen konnte, woran das eigentlich lag. Vermutlich hatte ich bei meinen Mitschülern einfach Pech gehabt, weil diese einfach ganz anders tickten als ich und ich deshalb auch keine wirklichen Freunde hatte. Doch mich sollte es nicht stören, immerhin hatte ich so mehr Zeit, etwas Geld mit Babysitten zu verdienen. Eine halbe Stunde Fußmarsch später erreichten wir meine kleine Wohnung, die ich aufschloss und Bepo herunter ließ. Schüchtern und unsicher traute er sich jedoch nicht, ohne mich hier herum zu laufen, sodass ich seufzend meine Schuhe auszog und ihn an der Hand nahm, um ihm alles zu zeigen. Es war eine recht kleine Wohnung im Erdgeschoss, da ich nur mit meiner Mutter lebte, weil uns mein Vater vor einiger Zeit verlassen hatte und sie als Pflegerin im Altenheim nicht sonderlich viel Geld verdiente. Das war auch der Grund für mich, ihr in dieser Hinsicht ein wenig unter die Arme zu greifen und selber ein bisschen was zu verdienen. Geduldig zeigte ich dem Weißhaarigen zuerst das Wohnzimmer, dann das Bad, anschließend mein Zimmer und schlussendlich gingen wir in die Küche. Bepo setzte ich auf einen Stuhl, während ich mich daran machte, ein paar Nudeln zu kochen. "So und du bist also heute mal bei dem Onkel. Wie lange denn?", fragte ich den Kleinen. "Weiß nicht." Betrübt sah er auf seine Füße. "Warum bist du denn eigentlich bei ihm?" fragte ich weiter, hoffte irgendwelche brauchbaren Infos zu erhalten. Wissen war Macht und man konnte nie sagen, wann man mal ein Druckmittel gegen einen Lehrer gebrauchen könnte. Schaden würde es auf jeden Fall nicht." Meine Mama ist krank. " Die traurige Stimme des Jungen ließ mich meine hinterhältigen Pläne vergessen und ich sah ihn mitleidig an. Der arme Kleine, es war wirklich herzzerreißend wie er dort saß und leise schniefte. "Die wird bestimmt schnell wieder gesund!" versuchte ich ihn irgendwie aufzumuntern. Das war nicht wirklich das, was ich mir erhofft hatte und nun traute ich mich nicht weiter nachzufragen. Nicht dass ich noch andere Wunden bei dem Kind aufriss und ihn unnötig quälte, denn das hatte er nicht verdient. Sein Onkel ja, er nicht! Wegen Mr. Trafalgar wäre ich einmal beinahe durchgefallen und er sagt einem schonungslos ins Gesicht, was er von einem hielt. In anbetracht dessen, was er schon alles gesagt hatte, war es beeindruckend, dass sich noch niemand beschwert hatte. "Willst du auch Käse auf deine Nudeln?" Ein Themenwechsel war nun wohl das beste und Bepo ging auch sofort darauf ein und lächelte auch wieder ein klein wenig. "Ja" Lächelnd nahm ich den Topf vom Herd und verteilte die Nudeln auf zwei Teller, darauf gab ich noch etwas Soße und den gewünschten Käse. Glücklich sah ich dabei zu, wie Bepo alles aufaß und nicht mehr so betrübt war wie zuvor.
Gemeinsam spielten wir Verstecken und Fangen, wobei das in der kleinen Wohnung kaum möglich war, doch den Kleinen störte es nicht und so hatte er eine Menge Spaß. Gegen halb vier sah ich dann das erste Mal auf die Uhr und fragte mich, wann Mr. Trafalgar wohl kommen würde, denn er hatte mir keine Uhrzeit genannt und wenn ich so darüber nachdachte... Meine Adresse hatte ich ihm auch nicht gegeben. Diese würde er sich vermutlich dann aus meiner Schulakte oder so holen, aber ich hätte schon gern gewusst, wann er vor hatte hier aufzukreuzen. Doch der Kerl war sich offenbar zu schade um weiter mit mir zu reden, vermutlich glaubte er, es sei unter seinem Niveau, sich mit mir außerhalb des Unterrichts abzugeben. Wieso war der Mann überhaupt Lehrer geworden, wenn er sich für so intelligent und einzigartig hielt? Seufzend konzentrierte ich mich wieder auf Bepo, der sich hinter dem Vorhang versteckte und den ich überhaupt noch nicht entdeckt hatte. Seine orangene Latzhose war allerdings ein kleiner Hinweis für mich, dazu noch sein leises Gekicher, als ich an ihm vorbei lief. "Hmm, wo ist er denn nur?" Fragte ich laut und sah mich demonstartiv in der entgegengesetzten Richtung um. Wieder hörte ich sein kindliches Lachen und wirbelte auch gleich herum. "Hab ich dich!" Quitschend rannte der Junge daraufhin vor mir davon, während ich ihm langsam folgte.
Es war schön mit dem Kleinen so herum zu albern, doch als um sieben immer noch kein Trafalgar in Sicht war, machte ich mir langsam Sorgen. Gähnen rieb sich Bepo die Augen und sah zu mir auf. Schnell machte ich uns beiden noch ein paar belegte Brötchen, bevor ich ihm eines meiner Oberteile gab, damit er nicht in seinen gewöhnlichen Sachen schlafen musste und legte ihn in mein Bett. Unter zusammen gezogenen Augenbrauen sah ich auf mein Handy, doch hatte ich keine Nachrichten oder verpassten Anrufe. Die Schule war schon lange vorbei, wo also war mein Lehrer? Zum Glück war Montag stets mein freier Tag, sodass ich keine Termine hatte absagen müssen. Dennoch fand ich es zeimlich frech von dem Schwarzhaarigen, mir seinen Neffen einfach so den ganzen Tag zu überlassen, während er sich wer weiß wo herumtrieb. Ihm traute ich sogut wie alles zu und somit war nicht auszuschließen, dass er sich gerade mit irgendeiner Frau traf. Auf mich machte er den Eindruck eines totalen Playboys, auch wenn das für einen Lehrer sehr ungewöhnlich war und ich verbannte schnell das aufkommende Bild aus meinem Kopf. Vorsichtig schlich ich mich noch einmal in mein Zimmer und suchte darin meine Hausaufgaben zusammen, die ich bis morgen erledigt haben musste. Müde setzte ich mich an den Küchentisch und brütet über den Aufgaben. Wann bitte würde ich in meinem Leben eine Gedichtanalyse bitte brauchen? Missmutig stützte ich meinen Kopf auf meiner Hand ab und schloss für einen Moment die Augen. Dieser kurze Moment würde daraufhin allerdings zu einer Stunde und ich hätte sicherlich noch weiter geschlafen, wenn mich mein Handy nicht geweckt hätte. Erschrocken zuckte ich zusammen und starrte auf das klingelnde Gerät, das mir eine unbekannte Nummer zeigte. Noch halb verschlafen nahm ich ab. "Hier ist Andi.", murmelte ich mit schlaftrunkener Stimme. "Trafalgar. Ich stehe vor deiner Tür." Mein langsames Hirn brauchte etwas, um zu verstehen, wieso mein Mathelehrer vor meiner Tür stand, doch als es mir endlich wieder einfiel, stand ich schwerfällig auf und schlurfte zum Eingang. Tatsächlich stand der großgewachsene Schwarzhaarige vor mir und musterte mich so kühl wie immer. "Wo ist Bepo?" fragte er auch sogleich und seine ungehobelte Art machte mich langsam wütend. "Guten Abend, Mr. Trafalgar. Bepo schläft schon, weil es echt verdammt spät ist, aber ich werde ihn holen. War übrigens kein Problem, dass ich den ganzen Tag auf ihn aufgepasst habe." Nicht einmal begrüßt hatte mich der arrogante Kerl! Bedacht leise schlich ich in mein Zimmer und hob den schlafenden Weißhaarigen auf meine Arme. Glücklicherweise wachte er nicht auf, sodass ich mit ihm zurück zu meinem Lehrer lief, der ihn mir ohne zu zögern abnahm. Kurz stockte er, als er bemerkte, dass der Kleine nicht seine ursprünglichen Klamotten anhatte, doch sagen tat er nichts. Schweigend reichte ich ihm die Kleidung und bekam sogleich ebenfalls etwas in die Hand gedrückt. Verwirrt sah ich auf die Scheine in meiner Hand und wollte noch etwas sagen, doch da war der Schwarzhaarige bereits auf dem Weg nach draußen und ohne Bepo aufzuwecken, konnte ich ihm nicht nachrufen. "Unfassbar, echt." Grummeln schlug ich die Tür zu und ging zurück zu meinen Hausaufgaben. Dort besah ich mir allerdings erst einmal, wie viel mir Trafalgar da eigentlich gegeben hatte. Erstaunt starrte ich den fünfzig- und die drei Zehneuroscheine an. Fast hätte ich vergessen, dass ich eigentlich sauer war, weil er sich nicht bei mir bedankt hatte und alles. Die Freude über mein verdientes Geld hielt nicht lange, denn nun musste ich meine Schulsachen endlich fertig machen. Verdrießlich starrte ich diesen Aufsatz vor mir nieder, doch er wollte sich einfach nicht in Luft auflösen, sodass ich ihn Grummeln fertig schrieb. Gähnend packte ich meine Sachen für Morgen und zog mir meine Schalfsachen an, bevor ich mich endlich in mein Bett legen konnte. Gestern hatte ich den ganzen Tag auf drei kleine Babys aufpassen müssen, sodass ich nun völlig fertig war und auch schnell einschlief.Unbarmherzig riss mich mein Handywecker aus meinem erholsamen Schlaf. Ich quälte mich durch die fürchterlichen Schulstunden und freute mich riesig, als ich endlich aus hatte. "Andrea." Ach nein, nicht er. Meine Mundwinkel senketen sich automatisch, als ich Mr. Trafalgar erblickte, der auf seinen langen Beinen zu mir ging. Fragend sah ich ihn an, wollte eigentlich schon längst auf dem Weg nach Hause sein, weil ich nur schnell etwas essen konnte, bevor ich mein Babysitterkind aus dem Kindergarten holen musste. "Hier." einen Moment war ich verwirrt, was er mir da gerade entgegenhielt, doch dann identifizierte ich den Stoff als mein Oberteil und nahm ihm in dankend ab. "Du hast jetzt wieder diesen kleinen Quälgeist zum Aufpassen richtig?" Woher wusste er denn bitte, dass ich gleich arbeitete? "Jakob ist ein sehr netter kleine Junge.", gab ich trotzig zurück und verstaute mein Shirt in meinem Rucksack. "Nimm Bepo hierbei gleich mit, ich habe es mit Jakobs Eltern bereits ausgemacht." Mit offenem Mund sah ich zu ihm auf. Hatte ich da nicht zufällig auch ein Wörtchen mit zu reden? "Ich habe übrigens mal ein paar deiner Matheaufgaben gesehen." Hierbei hob er die bemalten Blätter hoch, die ich Bepo gestern geschenkt hatte. Meine Wangen färbten sich rosa, denn es war mir irgendwie unangenehm, dass er mich nun wieder belehren würde, weil ich so schlecht war. Hoffentlich würde er mir nicht irgendwelche Strafarbeiten geben oder so. "Du bist unterdurchschnittlich schlecht." Da ging es auch gleich los, er war wirklich gnadenlos ehrlich. " Du brauchst Nachhilfe, sonst schaffst du das Jahr nicht." Das wusste ich selber, doch hatte ich kein Geld, um einen Lehrer zu bezahlen, da alles für die Miete und andere anfallende Kosten drauf ging. Stumm nickte ich und wartete, was er sonst noch loswerden wollte." Hierbei kann ich dir allerdings helfen. Ich schlage dir einen Deal vor." Aufmerksam lauschte ich seinen Worten und sah skeptisch zu ihm herauf. Dieses Angebot machte er sicherlich nicht aus Herzensgüte, also würde für ihn mehr heraus springen, als für mich. Dennoch hielt ich meine Klappe und hörte weiterhin stumm zu." Du passt ab jetzt täglich auf Bepo auf und ich garantiere dir, dass du mit meiner Hilfe das Schuljahr schaffst und das nicht nur in Mathe." Verblüfft sah ich ihn an. Klar, es war logisch, dass er jemanden für seinen Neffen brauchte, doch warum ich? Und sein Part würde eine Menge Arbeit für ihn bedeuten, also wollte er mich um jeden Preis haben. Sollte ich deshalb zustimmen? Es war wirklich verlockend, dass ich einen Privatlehrer bekommen könnte und das, ohne dafür zu zahlen, doch wenn ich die ganze Zeit auf Bepo aufpassen würde, könnte ich sonst kein Geld verdienen. Meine Mutter und ich waren allerdings darauf angewiesen und sie rechnete fest mit meinem Beitrag...
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Armor, ein mieser Verräter
FanfictionAndi weiß nicht mehr wo ihr der Kopf steht. Zwischen Schule und Babysitten findet sie keine Zeit für lernen oder Freunde. Ausgerechnet ihr verhasster Mathelehrer Mr. Trafalgar bietet ihr einen kleinen Ausweg, den sie unter Vorbehalt annimmt, aber au...