Kapitel 8

523 26 2
                                    

Dort begegnete ich meinem Nachbar, der einen Stock über mir wohnte und grüßte ihn freundlich. Er war ein sehr netter Mann mittlereren Alters, mit roten Haaren und drei Narben die sich quer über sein Auge zogen. Noch nie hatte ich mich getraut ihn zu fragen, woher er sie hatte, obwohl ich mich von Zeit zu Zeit mit ihm unterhielt. "Und Andi, wie läuft es in der Schule?", erkundigte er sich freundlich, woraufhin ich nur ein wenig wehleidig das Gesicht verzog. "Na ja, so wie immer." Nebenbei sortierte ich die dreckigen Sachen nach Farben, allein bei dem gelben Shirt kam ich ins Stocken. Wo gehörte das jetzt dazu? Ich hatte keine gelben Sachen. "Leg es zu dem weißen Stapel." Verlegen lächelnd bedankte ich mich bei Shanks, der etwas verwirrt zwischen mir und dem großen Oberteil hin und her sah. "Von deinem Freund?" Seufzend schüttelte ich den Kopf. Diesmal konnte ich wenigstens verstehen, wieso er das dachte doch bei meiner Mutter... Also echt. "Nein, ein Bekannter hat es mir geliehen, weil sein Neffe mich mit Ketchup bekleckert hat." Verstehend nickte er und holte seine Sachen aus dem Trockner, die er in einen Wäschekorb füllte und sich daraufhin von mir verabschiedete. Stumm saß ich daraufhin eine Weile lang auf einer der Waschmaschinen und wartete, bis meine fertig wurde, damit ich alles in die Trockner stecken konnte. Es gab Schnellprobgramme für wenig dreckige Kleidung, sodass ich alles recht schnell wieder mitnehmen konnte und meine Tasche packte, da mir ein etwas längerer Fußmarsch bevor stehen würde. Da kam mir allerdings eine Idee, denn ich könnte doch ausnahmsweise mal mit dem Bus fahren. Ohnehin würde es knapp werden, wenn ich jetzt losgehen würde und eine Fahrt kostete nun wirklich nicht viel. Zufrieden mit diesem Einfall, ließ ich mir genügend Zeit und spazierte entspannt zu einer Haltestelle in meiner Nähe. Es gab einen Bus, der mich in die unmittelbare Umgebung des Hauses bringen würde, sodass ich nach kaum 5 Minuten einsteigen konnte und mich entspannt auf einen Sitz fallen ließ. Man musste es positiv sehen, denn ich würde mich nicht noch lächerlicher machen können, als ich es gestern bereits getan hatte. Den Gedanken daran verbrannte ich dennoch in die hinterste Ecke meines Kopfes und beschäftige mich lieber mit meiner Umgebung. An der nächsten Haltestelle, stiegen eine Menge Menschen ein, sodass nun alle Sitzplätze belegt waren und die nächsten Leute stehen würden müssen. Als jedoch eine alte Frau mit Gehstock einstieg und ihr niemand seinen Platz anbot, kam meine gute Erziehung zum tragen. "Setzten Sie sich doch auf meinen Platz, ich muss ohnehin bald aussteigen.", bot ich ihr lächelnd an. Erleichtert lächelte die Frau und nahm mein Angebot an. "Du bist wirklich ein gutes Mädchen, deine Eltern sind sicherlich stolz auf dich." lobte sie mich, woraufhin ich ein wenig rot anlief und einfach nur leicht nickte. Zufrieden hielt ich mich an einer Stange fest und wartete, bis ich mein Ziel erreicht hatte, sodass ich nun endlich aussteigen konnte. Kurz musste ich mich orientieren, bevor ich meinen Weg nun zu Fuß fortsetzte und zu dem schönen, einstöckigen Haus lief, dessen Garage allerdings leer war. Ein Blick auf mein Handy sagte mir jedoch, dass ich pünktlich war, somit würden sich die zwei wohl verspäten. Unentschlossen bleib ich vor der Tür stehen und wusste nicht, was ich nun tun sollte. Einfach hinein spazieren, obwohl mein Lehrer nicht da war kam mir falsch vor. Sollte ich also draußen warten? Auch blöd... Zehn Minuten rang ich mit mir, ob ich einfach so hinein gehen dürfte, da es immer noch ein fremdes Haus war. Seufzend zog ich mein Handy erneut hervor und entschied, Mr. Trafalgar einfach anzurufen und mich zu erkundigen, wann sie kommen würden. Seine Nummer hatte ich durch seine Nachricht heute Morgen bereits, sodass ich sie nur noch schnell einspeicherte, bevor ich sie wählte und es an mein Ohr hielt. Kaum eine Sekunde, später wurde auch gleich abgehoben und die tiefe Stimme meines Lehrers dröhnte durch den Hörer.
"Ich wollte dich gerade anrufen. Pass auf, wir sind gerade im Krankenhaus und ich muss eigentlich gehen, aber Bepo will nicht. Wie schnell kannst du her kommen?" Etwas überrumpelt brauchte ich einen Moment, um zu Antworten.
"Ich schaffe es in fünfzehn Minuten. Ist Bepo etwas passiert?" Hatte sich der kleine etwa verletzt? Doch wieso würde er dann nicht mehr gehen wollen?
"Nein, ihm geht es gut, wir... Sind meine Schwester besuchen." Oh. Es war deutlich zu hören, dass es ihm eigentlich wiederstrebte mir das zu sagen und das konnte ich auch vollends nachvollziehen.
"Bist du schon bei mir zuhause?"
"Ja, ich stehe gerade vor der Haustür." Dass ich da schon länger stand, ließ ich einfach mal weg, war sowieso uninteressant. "Dann geh rein und bring mir ein paar Unterlagen mit. Ich sage dir, wo du sie finden kannst."
Sein Befehlston war ich inzwischen schon gewöhnt, sodass ich einfach die Tür aufschloss und hinein ging. "Bin drin."
"Geh in die Küche und stell dich vor den Schrank." Ich tat wie geheißen und öffnete auch schon einmal die Schranktüren.
"OK"
"Siehst du die große Schüssel im obersten Fach?" Ich legte meinen Kopf in den Nacken und entdeckte tatsächlich eine hellblaue Porzellanschüssel.
"Sehen tu ich sie."
"Hol sie herunter, darin findest du zwei Schlüssel." Nett. Wie sollte ich da denn bitte hoch kommen? Seufzend schaltete ich den Lautsprecher an und schob einen der Esstischstühle zu mir heran, auf den ich kletterte und gerade so an das Gefäß heran kam.
"Hab sie!" Erleichtert stieg ich wieder herunter und nahm mein Handy zurück in die Hand, mit der anderen hielt ich die besagten Schlüssel. Eigentlich hätte ich ncoh einen feixenden Kommentar wegen meiner Größe erwartet,doch dieser blieb aus. Trafalgar musste wirklich im Stress sein, wenn er sich auf schlichte Befehle beschränkte.
"Mit einem der beiden kannst du mein Zimmer aufsperren." Er ließ mich einfach so in sein Zimmer? Womit hatte ich dieses Vertrauen bitte verdient? Von Neugierde getrieben folgte ich dem Befehl und trat sogleich in den, mir unbekannten Raum. Außer dem riesigen Bücherregal und dem großen Bett, welches ich bereits einmal schon gesehen hatte, gab es da noch einen geräumigen Schreibtisch, welcher überquoll vor Papieren. An der Wand hingen vereinzelt Bilder, doch bevor ich mir diese genauer hätte ansehen können, ertönte die ungeduldige Stimme des Schwarzhaarigen. "Hör auf meine Einrichtung zu mustern und nimm die zwei Ordner, die auf meinem Nachttisch liegen." ertappt zuckte ich zusammen und holte mir die besagten Teile. "Hab sie."
"Gut, sperr wieder zu und bring alles mit, auch die Schlüssel. " Damit legte er auf. Noch einen kurzen Blick warf ich dann doch noch auf die Bilder, die sowohl Kinder, als auch Jugendliche zeigten, wovon einer Trafalgar sein musste. Dann erinnerte ich mich allerdings, dass dieser auf mich wartete und verschloss die Tür hinter mir. Die Schlüssel ließ ich in meine Tasche gleiten, doch die Ordner waren dafür zu groß, sodass ich diese in der Hand halten musste, während ich zur Bushaltestelle ging. Dort wartete ich, wie schon zuvor auf die richtige Nummer, die mich zu meinem Ziel bringen würde. Auch diesmal siegte meine Neugierde und ich spitze hinein, um zu sehen, was denn so wichtig war, dass mich Trafalgar dafür in sein Zimmer schickte. Es waren ein Haufen Papiere und ich verstand nur Bahnhof, jedoch klang es ziemlich nach medizinischen Fachausdrücken Doch was wollte ein Mathelehrer mit solchen Dokumenten? Kopfschüttelnd stieg ich den überfüllten Bus und ließ mich zum Krankenhaus schippern.
Mit schnellen Schritten lief ich zum Eingang, wo mich bereits Mr. Trafalgar erwartete und mir auch gleich die beiden Ordner und die zwei Schlüssel abnahm. Er wirkte gestresst und schlecht gelaunt, doch da war noch etwas anderes, das ich nicht so recht erkennen konnte.
"Bepo ist in Zimmer 259. Ich muss jetzt gehen, sonst komme ich noch zu spät." einen Moment sah er mich noch an, was mich etwas verwirrte. Hatte er nicht gesagt, er musste jetzt spuren?
"Danke" Jetzt lief er aber los und ließ mich stehen. Überrascht sah ich ihm nach, doch machte ich mich auch gleich selber wieder auf den Weg, um endlich zu dem Kleinen zu kommen. Er hatte sich wirklich bei mir bedankt, das war ein Wunder und vermutlich eine Premiere für ihn. Es musste wohl eine verzwickte Situation sein, in der er sich gerade befand, sonst hätte er mir nie so viel von seinem Leben gezeigt. Dieser Mann war einer der undurchsichtigsten Menschen die ich kannte, wenn nicht sogar die Nummer eins. Doch nun ließ er mich in sein Haus und zu seiner Familie. Ich sollte mich wohl geehrt fühlen. Kopfschüttelnd lief ich durch den langen, weißen Gang, überall roch es nach Desinfektionsmittel und immer wieder kamen Krankenschwestern und Ärzte aus den verschiedenen Zimmern.
Als ich die 259 erreichte, klopfte ich vorsichtig an und wartete, bis ich ein 'Herein' hörte, bevor ich die Tür öffnete und in den Raum ging. Es sah aus wie jedes Krankenzimmer, mit dem Unterschied, dass es nur ein anstatt zwei Betten gab. Freundlich begrüßte mich eine Braunhaarige Frau, an dessen Arm der kleine Bepo hing und ganz verheult aussah. "Hallo, ich heiße Andi und bin die Babysitterin.", stellte ich mich vor. "Bepo hat mir schon von dir berichtet, ich heiße Lamy. Freut mich dich kennen zu lernen." Freundlich lächelte sie mich an und strich dem Kleinen derweil immer wieder über sein Haar. Unsicher, was ich nun tun sollte, blieb ich einfach im Eingang stehen und besah mir Lamy etwas genauer. Sie wirkte ziemlich müde und war recht blass, dazu hatte sie zwei Katheter neben sich hängen, die ihr irgendetwas einflößten. Es machte den Eindruck, als würde sie definitiv noch länger hier bleiben müssen und das besorgte mich. Was sie wohl hatte? "Ich habe Krebs" Mit großen Augen sah ich sie an, senkte jedoch gleich darauf meinen Blick. Man hatte mir offenbar meine Frage angesehen. "Entschuldigung" Ich hatte nicht neugierig sein wollen und diese Diagnose war vermutlich nichts, was man einem fremden Mädchen einfach mal so erzählte. "Schon in Ordnung, ich habe mir gedacht, dass Law es dir noch nicht erzählt hat." Zustimmend nickte ich, sah auf den kleinen Bepo der leise schniefte. Er tat mir so unglaublich leid. Der Arme war noch nicht alt genug um zu verstehen, was Krebs war, doch wusste er offenbar, dass es nichts gutes war. Er musste schreckliche Angst um seine Mutter haben und das auch zurecht, denn das war nichts, was man einfach so mal durchlebte und danach weiter machen konnte, wie zuvor. Diese Umgebung war sicherlich auch kontraproduktiv, wenn es darum ging, ihn zu beruhigen. All dieses sterile weiß und die Schläuche, die an Lamy dran hingen, da lief es mir kalt den Rücken herunter. "Du bist also seine Schülerin. Wie ist mein Bruder denn so als Lehrer?" Was sollte ich ihr denn jetzt sagen? Ich konnte ihn eigentlich gar nicht leiden, weil er andauernd Schüler nieder machte und sadistische Züge hatte. "Ganz ok, ich bin nur leider nicht sonderlich gut in Mathe." Eine kleine Notlüge musste wohl einfach sein, die Wahrheit ging einfach gar nicht. "Eigentlich hatte er nie Lehrer werden wollen. Das hat er nur wegen mir gemacht." Überrascht sah ich sie an. Sie war ganz anders als ihr Bruder, so nett und offen, dazu immer ihr leichtes Lächeln, auch wenn es gerade recht bitter wirkte. Ich wollte sie nicht dazu drängen, weiter zu reden, immerhin erzählte sie mir gerade etwas, das mich eigentlich ja gar nichts an ging. Unsicher trat ich an ihr Bett heran und legte ihr meine Hand auf ihre, um ihr etwas Trost zu spenden, war jedoch im Moment etwas überfordert. "Eigentlich hatte er Arzt werden wollen, aber das kann man hier nicht studieren und vor ein paar Jahren ging es mir noch schlechter als jetzt. Lehrer ist der einzige Beruf, den man hier studieren kann und der, wie er sagt, nicht völlig unter seinem Niveau ist. " Leicht zogen sich meine Mundwinkel nach oben, das klang schon viel mehr nach Mr. Trafalgar und erklärte, wieso er sich so verhielt." Jetzt macht er parallel zu seinem Job das Medizinstudium. Deswegen musste er vorhin auch unbedingt hier weg, denn das ist die letzte Vorlesung vor seiner Klausur. Ich glaube er hat ein schlechtes Gewissen, weil er Bepo und mich hier zurücklassen musste." Nie hätte ich gedacht, dass der Schwarzhaarige mit so viel gleichzeitig jonglieren musste, denn ein solches Studium war bereits unter normalen Umständen sehr, sehr anspruchsvoll und das mal so neben bei zu machen, während man selber bereits arbeitete und eine kranke Schwester hatte, die einen kleinen Sohn hatte. Vielleicht war er doch nicht sooo schlimm, wie ich es gedacht hatte...

Habt ihr damit gerechnet, als Law und Bepo nicht da waren?
Was haltet ihr von Lamy und dass sie Andi einfach so alles erzählt?
Wird Andi Law nun anders sehen  da sie das jetzt weiß?
Bis bald

Armor, ein mieser VerräterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt