Gewitter

496 25 1
                                    

OK, jetzt keine Panik schieben. Tief durchatmen und nachdenken. Wenn ich hier keinen Föhn finde, muss ich das irgendwie anders trocknen... Denk nach... Aufhängen, nicht mich sondern die Wäsche. Aufeinmal klopfte es an der Tür und mein Herz blieb stehen. Oh bitte nicht, das konnte doch nie im Leben Mr. Trafalgar sein, oder? Der Kerl war doch niemals schon am Nachmittag zuhause! "Andi? Kommst du mit mir spielen?" Erleichterung durchflutete mich. Da hatte ich noch einmal Glück gehabt. Vielleicht wusste der kleine wo ein Föhn war? Er war noch zu klein als dass er sich daran stören könnte, dass ich nur Unterwäsche trug, sodass ich schnell die Tür öffnete und mich zu dem Jungen herunter kniete. "Bepo, weißt du, wo ihr einen Föhn habt?" Ratlos schüttelte er jedoch den Kopf, woraufhin meine kurze aufflammende Hoffnung nun wieder dahin war. "Habt ihr vielleicht eine Wäscheleine oder so?" Nun legte er den Kopf schief und sah mich fragend an. "Das ist so eine Schnur, an der man nasse Sachen aufhängt, damit sie trocken werden.", erklärte ich daraufhin, doch erhielt wieder nur ein Kopfschütteln. Na schön, dann musste ich eben improvisieren, denn weiter hier so herum zu rennen, war definitiv nicht in meinem Interesse. Zusammen mit meinen nassen Sachen lief ich ins Wohnzimmer, gefolgt von Bepo der neugierig dabei zusah, wie ich in die Gartentür aufschob und hinaus spähte. Rechts war niemand zu sehen, links auch nicht, sodass ich schnell hinaus ging und meine zwei Kleidungsstücke auf den kurz gemähten Rasen auslegte und wieder hinein sprintete. Mit klopfendem Herzen schob ich die Tür wieder zu und war glücklich, dass mich wohl niemand gesehen hatte. Als nächstes lief ich zu meinen Sachen und holte mir meine Jacke, die ich mir sogleich anzog und bis zur Hälfte zu machte, denn ansonsten wäre mir zu warm. Damit war es allerdings noch nicht getan, denn ich hatte immer noch keine Hose. Wieder fiel mein Blick zu dem kleinen, der mich etwas verwirrt musterte und ich beschloss, einen erneuten Versuch zu starten. "Bepo, habt ihr irgendwo Bettlaken? Das sind diese großen weißen Decken, die man auf die Matratze legt, bevor man darauf schlafen darf." Angespannt sah ich zu dem kleinen herunter, der erneut seinen Kopf schief legte. "In Laws Zimmer." Ach nein, wieso hatte ich nur so ein Pech? Der Kleine bemerkte meinen Stimmungsumschwung und senkte sogleich seinen kleinen Kopf. "Tschuldigung" Sprachlos sah ich dabei zu, wie er leise schniefte, bis es immer lauter wurde und er irgendwann richtig anfing zu weinen. Sofort kniete ich mich zu ihm herunter und nahm ihn in den Arm, strich beruhigend über seinen Rücken. "Nein, das braucht dir nicht leid zu tun, es ist alles nicht so schlimm. Wegen soetwas brauchst du nicht traurig sein." Tröstend strich ich ihm durch seinen weißen Haarschopf und wartete geduldig, bis er sich wieder beruhigt hatte und sich von selbst von mir löste. Seine großen Kulleraugen waren leicht gerötet und die kleinen Tränenspuren schimmerten etwas durch das hereinfallende Licht. Warm lächelte ich und wischte sie ihm weg, danach stellte ich mich wieder auf und dachte noch einen Moment lang nach. Dann würde ich mir wohl einfach ein Handtuch nehmen müssen, doch jetzt war es ohnehin egal. Zusammen mit dem Kleinen lief ich deshalb in sein Zimmer und wir spielten ein wenig mit seinen Autos. Da ich hierbei viel auf dem Boden herumkriechen musste, wäre das Handtuch nur störend und Mr. Trafalgar würde doch ohne hin erst Nachts wieder kommen und bis dahin würden meine Sachen schon wieder trocken sein. Auch wenn der Gedanke daran, wie ich hier im Haus meines Lehrers herumhampelte, mir die Röte ins Gesicht trieb. Es dauerte eine Weile, bis Bepo seine kleine Heulattacke wieder vergessen hatte und ich ihn schlussendlich alleine lassen konnte, um etwas zu lernen. Diesmal jedoch holte ich mir das Tuch aus dem Badezimmer und Band es mir um, bevor ich mich an den Küchentisch setzte und meine Sachen heraus holte. Schwer seufzte ich, als ich Mathe erblickte und beschloss, erst einmal alles andere zu erledigen. Lange und mehr oder weniger erfolgreich saß ich über meinen Aufgaben und lernte noch etwas für den nächsten Tag. Diese ganze fremde und irgendwie streng wirkende Umgebung verleitete mich dazu, meine Sachen so gut wie möglich zu machen, denn alles andere passte nicht hier herein. Wieso war Mathe auch so schrecklich schwer? Wer brauchte das denn bitte? Aufeinmal erschreckte mich ein lautes Geräusch und ich hörte sogleich kleine tippelnde Schritte, die in meine Richtung kamen. Der ängstlich dreinblickende Bepo stürzte auf mich zu und ich hob ihn sogleich auf meinen Schoß. "Keine Angst, das ist nur der Donner. Es wird gleich anfangen zu regnen, alles ist gut." wieder strich ich beruhigend über seinen Kopf und sah aus dem Fenster. Es waren bereits die ersten Tropfen zu sehen und der Himmel war Pech schwarz. Wie konnte mir das denn bitte entgehen? Es war hier auch viel dunkler geworden aufgrund der Abwesenheit der Sonne, das hätte ich eigentlich bemerken müssen. Aufeinmal erhellte ein Blitz den finsteren Himmel und Bepo drückte sich fest gegen meinen Oberkörper, vergrub sein Gesicht in meinem Dekoltée. Ich konnte ihn verstehen, früher hatte ich auch immer panische Angst vor Unwettern gehabt. Bei uns im Plattenbau war es jedoch um einiges lauter als hier und auch als der Regen deutlich an Intensität zunahm, war es drinnen vergleichsweise ruhig. Siedend heiß fiel mir allerdings etwas ein und ich sprintete mit Bepo im Arm durchs Wohnzimmer und anschließend in den Garten. Ich schnappte mir meine durchnässte Kleidung und hechtete zurück ins Haus, spürte wie sich der Griff des Kleinen um mich dabei etwas verfestigt hatte. Drinnen konnte ich mir ein tiefes Seufzen nicht verkneifen, denn sowohl mein Oberteil als auch meine Hose tropften geradezu. Wie sollte ich das denn jetzt so schnell wieder trocken bekommen? Es war inzwischen schon 6 Uhr abends und in ca. 4 Stunden würde Mr. Trafalgar heim kommen und ohne Sonne würde ich meine Klamotten bis dahin nicht mehr trocken bekommen. Mir die nassen Sachen anzuziehen kam für mich nicht in Frage, bei meinem Glück zur Zeit würde ich mir nur eine Blasenentzündung oder eine Grippe holen. Mir würde also nichts anderes übrig bleiben, als es ihm zu erklären, sobald er heim kommen würde. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig bei diesem Gedanken, wie ich stotternd versuchte zu erklären, wieso ich nur sein Handtuch und meine Jacke trug, doch da würde ich wohl oder übel hindurch müssen. Blieb wirklich nur noch zu hoffen, dass er wirklich erst spät abends heimkommen würde.
Doch das Universum schien mich zur Zeit wirklich zu hassen und das abgrundtief. Die Haustür sprang klackend auf und ich hörte leises Gefluche und schwere Schritte. Meine Hände verkampten sich und ich drückte Bepo etwas fest an mich, als die Schritte näher kamen. Wieso passierte das ausgerechnet mir? Der Schwarzhaarige trat ein und hatte seinen Blick zuerst noch auf seinen Papierstabel in der Hand gerichtet, sodass ich hoffte, dass es mirch vielleicht gar nicht bemerken würde, doch das war wirklich nur Wunschdenken. Er hielt in seiner Position inne und musterte mich unter hochgezogener Augenbraue, während ich spürte, wie ich rot anlief. "Andrea, willst du mir das vielleicht erklären?" Dieses leichte Grinsen machte mich einen Moment lang sprachlos, doch ich fing mich schnell wieder. Was grinste er denn bitte so blöd?! Das war nicht lustig! Mein Kopf drohte zu explodieren, das war doch wirklich nicht komisch!" Wir... Wir hatten einen Ketchup Unfall und meine ganzen Sachen waren bekleckert. Dann habe ich sie sauber gemacht, aber ich konnte keinen Föhn finden. Ich habe sie zum Trocknen in die Sonne gelegt, aber es hat angefangen zu regnen. Was sind Sie auch so früh zuhause?! " Ich hatte alles in rekordgeschwindigkeit heruntergerattert und es war meinem Gegenüber anzusehen, dass er damit einen Moment lang überfordert war. Immernoch hielt ich Bepo und auch meine Sachen in den Armen, während er einfach wieder anfing zu grinsen. Es machte mich wütend, dass ihn meine Misere solch eine Freude zu bereiten schien. Er war doch mein Lehrer, sollte er da nicht irgendwelche Anteilnahme ausdrücken, anstatt Schadenfreude oder was auch immer? Den Kopf schüttelnd bedeutete er mir zu folgen, woraufhin ich ihm nach kurzem Zögern folgte. Skeptisch starrte ich seinen Rücken an, während ich ihm immer noch voll bepackt folgte. Sein weißes Hemd war durchnässt und klebte an ihm, sodass ich, sowohl auf seinen Oberarmen als auch auf seinem Oberkörper, als er sich zu mir umdrehte, weitere Tattoos erkennen konnte. Das auf seiner Brust musste größer sein und bis zu seinem Bauch reichen, während auf seinen Oberarmen herzförmige Tattoos waren. Verwirrt folgte ich ihm ins Badezimmer und sah zu, wie er in das oberste Abteil des Schrankes griff und einen schwarzen Föhn hervor zog. Mein Mund klappte auf und ich sah das dumme Ding erstaunt an. "Das war außerhalb meiner Reichweite.", Verteidigte ich mich auch gleich. Mr. Trafalgar kam vielleicht locker da ran, aber ich war deutlich kleiner und meine Arme kürzer, noch dazu hatte ich nicht geahnt, dass er dieses Teil in der hintersten Ecke hier versteckte. Wieder schüttelte er den Kopf und schob mich an den Schultern aus dem Bad heraus, wobei ich bemerkte, wie kalt seine Finger eigentlich waren... Und wie groß und lang, aber das hatte ich bereits früher festgestellt. Stumm holte er aus seiner Hosentasche einen Schlüsselbund und öffnete mit einem davon die erste verschlossene Tür. Unentschlossen bleib ich auf dem Flur stehen und schielt nur ein wenig herein, erkannte ein großes Bett und ein weiteres, riesiges Bücherregal. Da sich die Tür nach innen öffnete, konnte ich nur diesen begrenzten Teil sehen, während der Schwarzhaarige auf die andere Seite des Raumes verschwand, die vor mir verborgen lag. Ein paar Sekunden lang hörte ich nur ein paar Geräusche, die ich nicht so recht zuordnen konnte, bis er auf einmal wieder vor mir erschien. Verdattert starrte ich die Klamotten an, die er mir entgegen hielt, doch hatte ich auch keine Hand frei, um sie zu nehmen. Das erkannte auch Trafalgar, sodass er sie mir schlicht auf den Kopf legte, an mir vorbei zurück ins Bad ging und hinter sich die Tür schloss. Was war das denn bitte? Konnte er nicht mit mir reden? Und wieso hatte er mir die Sachen auf den Kopf getan, war ich eine Art Kleiderständer? Dazu noch sein arrogante Grinsen, das er aufgesetzt hatte... Ahh! Sauer aber vorsichtig tapste ich in Bepos Zimmer und ließ ihn endlich herunter, sodass er sich auch gleich wieder an seine Autos machen konnte. Als nächstes legte ich meine nassen Sachen bei Seite und hob die neuen von meinem Kopf, um sie mir etwas genauer ansehen zu können. Er hatte mir eine einfache, graue Jogginghose und ein gelbes Shirt gegeben, beides definitiv zu groß für mich und dennoch erleichterte es mich riesig. Ein Blick an mir herunter zeigte mir allerdings, dass ich meine Jacke immer noch halb geöffnet hatte und mir wurde wieder heiß. Was hatte der Schwarzhaarige dann gesehen? Doch vielleicht hatte ich mit dem Kleinen das schlimmste ja verdeckt? Oh Gott, wie peinlich! Verzweifelt seufzte ich und raufte mir die Haare. Jetzt musste mich mir aber erst einmal etwas anziehen, also schlüpfte ich in die frischen Sachen und krempelte die Hosenbeine hoch, um nicht über sie zu stolpern. Das gelb fang ich zwar etwas grell und man konnte ganz leicht meinen schwarzen BH darunter erkennen, dennoch war es viel besser, als meine Jacke. "Und, wie seh ich aus?" fragte ich Bepo scherzhaft, der mir daraufhin einen Daumen nach oben zeigte. Wie süß! Auch wenn es mir total peinlich war, mir Sachen ausleihen zu müssen, war ich Trafalgar dankbar. Noch dazu war es ja auch in seinem Interesse, dass ich hier nicht halb nackt herumlief. Den Gedanken verwerfend sah ich auf die Uhr und beschloss, dass es Zeit fürs Abendessen war. Ich hatte schon die Hand auf die Türklinke gelegt, als ich die Badezimmertür aufgehen hörte und einen Moment wartete, bis ich mir sicher war, dass der Schwarzhaarige in seinem Zimmer verschwunden war. Auf ein weiteres, peinliches Zusammentreffen wollte ich gerne verzichten. Jetzt aber trat ich aus dem Zimmer und ging in die Küche.

Armor, ein mieser VerräterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt