Zuhause

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"Tut mir leid, aber ich muss ablehnen." Es ging nicht, ohne meinen Lohn würden wir die Miete nicht bezahlen können. Die Miene meines Gegenübers verfinsterte und sein Blick musterte mich erneut eindringlich. Er dachte nach, das konnte man ihm ansehen und ich stand einfach nur blöd in der Gegend herum. Immer wieder bemerkte ich die Blicke einiger Schüler auf uns, doch das war nichts ungewöhnliches. Ich konnte nachvollziehen, dass es die anderen interessierte, worüber ich mich mit Trafalgar unterhielt, immerhin waren die meisten Mädchen hier in den Schwarzhaarigen verschossen. "Was muss ich tun, damit du deine Meinung änderst?" Oho, da war es jemandem wirklich ernst. Innerlich grinste ich über beide Ohren, denn das könnte ich auf herrliche Art und Weise ausnutzen. Doch dann würde mir klar, dass ich ihm sagen müsste, dass ich Geld bräuchte und das würde ich definitiv nicht. Ich würde meinem Lehrer definitiv nicht auf die Nase binden, dass ich Geldprobleme hatte. Langsam wirkte mein Gegenüber jedoch ungeduldig, doch ich wusste nicht recht, was ich ihm sagen sollte. "Na ja, also... Ich würde leiber ein Gehalt bekommen als Nachhilfe, das bringt mir mehr." Mir schoss das Blut in die Wangen, irgendwie war mir das ganze schrecklich unangenehm. Wenn es um Geld ging war ich schon immer ziemlich empfindlich gewesen und sprach nur sehr ungern darüber." Gut, dann eben so. "erleichtert hob ich meinen Blick als ich das hörte. Es freute mich, dass Trafalgar nicht weiter nachbohrte und lächelte ihn sogar leicht an. Dann allerdings begann er in seiner Hosentasche zu kramen und zog einen Schlüssel mit einem kleinen Anhänger hervor. "Diesmal gehst du mit Bepo zu mir nach Hause, dann muss ich ihn abends nicht von dir abholen, wenn er sowieso schon schläft." Fassungslos glubschte ich das Metallding an, welches er mir gleich darauf in die Hand drückte und einfach an mir vorbei ging. Hatte er mir wirklich gerade seinen Hausschlüssel gegeben?! Dieser Mann war unfassbar und unberechenbar. Welcher Lehrer gab seiner Schülerin bitte den Schlüssel zu seinem Zuhause? Noch eine Weile lang stand ich regungslos im Flur, bevor ich mich endlich wieder besann und mit schnellen Schritten zu meiner Wohnung eilte. Derweil konnte ich jedoch nur an das kleine Metall Ding in meiner Hosentasche denken und konnte es immer noch nicht fassen. Ich hatte wirklich geglaubt, Trafalgar wäre vorsichtiger, doch da hatte ich mich anscheinend geirrt. Es interessierte mich brennend, wie seine Wohnung wol aussah, doch ich würde mich gedulden müssen. Schnell schnappte ich mir ein Brötchen und eilte auch schon wieder heraus, um die Kinder noch rechtzeitig abzuholen. Tatsächlich waren die zwei die beiden letzten im Kindergarten und die Erzieherin erwartete mich bereits sehnsüchtig. "Entschuldigung, dass Sie warten mussten." Lächelnd kniete ich mich zu Jakob und Bepo herunter, die nebeneinander auf einer Bank saßen und mich erfreut ansahen. "Andi!" kam es synchron von beiden, was mich leicht lachen ließ. "Schon ok, nicht weiter schlimm." Lächelnd verabschiedete ich mich von der älteren Dame und lief mit den beiden Jungs nach draußen. Jakob erzählte mir aufgeregt, was sie heute alles so gemacht hatten, währen der Weißhaarige stumm neben mir her lief. "Bepo, wie fandest du denn das ganze?", wandte ich mich nach einer Weile an den Kleinen, der nur schüchtern zu dem anderen Jungen herüber sah. "Ganz ok, denk ich.", antwortete er nuschelnd. Verwirrt sah ich ihn an. Was war denn aus dem aufgeweckten kleinen Jungen geschehen, der gestern mit mir geredet hatte? Zuerst gingen wir zu Jakob nach Hause, damit die Kinder etwas essen konnten, bevor ich mit ihnen auf den Spielplatz ging. Entspannt setzte ich mich auf eine Bank in der Nähe und beobachtete die beiden ein wenig. Der braunhaarige Jakob freundete sich bereits nach wenigen Minuten mit ein paar anderen Kindern an und spielte mit ihnen etwas Ausgedachtes, während Bepo alleine schaukelte. Schon irgendwie traurig. "Ist neben dir noch frei?" Ich hatte die Blondine neben mir gar nicht kommen hören, doch nickte ich schlicht und sie setzte sich. Sie war wohl noch keine zwanzig, hatte ziemlich tiefe Augenringe und unordentlich Kleidung, die sie allerdings ein wenig zurecht zupfte." Welche sind deine?" fragte sie mich nach einer Weile, woraufhin ich auf die zwei Jungs deutete und sie das gleiche fragte. Ihre lackierten Finger zeigten auf zwei Zwillingsmädchen, vermutlich gerade einmal 3 Jahre alt. Schon seit langem hatte ich es mir abgewöhnt, den Müttern zu erklären, dass ich nur auf die Kinder aufpasste. Wer nicht selber verstand, dass ich gerade erst 17 war, bei dem war es auch egal, ob er die Wahrheit kannte oder nicht. "Ach, ich heiße übrigens Allie." "Andi" Gute zwei Stunden unterhielten wir uns noch ein wenig über dies und das, bis aufeinmal ein lauter Aufschrei ertönte. Allamiert sprang ich auf und eilte zu Bepo, der auf dem Boden lag und sich den Arm rieb, während Jakob sich auf die Schaukel setzte. "Was ist denn hier passiert?" streng sah ich den Braunhaarigen an, der scheinheilig einfach zu schaukeln begann. "Er war schon viel zu lange hier." Meinte er ungerührt und machte mich damit einen Moment lang sprachlos. Ich wusste zwar, dass der Kleine unterzogen war, doch das überraschte mich nun wirklich ein wenig, denn bis jetzt hatte er noch nie ein anderes Kind geschlagen. Fürsorglich kniete ich mich zu Bepo herunter, der bereits Tränen in den Augen hatte und strich ihm beruhigend durch sein weißes Haar. "Es ist nichts passiert, alles wieder gut.", murmelte ich sanft lächelnd, bevor ich mich zu Jakob drehte und ihn von der Schaukel zog. "So und du entschuldigt dich jetzt bei Bepo dafür, dass du ihn geschlagen hast, denn das war nicht richtig. Er hat dir nichts getan und du hättest ihn nett fragen müssen, anstatt soetwas zu machen." Meine Stimme war streng und dennoch nicht zu laut, um keine große Aufmerksamkeit zu erregen." Tschuldigung. "brummte der Braunhaarige widerwillig, doch konnte ich sehen, dass es ihm kein Stück Leid tat." OK, mir reicht es. Wir gehen jetzt nach Hause, deine Eltern kommen ohne hin bald zurück. " Irgendwo hatte Mr. Trafalgar schon recht, der Kleine war ein ziemlicher Quälgeist. Seufzend packte ich Jakob an der Hand und schleifte ihn hinter mir her, während er laut brüllte und sich mit Händen und Füßen wehrte. Er wollte um jeden Preis hier bleiben, doch das hatte er sich selber zuzuschreiben. Kurz warf ich noch einen Blick zu Allie, die mir zum Abschied nur lächelnd winkte. Bepo lief ohne Gegenwehr neben uns beiden her und sagte kein Wort, ab und zu schniefte er leise, doch an sonsten kam nichts von ihm. Erleichtert stellte ich fest, dass bei Jakob zuhause seine Eltern bereits auf ihn warteten und nun bot sich mir eine einmalige Chance. "Mr. McCain, ich kündige.", verkündete ich, nachdem ich meinen Lohn erhalten hatte. Überrascht sah sie mich an, doch damit war ich noch nicht fertig. " Überigends, ihr Sohn ist ein unerzogener Rotzlöffel und vorlaut noch dazu." Erschrocken schnappte die Frau nach Luft und ich nutzte diesen Moment, um mich schnell aus dem Staub zu machen, bevor sie mir wüste Flüche an den Kopf werfen konnte. Mit mir selber im höchsten Maße zufrieden lief ich Händchen haltend mit dem Weißhaarigen davon und wusste, dass ich diese Wohnung nie wieder betreten würde. Dann fiel mir allerdings auf, dass ich gar nicht wusste, wo wir hin mussten und ich blieb stehen. Mit meiner freien Hand holte ich den Schlüssel hervor, den mir der Schwarzhaarige gegeben hatte. Auf dem kleinen Anhänger stand fein säuberlich eine Adresse, die Straße kannte ich zu meiner großen Freude. Nun blühte der kleine Junge aufeinmal wieder auf und begann freudig vor sich hin zu plappern. Anscheinend war ich eine Ausnahme für ihn, denn sonst sprach er offenbar mit kaum jemandem. Gedanklich war ich jedoch bereits bei Trafalgars Wohnung und malte mir aus, wie es dort wohl aussehen würde. Sein Zuhause befand sich im schöneren Teil der Stadt, wohl eine gute Stunde entfernt von meinem, doch damit hatte ich irgendwie bereits gerechnet. Kurz überprüfte ich noch einmal, ob ich wirklich richtig war, bevor wir zusammen durch den Vorgarten liefen. Es war ein einfacher Rasen, mit einem Steinweg zur Haustür, daneben gab es eine Garage, die bis jetzt allerdings leer war. Gespannt, was mich nun erwarten würde, drehte ich den Schlüssel im Schloss um und öffnete langsam die Tür. Ein weißer, langer Flur war das erste, was ich zu sehen bekam und Bepo trat auch sofort ein. Zögerlich folgte ich ihm und zog mir meine Schuhe aus, bevor ich weiter ging. Jeden Zentimeter dieses Hauses besah ich mir genau, von dem aufgeräumten Wohnzimmer mit einer teuer aussehenden Couch, über den Flachbildfernsehr an der Wand, bis hin zu den riesigen Bücherregalen, voller dicker Wälzer. Interessiert besha ich mir noch die hoch moderne Küche und auch diese wahr beinahe peinlich sauber. "Komm Andi, ich zeig dir mein Zimmer." Aufgeregt zupfte der kleine Junge an meiner Hose und ich ließ mich mitziehen. Sein Zimmer war mindestens doppelt so groß wie meines und dazu noch viel hübscher. Überall lag Spielzeug verstreut und das große Doppelbett war mit bunter Bettwäsche bezogen, dazu noch der süße kleine Schreibtisch und langsam keimte in mir der Neid auf. Ich hatte nie so schöne Sachen besessen und tat es bis jetzt noch nicht. Das Leben war einfach unfair.
Lächelnd spielte ich ein wenig mit dem Weißhaarigen, bis er irgendwann anfing zu malen und ich beschloss, noch etwas weiter das Haus zu erkunden. Auf leisen Sohlen schlich ich auf den Flur und öffnete nach der Reihe die verschiedenen Türen. Zuerst war da das Bad, mit einer Regendusche, dazu gab es auch noch eine große Badewanne, in der mindestens zwei Personen Platz hatten. Hier fiel mir zum ersten Mal dieser Geruch auf, es musste das Aftershave des Schwarzhaarigen das, das den gesammten Raum einnahm. Eigentlich ein ziemlich angenehmer Duft, doch das wahr wohl so ziemlich das einzige, was ich an Mr. Trafalgar gut... Akzeptabel fand. Gleich darauf trat ich wieder auf den Flur und drückte die nächste Türklinke herunter, doch das Zimmer war abgeschlossen und auch der letzte Raum war verschlossen. Das mussten Schlaf- und Arbeitszimmer sein, ganz klar. Offenbar war er doch nicht so naiv und dumm wie ich gedacht hatte, denn alles wichtige hatte er vor mir weggesperrt. Leicht brachte mich das zum Schmunzeln, denn das hätte ich mir denken können. Gemeinsam mit Bepo machte ich in der schönen Küche zum Abendessen etwas Reis mit Curry und weil ich so ein netter Mensch war, machte ich eine Portion mehr, damit Mr. Trafalgar auf etwas davon hatte, falls er mal nach Hause kommen würde. In Wahrheit hatte ich ungewollt etwas zu viel gemacht, doch eigentlich war es gar nicht so dumm, ihm etwas zu machen, denn ich bezweifelte, dass, wo immer er auch war, er etwas essen würde. Wo er war, darüber hatte ich mir schon den halben Tag den Kopf zerbrochen, doch war zu keiner brauchbaren Antwort gekommen. Nach einer Weile brachte ich schließlich Bepo ins Bett und achtete darauf, dass er sich auf gründlich die Zähne putzte und wirklich ins Bett ging.
"Gute Nacht." flüsterte ich und schlich leise aus dem dunklen Zimmer. Ganz vorsichtig schloss ich die Tür und lauschte ein paar Minuten daran, um sicher sein zu können, dass er friedlich schlummerte. Es war nichts zu hören, sodass ich leise ins Wohnzimmer schlich und mich auf die Couch setzte. Mein Handy hatte ich in dem Stress heute Mittag daheim vergessen, doch einfach den Fernseher einzuschalten traute ich mich nicht. Das hier war immer noch das Haus meines Lehrers, da wollte ich keinen Mist bauen oder zu weit gehen und dadurch noch weiter in seiner Gunst fallen. Ich vermutete ohnehin, dass ich mich in dieser Hinsicht von Anfang an im freien Fall befunden hatte. Trafalgar war mir von Anfang an recht feindlich gegenüber gewesen, wobei er vermutlich seine Arroganz einfach nicht zurück hielt. Er mochte mich nicht, weil ich oft unaufmerksam war und noch dazu bodenlos schlecht und ich mochte ihn nicht, weil er sich für was besseres hielt. Für morgen hatte ich meine Hausaufgaben bereits erledigt, sodass ich, sobald ich nach Hase kommen würde, gleich ins Bett gehen könnte. Planlos sah ich mich noch einmal im Raum um und entdeckte eine flauschige Decke unter einem Kissen. Es war hier drinnen ziemlich kalt, besodners wenn am nur ein kurzärmliges Oberteil trug wie ich und meine Hose nur bis zu den Knien reichte. Der Schwarzhaarige würde schon nichts dagegen haben.


Armor, ein mieser VerräterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt