Es kam mir schon ein klein wenig seltsam vor, in dieser Küche zu stehen, in diesen Klamotten. "Andi!" Lächelnd sah ich zu dem kleinen Jungen herunter, der neugierig an meinem Hosenbein rüttelte. "Darf ich helfen?" Diesen putzigen Kulleraugen konnte ich nicht nein sagen, sodass ich ihn auf die Arbeitsplatte hob und ihm einen Kochlöffel in die Hand drückte. Leise kicherte er daraufhin und auch ich musste lachen. "So, Meister Chefkoch, was wollen wir heute denn essen?", erkundigte ich mich, woraufhin der Weißhaarige nur noch mehr kicherte und sich überlegend mit dem Finger auf das Kinn tippte. "Eis!" rief er begeistert, doch ich schüttelte sofort den Kopf. Bepo ließ sich davon nicht entmutigen und überlegte weiter. "Schokopudding." Wieder schüttelte ich den Kopf, waraufhin der kleine erneut nachdachte. "Wie wäre es mit einem Gemüseauflauf?" Überrascht drehte ich mich zu Trafalgar um, der locker auf uns zu schlenderte. "Oh jaa!" jubelte Bepo, woraufhin er schmunzelte. Seine Haare waren noch feucht vom Duschen, sodass sie ihm vereinzelt noch auf der Stirn klebten, dazu trug er die gleiche Hose wie ich, nur in Schwarz und ein weißes, kurzärmeliges Shirt. Leicht spitzeten hierbei seine Oberarmtattoos hervor, während die an Unterarmen und Händen frei zu sehen waren. Wer ließ sich bitte 'DEATH' auf seine Finger tätowieren?! Das hatte ich mich schon oft gefragt, doch war ich nie zu einer Antwort gekommen. Entspannt holte er sich ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit Wasser aus dem Hahn, bevor er auch wieder davon lief. Eigentlich hatte ich mich gerade gefragt, ob ich nicht jetzt überflüssig war, da Mr. Trafalgar nun da war, doch anscheinend hatte er noch anderes zu tun und überließ mir somit das Kochen. Mir sollte es recht sein, er hatte immerhin nur Bio-Gemüse und modernere Küchengeräte, da konnte ich mich schön austoben. Immer wieder erkundigte ich mich bei Bepo, was alles in den Auflauf hinein sollte und machte auch sonst vieles nach seinen Anweisungen. Einzig und allein die Gummibärchen ließ ich mal raus, weil ich bezweifelte, dass sich diese gut darin machten. Schmunzelnd schob ich das Ding in den Ofen und stellte eine viertel Stunde ein. Mein Blick fiel auf meine Matheaufgaben, die ich nicht hatte lösen können. Sollte ich Mr. Trafalgar nach Hilfe bitten? Lieber nicht... Der würde mich nur wieder nieder machen oder mir sagen, dass ich seine Nachhilfe doch abgelehnt hatte. Während des Wartens setzte ich mich jedoch noch einmal dran und versuchte mich doch noch einmal ein wenig damit zu beschäftigen.
Wie um alles in der Welt sollte ich bitte dieses Gleichungssystem lösen? Dafür hatte ich doch nicht genug Infos oder doch? Hoch konzentriert entdeckte ich die benötigte Angabe und begann sofort damit, alles aus zu rechnen... Doch das Ergebnis ergab keinen Sinn. Einmal hatte ich gedacht, ich hätte es verstanden und dann war doch alles falsch. Verzweifelt legte ich meinen Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. "Mathe ist doch einfach-" Mein Blick glitt zu dem Weißhaarige, der mich neugierig beobachtete und ich entschied, dass ich den Satz leiber nicht beenden sollte und dachte mir das Ende einfach. Erschrocken zuckte ich zusammen, als der Timer ablief und begann zu piepen. Schnell stand ich auf und schaltete ihn aus, ein Blick in den Ofen zeigte mir, dass das Essen wohl fertig war. Suchend sah ich mich nach Ofenhandschuhen um, denn mir war, als hätte ich sie hier schon einmal gesehen. Tatsache, sie hingen an kleinen, silbernen Haken an der Wand und schnell schnappte ich sie mir, um den Auflauf heraus zu holen. War es nicht etwas seltsam, dass mich Mr. Trafalgar einfach hier herum hantieren ließ, während er in seinem Zimmer war? Kaum hatte ich das zu Ende gedacht, kam er auch schon hinein spaziert und mein Blick glitt zu meinen Mathesachen auf dem Tisch. Kurz sah er mich an, bevor er sich ebenfalls meinen Heften zuwandten und sich auf meinen Platz setzte, um sich alles genauer ansahen zu können. Schnell kam ich auf ihn zu und wollte schon alles wegräumen, doch ich hatte immer noch die Handschuhe an und musste diese zuerst ausziehen, bevor ich etwas greifen könnte. Mein Lehrer jedoch hatte andere Pläne und nahm mein Heft in die Hand, bevor ich es schaffte, es in die Finger zu bekommen. Angespannt malträtierte ich meine Unterlippe und wartete darauf, dass er es mir wieder geben würde. "Du bist wirklich bemerkenswert schlecht. Wie hast du es überhaupt bis in die 11 Klasse geschafft?" Ach, wie ich seine ehrliche Art doch nicht vermisst habe. Das könnte man auch netter formulieren oder einfach gar nichts dazu sagen. Meine anderen Lehrer waren einfach netter und nahmen Rücksicht auf Schüler, die nicht sonderlich gut waren. Anders als der Mann vor mir, hatten sie soetwas wie Empathie, doch ich würde mich hüten es ihm ins Gesicht zu sagen. Unzufrieden brummte ich deshalb nur und machte mich daran, den Tisch zu decken, während Trafalgar einfach seelenruhig in meinem Heft blätterte. Es machte mich nervös und war mir unangenehm, dass er meine ganzen Fehler begutachtete. Nachdem ich alles fertig vorbereitet hatte, setzte ich Bepo auf seinen erhöhten Stuhl, während ich mich neben ihn setzte und damit Trafalgar gegenüber. Angesäuert sah ich ihn an, wie er mit zusammengezogen Augenbrauen meine Rechnungen begutachtete und lud dem Weißhaarigen einfach schonmal etwas auf. Als nächstes machte ich meinen Teller voll und stockte danach. Sollte ich ihm auch etwas drauf tun? Irgendwie kam es mir jedoch seltsam vor, sodass ich den Schöpfer einfach in der Form liegen ließ und mich meinem Essen zuwandte. Der Werte Herr erbarmte sich schlussendlich und legte mein Heft bei Seite, lud sich selber etwas auf den Teller und begann zu essen. Immer wieder sah ich zu ihm herüber, versuchte heraus zu finden, wann er mir seine Standpauke halten würde, jedoch blieb er still und war gedanklich vermutlich ganz wo anders. "Law? " Nun wandte er seinen Blick zu seinem Neffen, der ihn lächelnd ansah. "Ich will auch so Punkte Hosen wie Andi." Boden zu dich auf! Zuerst wirkte Trafalgar noch ein wenig verwirrt, bis er wieder zu Grinsen begann ich rot anlief. Er hatte also verstanden, dass der Kleine gerade von meiner Unterwäsche sprach und nicht verstand, dass man das nicht so einfach heraus posaunte. Man erzählte einem Lehrer doch nicht, welche Unterwäsche seine Schülerin trug, wobei er meinen BH ohnehin vermutlich schon gesehen hatte. Mein Kopf glühte geradezu und mein Herz pochte wild. Das war so beschämend und dieser Idiot grinste einfach nur! Stur sah ich ab jetzt nur noch auf meinen Teller und versuchte nicht vor Scham zu explodieren, während ich meinen leckeren Auflauf aß. Tatsächlich war er mir wirklich gut gelungen, das musste ich schon sagen. Dafür, dass ich noch nie soetwas gekocht hatte und erst noch diese hübschen, weißen Teller. Sie waren so schön rund und weiß und dann noch der dunkelbraune Tisch... "Andrea?" Das hatte ich mir bestimmt gerade nur eingebildet oder? Mein Lehrer würde mich doch nie im Leben jetzt noch ansprechen, wenn er sah, dass ich rot wie eine Tomate war. Nein, er hätte tacktgefühl und würde mich in Frieden lassen, ganz klar. "Andrea!" Lautlos seufzte ich und sah von meinem spannenden Teller auf, direkt in zwei graue Augen, die mich belustigt musterten. Fast automatisch zogen sich meine Augenbrauen zusammen und ich sah ihn skeptisch an. Bis jetzt war noch nie etwas gutes dabei heraus gekommen, wenn er mich zusert mit meinem Namen angesprochen hatte. Außer vielleicht, dass ich jetzt bei Bepo sein konnte. "Nach dem Essen werde ich dir etwas mit Mathe helfen, sonst wird das nicht gut ausgehen in Zukunft. Du ziehst den Schnitt der Klasse nach unten." Da hatten wir es auch schon, wie ich es vermutet hatte. Charmant wie immer und brutal ehrlich, so wie ich es liebte.
Achtung, Sarkasmus.
Wenn ich allerdings seine Hilfe bekam, ohne ihn fragen zu müssen, dann würde ich nicht ablehnen. Auch wenn mich alles andere an diesem Satz eigentlich rasend machte, so war es im Grunde gesehen doch eine... Nette Geste? Klar, er versuchte es zu verpacken, als würde er das nur für den Klassendurchschnitt machen, doch ich wusste es besser. Mister arroganter-Egoist war offenbar doch nicht so kalt. Leicht musste ich bei diesem Gedanken grinsen, was mir einen verwirrten Blick seitens des Schwarzhaarigen einbrachte, doch ich blieb weiterhin stumm und aß mein Gemüse. Als ich fertig war, räumte ich alles in die Spühlmaschiene und säubert Bepo etwas, der sich ziemlich vollgeschmiert hatte und brachte ihn noch ins Bett. Wieder wartete ich ein paar Minuten hinter der Tür, um sicher zu gehen, dass der Kleine auch wirklich schlief.
Nun stand ich unschlüssig im Gang und wollte eigentlich gar nicht mehr zurück zu Mr. Trafalgar, doch auf ewig hier stehen zu bleiben, konnte ich auch nicht. Ganz langsam schlurfte ich deshalb zurück und fühlte mich, als wäre es der Gang zum Schafott. Dort wartete mein Henker bereits am Tisch und hatte mein Mathebuch aufgeschlagen. Moment, das war doch in meiner Tasche gewesen oder nicht? Hatte der Kerl in meinen Sachen gewühlt? Nein, ich steigerte mich da zu sehr rein, es war bestimmt noch draußen gewesen. Mit heruntergezogenen Mundwinkel setzte ich mich neben meinen Lehrer und starrte das Blatt vor mir an. War ich vorher nicht noch froh darüber, Hilfe zu bekommen? Das war gestrichen, denn ich fühlte mich nun unglaublich unwohl, so unter Beobachtung zu stehen. Doch nicht für mich schien es eine Qual zu sein, denn der Schwarzhaarige schien ganz schön mit sich zu ringen, mich nicht bei jedem Fehler blöd an zu machen, seitdem ich voller Verzweiflung schon den Tränen nahe war. "Ich mag nicht mehr.", jammerte ich leise, als wir nach einer halben Stunde immer noch an der zweiten Aufgabe saßen. Er fuhr sich einmal mit der Hand durch sein, inzwischen trockenes Haar und runzelte die Stirn. "Noch zwei Aufgaben, wenn du die löst, dann hast du es geschafft." Na dass war doch immerhin etwas! Nun wieder ein Ziel vor Augen, fasste ich neuen Mut und konzentrierte mich auf die Aufgabe. "Hier hast du ein Minus vergessen." Der lange Finger meines Nebenmannes deutete auf meine eben geschriebene Zeile und ich ergänzte schnell das fehlende Zeichen. Etwas überrascht, dass nicht noch ein weiterer Kommentar von ihm kam, schielt ich zu ihm herüber und bemerkte, dass er wieder zu grinsen begann. Was war denn jetzt schon wieder? Dieser Kerl machte mich wahnsinnig! Ich hatte doch gerade wirklich nichts gemacht, was also fand er nun schon wieder so lustig? Gestresst Strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht... Jetzt wusste ich es. Er hatte bemerkt, dass ich sein Shampoo benutzt hatte, weil er nun recht nahe neben mir saß. Doch sagen tat er nichts, sodass ich schweigend rot anlief und mich bemühte, nicht ständig daran zu denken. Wie konnte ich mich an einem einzigen Tag so oft lächerlich machen? Das musste ein Weltrekord sein, ganz klar. Mindestens genau so oft war ich heute auch rot geworden und das einzige, was Trafalgar derweil tat war sich innerlich darüber lustig zu machen. Wieder drängte sich mir die Frage auf, wieso ein solcher Mensch überhaupt Lehrer war. Er war doch sicherlich sadistisch veranlagt, so wie er sich am Leid anderer, in diesem Fall meinem, ergözte. "Vergiss deine Mordgedanken und guck lieber auf dein Blatt." ertappt zuckte ich zusammen und wandte meinen Blick von ihm ab. Offenbar hatte mein Gesicht meine Gedanken wiedergespiegelt. Das konnte ich also nun zu meiner Liste an Peinlichkeiten hinzufügen, spitze. Schlussendlich jedoch schaffte ich es nach einer halben Ewigkeit, das richtige Ergebnis heraus zu finden und ließ meinen Kopf erschöpft auf meine verschränkten Arme fallen. Ich war fertig für heute und wollte nur noch in mein Bett, doch dafür müsste ich es schaffen, aufzustehen und mich wohl auch noch von Mr. Trafalgar fahren lassen. Dabei bestand allerdings die Möglichkeit, dass ich wieder in ein Fettnäpfchen trat oder mich lächerlich machte. Am besten ich würde einfach hier sitzen bleiben und mich nicht mehr bewegen, dann könnte ich nichts mehr falsch machen. "Gut gemacht." Eine große Hand tätschelte meinen Kopf und ich stellte fest, dass mich mein Lehrer noch nie gelobt hatte. Überrascht hob ich meinen Kopf und sah zu ihm auf, war völlig überfordert mit dieser Geste. Wieder sagte er etwas, doch gedanklich hing ich noch bei dem Lob fest. Mr. Trafalgar, hatte gesagt, ich hätte etwas gut gemacht. Das war das nettesten, das er mir, glaubte ich, jemals gesagt hatte. Langsam drängen wieder andere Geräusche zu mir durch und ich hörte seine belustigt Stimme. "Hab ich jetzt einen Kurzschluss verursacht?"
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Armor, ein mieser Verräter
FanfictionAndi weiß nicht mehr wo ihr der Kopf steht. Zwischen Schule und Babysitten findet sie keine Zeit für lernen oder Freunde. Ausgerechnet ihr verhasster Mathelehrer Mr. Trafalgar bietet ihr einen kleinen Ausweg, den sie unter Vorbehalt annimmt, aber au...