Kapitel 2

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Raven hatte die Beine überschlagen und las in einem Buch, als sich ihre Mutter mit einem leisen Stöhnen zu ihr drehte. Sofort klappte sie ihr Buch zu und rutschte von dem Stuhl, sodass sie vor dem Bett kniete. Sanft griff sie nach der Hand ihrer Mutter. „Hey.", flüsterte diese mit brüchiger Stimme und drückte Ravens Hand schwach. „Wie geht es dir?" Raven zwang sich zu einem Lächeln, „Ganz gut...", murmelte sie und versuchte nicht an den Streit mit den anderen zu denken. „Wir haben es den Dunkelwesen so richtig gezeigt!", lachte sie zaghaft und strich ihrer Mutter eine Strähne aus der heißen Stirn. „Du glühst ja.", sagte sie besorgt und betastete die Stirn ihrer Mutter. Diese lächelte schwach. „Es ist alles in Ordnung mein Schatz.", flüsterte sie und legte ihre Hand auf Ravens Wange. „Aber dich bedrückt doch etwas.", sagte sie. Raven schloss kurz die Augen. „Es ist nichts.", sagte sie schließlich und sah ihrer Mutter wieder in die müden Augen.

Ihre Mutter ließ die Hand sinken. „Ich weiß, dass dich das alles sehr mitnimmt Raven. Die ganze Verantwortung und all das.", hauchte sie und fasste sich an den Kopf Raven drückte ihre Hand fester. „Du musst dich ausruhen Mama. Du hast große Schmerzen.", sagte sie leise. Ihre Mutter lächelte schwach. „Da wo ich hingehen werde, werde ich keine Schmerzen mehr haben.", sagte sie. Ravens Augen wurde glasig. „Nein, Mama bitte sag so etwas nicht! Es wird eine Lösung geben!" Jetzt begannen die Tränen ihre Wangen herunter zu rinnen und tropften von ihrem Kinn.

„Beug dich runter."
Raven senkte den Kopf und Jen gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. „Es wird mir gut gehen.", meinte sie ruhig und schloss die Augen. Ravens Herz raste. „Mama?! Bitte! Nein! Gib nicht auf! Ich schaffe das doch nicht allein!", schluchzte sie und drückte die Hand ihrer Mutter fester. „Ich habe schon Papa verloren! Ich kann auch nicht auch noch dich verlieren. Mama..." Ihre Stimme erstickte in einem lauten Schluchzer. „Was ist mit Peeter?", fragte sie und schaute ihre Mutter durch einen Tränenschleier hindurch an. Das konnte kein Abschied sein. Das durfte kein Abschied sein. Die Lippen ihrer Mutter umspielte ein leichtes Lächeln. „Ich habe mich schon von ihm verabschiedet. Er ist noch klein, aber kann bereits gut mit dem Tot umgehen.", sagte sie mit kratziger Stimme. „Ich kann das aber nicht!" Raven schrie schon fast. „Ich kann dich nicht verlieren!" Das schwaches Lächeln ihrer Mutter wurde etwas breiter. „Ich liebe euch.", flüsterte sie. Ravens Atem ging unregelmäßig. Leblos sank die Hand ihrer Mutter auf das Bettlaken. Raven sah, wie sich die Brust ihrer Mutter ein letztes Mal hob und dann in sich zusammenfiel. „Mama?" Ravens Stimme war eher ein Flüstern. Ihre Augen brannten vom Weinen und ihrer Kehle war wie ausgetrocknet. „Mama!", schrie sie und begann an den leblosen Schultern zu rütteln. Ihre Mutter regte sich jedoch nicht. Kraftlos sank Raven neben dem Bett zusammen und weinte. Ihr gesamter Körper zitterte und bebte. Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein.

,Raven lehnte sich über das Geländer ihres Balkons und ließ sich die Gischt des Wasserfalls ins Gesicht spritzen. Die Strahlen der untergehenden Sonne ließen einen kleinen Regenbogen auf dem Wasser tanzen. Sie sog die kühle Abendluft ein und schlang die Arme fester um sich. Fast eine Stunde hatte sie zusammengekauert neben dem Bett ihrer Mutter gesessen und geweint. Dann waren zwei Diener gekommen und hatten sie zugedeckt.

Raven war kalt und zwar nicht wegen der kühlen Luft, sondern wegen der Leere, die sich in ihrem Körper ausgebreitet und sich bis zu ihrem Herzen vorgefressen hatte. Peeter und sie waren jetzt allein und Raven war die Königin. Krampfhaft versuchte sie die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, doch sie schaffte es nicht. Verzweifelt vergrub sie die Finger in den Haaren. Peeter wusste noch nicht, dass ihre Mutter nun an einem besseren Ort war, doch wie sollte Raven es ihm sagen? Sie konnte nicht einmal an ihre Mutter denken, ohne, dass sich wieder der stechende Schmerz in ihrer Brust ausbreitete. Verzweifelt schaute sie zum Himmel. Ihr Balkon befand sich über der dichten Baumkrone, sodass Raven direkt die Sterne sehen, sowie den gesamten Dschungel überblicken konnte. „Was soll ich tun?", flüsterte sie und ließ ihren Blick über das Himmelszelt schweifen, als könnten ihr die Sterne eine Antwort auf die quälende Frage geben. Unruhig knetete sie ihre Hände. „Ich kann das nicht.", sagte sie mit bebender Stimme und schaute über den Dschungel. „Das alles hier..." Sie stockte und kniff die Augen zusammen. Da war doch was. Oder eher gesagt war da nichts. Kein Gezwitscher der Vögel oder das Rauschen des Windes in den Blättern. Es war vollkommen still. Ravens Nackenhaare stellten sich auf. Langsam ließ sie ihre Hände zu ihrem Gürtel gleiten und umschloss den ledernen Griff eines ihrer Wurfmesser.

Queens- When darkness fallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt