Epilog

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Loudera stand vor dem großen Spiegel und fuhr über den seichten Stoff des langen blauen Kleides. Es war das gleiche Kleid, dass Evelyn bei ihrer Krönung getragen hatte. Lou wischte sich schnell über die Augen.
„Bist du dir sicher, dass du das machen möchtest?", fragte Ylva leise und musste sich selbst stark konzentrieren, um nicht zu weinen. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie Evelyn in diesem Kleid auf das Podest zugeschritten war und wie wunderschön sie ausgesehen hatte. Es versetzte ihr einen Stich ins Herz, als sie daran zurückdachte. Es waren ungefähr zwei Wochen vergangen seit sie Evelyn beerdigt hatten. Ylva fuhr langsam über das silberne Armband. Eine Träne tropfte darauf und ließ die feinen Maschen leicht schimmern. Loudera holte tief Luft und nickte. „Ja, ich will das.", sagte sie und griff nach einer Kette, die vor ihr auf dem Tisch lag. Sie warf Ylva einen Blick über die Schulter hinweg zu. „Könntest du mir helfen?" Ylva nickte etwas abwesend und erhob sich vom Bett. Sie kam auf Lou zu und legte ihr die Kette um den Hals. Mit zitternden Fingern schloss sie den Verschluss und ließ die Hand sinken.
„Ich vermisse sie.", sagte Lou leise und drehte sich zu Ylva. Diese senkte den Blick und biss sich auf die bebende Unterlippe. „Ich auch...", entgegnete sie mit brüchiger Stimme. Lou nickte. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Ylva zwang sich zu einem Lächeln, doch auch ihre Augen waren glasig. Vorsichtig wischte sie Loudera die Tränen aus dem Gesicht. „Sie hätte nicht gewollt, dass du weinst, nicht an deinem Krönungstag."
Lou nickte langsam und fuhr sich über die Augen. „Ich wünschte einfach sie wäre noch hier."
Ylva fuhr ihr sanft über den Arm. „Ich auch..."
„Glaubst du, sie ist glücklich da wo sie jetzt ist?", fragte Lou leise und schaute traurig aus dem Fenster. Ylva holte rasselnd Luft. „Also Raphael hat viel Gutes vom Himmel erzählt. Nur das Personal wäre etwas störrisch.", witzelte sie. Lou musste lachen und schaute in den wolkenlosen Himmel. „Die wird Evelyn schon noch zurechtweisen."

Ein leises Klopfen kam von der Tür und wenig später schwang sie auf. Monara kam herein und blieb kurz stehen, als sie Loudera in Evelyns Kleid sah. Sie atmete einmal tief durch. „Du siehst schön aus Lou.", sagte sie leise und schaute zu Boden. „Die Zeremonie beginnt gleich.", fügte sie hinzu. Lou wandte sich vom Fenster ab. „Klar...geht schon einmal vor. Ich...ich brauche noch eine Sekunde." Ylva nickte und verließ mit Monara das Zimmer. Diese zog langsam die Tür hinter sich zu. Gemeinsam gingen sie den Flur des Versammlungshauses entlang.
Erinnerungen flammten vor Ylvas Augen auf. Sie erinnerte sich daran, wie sie zurück nach Cosmo gekommen waren. Sie waren zu Monara ins Zimmer gegangen. Ihr Anblick hatte Ylva für einen kurzen Moment ein Gefühl von Erleichterung gegeben, doch dieses Gefühl war sofort wieder von ihrer Trauer überwältigt worden.
Monara hatte sie nur verwirrt angeschaut und nach Evelyn gefragt. Ylva hatte sich nur neben sie gesetzt, sie in den Arm genommen und angefangen zu weinen. Sie hatte nichts sagen müssen, Monara hatte sie verstanden. Lange hatten sie einfach nur dagesessen und geweint. Es hatte lange gedauert, bis Ylva Monara stockend berichtetet hatte, was passiert war. Monara hatte für mehrere Tage mit niemandem gesprochen, selbst bei Evelyns Beerdigung hatte sie kein Wort über die Lippen gebracht. Ylva konnte sich gut erinnern, wie sie den Sargdeckel geschlossen und einen letzten Blick auf Evelyn geworfen hatte. „Ich liebe dich.", hatte sie geflüstert und ihr einen letzten sanften Kuss auf die Stirn gegeben.

Ylva fummelte an ihrem Armband herum und warf Monara einen Blick aus dem Augenwinkel zu. „Wie geht es dir?", fragte sie leise. Sie wusste, dass sie diese Frage die letzten Tage sehr oft gestellt hatte, doch das alles ließ sie nicht los. Monara nickte abwesend. „Mir geht es eigentlich ganz gut, aber ich vermisse sie. Es ist nicht gerecht, dass ich hier bin und sie nicht.", murmelte sie.
„Der Tot ist nie gerecht.", erwiderte Ylva, „Aber sie hätte nicht gewollt, dass wir uns Vorwürfe machen. Wir sollten lieber an die schönen Dinge denken, die wir mit ihr erlebt haben. Wir müssen stark sein."
Monara lächelte schwach. „Du hast sie geliebt." Ylva lief schlagartig rot an. Sie hatte Monara nicht erzählt, was zwischen ihr und Evelyn passiert war. Das wäre zu viel auf einmal gewesen und auch hatte sie nicht gewusst, wie sie es hätte sagen sollen.
„Wie meinst du das?", fragte sie schließlich, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. Monaras Lächeln wurde breiter. „Du hast sie geliebt.", wiederholte sie. Ihre Stimme klang traurig, aber bestimmt.
„Genau wie du."
Monara schüttelte den Kopf. „Du hast sie mehr geliebt und das ist in Ordnung. Ich habe schon lange gemerkt wie du sie angesehen hast und wie sie dich angesehen hat. So hat sie mich noch nie angesehen." Ylva sah zu Boden. „Bist du mir böse?"
„Nein. Letztendlich musste sie diese Entscheidung treffen. Ich wollte einfach nur, dass sie glücklich ist und wenn sie es mit dir war, ist es für mich in Ordnung. Unsere Beziehung hatte Risse. Es hätte nicht gehalten und so war es besser."
Monaras Augen waren während diesen Worten glasig geworden und auch Ylva musste sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischen.
„Also ist alles gut zwischen uns?", fragte Ylva leise. Monara nickte. Erleichtert zog Ylva sie in die Arme.

Queens- When darkness fallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt