Kapitel 15

64 8 2
                                    

Die Tür zur Küche schwang erneut auf und Evelyn und Ylva kamen herein. Evelyn schwenkte breit grinsend ein Buch in der Luft. Ihr triumphierendes Lächeln verflog jedoch, als sie in die ernsten Gesichter ihrer Freundinnen und das ihrer Schwester blickte. „Lou? Was machst du denn hier?" Ihr Blick wanderte von Loudera zu Sualc. „Und was macht der hier?" Sualc räusperte sich vernehmlich und warf Raven einen überlegenden Blick zu. „Ich will helfen." Ylva musste sich das Lachen verkneifen. „Du und helfen? Du hast doch absolut keine Ahnung was hier los ist.", spottete sie. Raven legte den Kopf schief. „Leider weiß er von allem hier.", meinte sie leise und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Ylvas Lachen war auf einen Schlag verschwunden. „Was?"

Jade nickte und schaute zu Ylva hoch. „Wir haben ihm alles erzählt, nachdem er Raven fast die Kehle aufgeschlitzt hätte." Feya drehte sich ruckartig zu Sualc. „Du wolltest WAS?" Sualc zog eingeschüchtert den Kopf ein, als würde er eine weitere Ohrfeige erwarten. „Ich war misstrauisch. Ich wollte wissen was hier los ist."

„Das ist keine Entschuldigung.", zischte Feya wütend. Sualc verschränkte trotzig die Arme. „Du hast doch selbst gesagt, dass ich meine Gefühle nicht unterdrücken soll." „Ich habe aber nicht gesagt, dass du eine meiner Freudinnen umbringen sollst, wenn dir danach ist.", fauchte Feya und drehte sich so ruckartig weg, dass ihre braunen Locken schwungvoll über ihre Schulter flogen.

„Kann uns jetzt bitte jemand erklären, was hier los ist?", meldete sich Evelyn lautstark zu Wort und ließ die anderen verstummen. Sie ging auf Lou zu und packte sie an den Schultern. „Geht es den Bewohnern gut? Oder ist die Glaskuppel eingestürzt? Bitte sag etwas!", drängte sie. Lous Augen huschten unruhig hin und her. „Nein, nein, es geht allen gut und auch die Glaskuppel hält noch." Evelyn fuhr sich nervös durch die Haare. „Und warum bist du dann hier?" Loudera seufzte und brachte Evelyn und Ylva auf den neusten Stand der Dinge. Danach herrschte betroffenes Schweigen.

„Und was machen wir jetzt?", fragte Raven in die Runde und faltete die Hände auf der Tischplatte. Sie alle hatten sich um den Tisch herumgesetzt. Keiner von ihnen wusste, was er auf diese Frage antworten sollten. Schließlich legte Evelyn das dicke Buch auf den Tisch und schlug es auf. „Viel haben wir zwar auch nicht herausgefunden.", begann sie leise und blätterte eine weitere Seite um, „Aber wir wissen jetzt bestimmt, dass es weder die Gegenständliche noch die Naturmagie ist."

„Aber die Natur stirbt doch ab.", warf Feya ein. Evelyn bedachte sie mit einem flehenden Blick und hoffte, dass sie nicht noch weiter nachfragen würde, da Ylva sonst wieder zu einer ihrer Reden ansetzten würde. „Das hat da nichts mit zu tun.", entgegnete sie und fuhr schnell fort, bevor Ylva sich einmischen konnte. „Es bleibt also noch die Engelsmagie, wobei ich die persönlich eher ausschließen würde, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass unsere Feindin ein Engel ist."

„Vielleicht ist sie ja ein Racheengel.", witzelte Sualc, verstummte jedoch, als er bemerkte, dass keiner der Anwesenden lachte. Evelyn fuhr unbeirrt fort. „Die Elementmagie und..." Sie holte tief Luft, „Todes- oder auch Opfermagie." Jade rückte etwas näher zu Raven und schlang die Arme um sich. „Du meinst, dass die Iris die Leichen dafür will? Sie benutzt sie, um stärker zu werden und Magie zu praktizieren?" Evelyn schlug das Buch zu. „Sieht ganz so aus."

Monara zog das Buch zu sich heran und schlug es wieder auf. „Steht da denn auch was man dagegen machen kann, oder wie man sie schwächt?" Ylva schüttelte den Kopf. „Soweit wir das gesehen habe ist keine Methode bekannt. Das einzige was einigermaßen wirksam wäre, wäre, dass wir sie von jeglichen Todesopfern fernhalten und das geht ja wohl nicht." Frustriert schlug Monara das Buch wieder zu. „Na toll. Wir stecken fest. Wir wissen weder wo Iris als nächstes angreifen wird oder wo sie ihr Versteck hat. Und selbst wenn wir es wüssten, hätten wir keine Chance sie zu besiegen.", stellte sie fest.

Feya krallte ihre Finger in ihre Tasse. „Aber irgendwas müssen wir doch machen! Wir können hier doch nicht nur tatenlos rumsitzen." Raven verschränkte die Arme. „Feya hat recht. Aber auch ich hab keine Idee."

„Wir müssen ihr Versteck ausfindig machen und uns die Lebenssteine zurückholen, die sie bis jetzt gestohlen hat.", meldete sich Sualc leise zu Wort. Raven drehte sich überrascht zu ihm um. „Du bist ja immer noch hier. Hab ich nicht gesagt, du sollst verschwinden?"

„Aber er hat recht.", mischte sich Feya ein. Sualc sah sie dankbar an. Jade zeichnete mit dem Zeigefinger abwesend kleine Kreise auf die Tischplatte. „Und wie sollen wir das anstellen?", fragte sie und blickte auf. Sualc zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung." Raven verdrehte die Augen. „War klar." Sualc verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen. „Wenigstens hatte ich eine Idee." , murrte er. Raven musste sich sehr zurückhalten, um ihn nicht mit dem Kopf voran aus dem Raum zu werfen. „An deiner Stelle würde ich jetzt lieber den Mund halten, sonst..." In diesem Moment ertönte ein klackerndes Geräusch von einem der Fenster und lautes Flügelschlagen, sowie ein aufgeregtes Krächzen, welches die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich lenkte. Ein großer brauner Falke flatterte aufgeregt vor dem Fenster auf und ab und klopfte mit seinem Schnabel an die Fensterscheibe. „Was ist denn mit dem los?", fragte Sualc verwirrt. Jade sprang von ihrem Stuhl auf und schob sich an Sualc vorbei. Sie lief auf das Fenster zu und öffnete es. „Komm her mein Kleiner.", flüsterte sie und streckte ihren Arm aus. Der Falke krächzte ein weiteres Mal und ließ sich dann vorsichtig auf Jades Arm nieder. Jetzt konnte sie die kleine Tasche erkennen, die auf dem Rücken des Tieres befestigt war und in der sich eine Botschaft befinden musste. Vorsichtig schloss Jade das Fenster und kam zurück zum Tisch, wo der Falke auf die Tischplatte hüpfte. Besorgt öffnete sie die Tasche und holte einen zusammengefalteten Zettel hervor. Raven stellte sich neben sie. „Der kommt aus Isalie, habe ich recht?", fragte sie leise.
„Ein weiterer Angriff?", fragte Evelyn unruhig und versuchte aus Jades Gesichtsausdruck schlau zu werden. Jade überflog hastig die Zeilen und runzelte die Stirn. „Das ist komisch.", murmelte sie. Raven nahm ihr den Zettel aus der Hand und kratzte sich verwirrt am Kopf. „Erlaubt sich da jemand einen Scherz mit uns? Denn dafür bin ich ganz sicher nicht in der Stimmung."
„Wieso was steht denn da?", fragte Feya und riss Raven den Zettel aus der Hand. „Jade, du musst sofort nach Isalie kommen.", las sie laut vor, „Es klingt vielleicht merkwürdig, aber ich schwöre dir, dass ich keine Scherze mache. Ein Mann ist vom Himmel gefallen. Und ja, ich weiß wie das klingt. Gezeichnet, Seline."

„Ein Mann ist vom Himmel gefallen? Bist du dir sicher, dass deine Schwester sich das nicht nur ausgedacht hat? Seline ist bei solchen Dingen ja...etwas sonderbar.", gab Ylva zu bedenken. Jade schüttelte entschieden den Kopf. „So etwas würde sich Seline nie ausdenken.", entgegnete sie und zerknüllte den Zettel mit einer Hand, „Ich finde, wir sollten dem nachgehen."

Raven nickte. „Ich stimme Jade zu. Ich komme auf jeden Fall mit. Wer weiß mit was wir es hier zu tun haben."

Feya sprang vom Stuhl auf. „Ich komme auch mit. Und Sualc wird uns auch begleiten." Sualc schaute bei seinem Namen überrascht auf und deutete mit dem Zeigefinger auf sich selbst. „Ich?"
Raven war mindestens genauso überrascht wie Sualc. „Er? Warum er?" Feya zuckte mit den Schultern. „Er hat gesagt, er will helfen, also wird er das jetzt auch." Raven starrte sie weiterhin ungläubig an. „Das ist doch nicht dein Ernst, oder?" Feya verschränkte trotzig die Arme. „Doch." Raven stieß genervt die Luft aus. Sie wusste, dass es keinen Sinn machte mit Feya zu diskutieren und sie vor allem keine Zeit dafür hatten. „Meinetwegen,", murrte sie und warf Sualc einen missbilligen Blick zu, „Aber benimm dich."

Monara schaute unruhig auf ihre Hände. „Vielleicht steht in den Tagebüchern meines Vaters etwas über das letzte Versteck von Iris.", sagte sie schließlich und beobachtete Evelyn aus dem Augenwinkel. „Ich könnte sie durchsehen, aber ich kann Hilfe gebrauchen." Evelyn fing Monaras Blick auf und nickte. „Ich helfe dir.", sagte sie leise und wandte dann schnell den Blick von ihrer Freundin ab. Ylva sprang von ihrem Stuhl. „Dann komme ich auch mit.", sagte sie schnell. Evelyn schaute zu ihrer Schwester. „Gehst du auch mit Lou?" Diese schüttelte den Kopf. „Ich werde mich weiter um die Verletzten kümmern.", sagte sie leise und ging langsam zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um. „Seid bitte vorsichtig."

Als die anderen aus der Küche verschwunden waren, drehte sich Evelyn seufzend zu Monara. „Wo sind die Tagebücher deines Vaters?", fragte sie und knetete unruhig ihre Hände. Monara rutschte von ihrem Stuhl und erneuerte den Knoten ihres Morgenmantels. „In Hjörnis.", antwortete sie und fuhr sich durch die zerzausten Haare. „Ich ziehe mich um und dann treffen wir uns unten, ok?"

Queens- When darkness fallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt