Kapitel 16

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Dünne Nebelschwaden waberten über die weiten Felder von Isalie. Die roten Sonnenstrahlen suchten sich ihren Weg durch den Morgendunst und brachen sich in dem frischen Morgentau. Sualc sah sich staunend um. „Es ist so wunderschön hier.", murmelte er. Ylva sah ihn spöttisch an. „Hast du etwa noch nie einen Sonnenaufgang gesehen?"

Sualc sog die frische Luft ein. „Noch nie so richtig.", gab er schließlich zu. Ylva wandte schnell den Blick ab und schaute zu Raven, die etwas weiter vorne neben Jade her ritt. Ylva legte den Kopf schief und betrachtete Raven genauer. Etwas war anders an ihr, das war ihr schon seit Längerem aufgefallen, und jetzt wusste sie auch was es war. Ylva hatte Raven als einen sehr zielgerichteten und sturen Menschen mit einer stocksteifen Haltung kennengelernt, der genau wusste was er wollte. Doch nun schien all die Anspannung von ihr abgefallen zu sein. Natürlich, sie war immer noch Raven mit ihrer vorlauten Klappe und der sturen Einstellung. Doch sie wirkte entspannter, wenn man das im Moment überhaupt sein konnte, und vor allem machte sie auf Ylva nun den Eindruck, als wäre ihr das Ganze nicht so egal, wie sie es zuvor zum Ausdruck gebracht hatte. „Vielleicht ist sie ja doch ganz ok.", murmelte Ylva leise. Feya, die dicht neben ihr ritt, sah sie verwirrt an. „Wer?" Ylva schüttelte den Kopf. „Vergiss es."

In diesem Moment schloss Sualc wieder zu den beiden auf und breitete die Arme aus. Glücklich schloss er die Augen. „Es ist so wunderschön hier.", rief er überwältigt. „Warst du etwa noch nie wo anders als in Tizan?", fragte Feya leise. Sualc öffnete seine Augen wieder und sah Feya direkt an. Sein Blick jagte Feya einen angenehmen Schauer über den Rücken. „Nein, war ich nicht. Ich meine, ich war ein oder zwei Mal mit meiner Mutter und meiner Schwester in Cosmo, wenn es mal wieder Markttag war, aber in einem der anderen Reiche war ich noch nie. Und Isalie unterscheidet sich in so vielen Sachen von Tizan. Es ist einfach toll hier. Ich kann es einfach nicht beschreiben."

„Du hast etwas verpasst.", sagte Feya und lächelte Sualc zu. „Wenn das alles hier vorbei ist, werde ich dir jede einzelne Ecke in jedem der Reiche zeigen. Die wunderschönen Berge von Hjörnis, die Unterwasserstadt von Yara und noch so vieles mehr. Vor allem werde ich dir mein Zuhause zeigen. Du wirst Sorin lieben, mit seinen ganzen klaren Seen und den wunderschönen Tieren..." Ylva unterbrach Feyas Schwärmereien. „Wer weiß, ob die Reiche diesen Krieg überstehen werden." Feya funkelte sie wütend an. „Hör auf das alles so pessimistisch zu sehen Ylva!"

Ylva verdrehte die Augen. Aber was, wenn es passieren würde? Wenn sie verlieren würden? Anscheinend machte sich da niemand Gedanken darüber oder ihre Freundinnen versuchten diese Tatsache zu verdrängen. Es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis das nächste Reich angegriffen werden würde. Ylva stutzte und zog an den Zügeln. In der Ferne hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt bereits die Hütten und den großen Palastturm von Isalie erkennen können, doch jetzt hatte sich der Nebel stark verdichtet und Ylva musste sich stark anstrengen, um ihre Freundinnen nicht aus den Augen zu verlieren. Von vorne hörte sie Jades Stimme. „Bleibt dicht zusammen und seid vorsichtig."

Aus dem Augenwinkel konnte Ylva einen Schatten erkennen und musste kurz darauf Sualc ausweichen, der wie aus dem Nichts auf sie zugeritten kam. „Pass doch auf!", protestierte sie. Sualc zuckte nur entschuldigend mit den Schultern und rief: „Sag mal Jade, ist das normal?" Jade biss sich auf die Unterlippe. „Das passiert manchmal.", antwortete sie schließlich. Raven beobachtete sie misstrauisch. „Das passiert nie, habe ich recht?", fragte sie ruhig. Jade seufzte und nickte. „So etwas ist noch nie vorgekommen.", flüsterte sie und zog an Tinjas Zügeln. „Steigt ab!", rief sie ihren Freunden zu und rutschte aus dem Sattel, „Wir laufen das letzte Stück."

Raven tat es ihr gleich und legte eine Hand auf Castiells Flanke, während sich ihre andere Hand zögerlich in Jades schob. Jade schaute unsicher zu Boden und verschränkte ihre Finger mit Ravens. Raven lächelte, auch wenn sie wusste, dass Jade es im Nebel nur schwer wahrnehmen konnte. „Es wird schon nichts passiert sein.", sagte sie leise und drückte Jades Hand etwas fester. „Ich hoffe es.", entgegnete Jade und richtete ihren Blick starr in den Nebel, in der Hoffnung etwas zu erkennen.

Queens- When darkness fallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt