✞︎𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 20✞︎

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Chenle's Eltern haben Samstags zum Glück nicht mitbekommen, dass wir geraucht haben. Ich glaube sogar ich hatte mehr Angst davor als Chenle. Der Kuss aber war.. sogar besser als die Küsse davor. Bei jedem mal fühlt es sich immer besser als davor an. Würde er mich nur öfter küssen- Gestern auf jeden Fall hat er es nicht getan- Aber zumindest hat er mich nicht völlig ignoriert, auch wenn wir die ganze Zeit nur in seinem Zimmer waren. So wie er sonst immer mit mir umgegangen ist, nachdem er mich doch kurz davor noch wie einen Freund behandelt hat, hätte ich ihm zugetraut, dass er mich total ignoriert. Jedenfalls hat es gestern wieder geregnet, also wollten wir nicht rausgehen- oder er wollte nicht mit mir gesehen werden… Er war zwar die meiste Zeit nur an seinem Handy, aber er hat mir oft Sachen gezeigt und mit großen Augen ‘ich will das auch haben’ gesagt… Er ist so süß-

“Kommst du endlich?”, höre ich Chenle’s Stimme von hinter mir, während er im Türrahmen steht. “Ja, nur noch eine Minute.”, antworte ich leicht gestresst, während ich in den Spiegel starre und mir zum fünften mal durch die Haare streiche. Bevor ich es realisiere, steht Chenle schon neben mir. Mit seinen Fingern richtet er ein paar meiner Strähnen. "Was machst du?", frage ich schüchtern.
"Wenn du länger mit deinen Haaren rum fummelst, kommen wir noch zu spät. Du siehst gut aus- Keine Ahnung was für Probleme du mit deinen Haaren hast."
Mit rot angehauchten Wangen schiebe ich ihn etwas von mir weg. "Sie sind viel zu lang- Lass uns jetzt gehen.", meine ich und verlasse das Badezimmer. Er hat gesagt, ich sehe gut aus… Es fühlt sich toll an, so etwas zu hören.
Wir gehen zusammen durch den Gang in Richtung Tür und Chenle fummelt immer noch an meinen Haaren rum. "Wenn du willst, schneide ich sie dir.", bietet er mir gelassen an. Mein Kopf dreht sich schlagartig zu ihm. Chenle will meine Haare schneiden…? Ob das gut geht?- 
"Weisst du denn, wie man das macht?", frage ich verunsichert. 
Ein kleines Schmunzeln zeigt sich auf seinem Gesicht. "Ich bin vielleicht wohlhabend, aber weißt du, ich schneide mir immer selbst die Haare."
Ob er sie auch selbst aufgehellt hat?  Der Schnitt jedenfalls sieht ziemlich gut aus. Alles an ihm sieht gut aus.
Vielleicht kann ich Chenle ja doch dabei vertrauen. 
"Ich überlege es mir."

Wir nehmen unsere Schultaschen, die vor der Tür stehen, auf die Schultern und verlassen die Wohnung. Ich habe meine Sachen gestern geholt. Meine Eltern waren beide nicht da. Wahrscheinlich war meine Mom wieder bei ihrer Affäre. Bis jetzt habe ich Chenle nichts davon erzählt.. Nach allem weiß ich immer noch nicht, ob ich ihm wirklich vertrauen kann… Immerhin ist er ja immer noch Teil der Clique, auch wenn er nicht so wirkt… 
Er ist ziemlich nett zu mir und ich glaube auch nicht, dass Chenle ein schlechter Mensch ist, aber er hat mich schon oft genug enttäuscht.
Warum ist es so schwer, Menschen zu vertrauen..?

Wie ich Chenle gestern gesehen habe- diese Leere.. sie verwundert mich immer noch. Ich würde gerne wissen, was los ist- warum er solchen Hass empfindet. Jedoch bezweifle ich, dass er es mir anvertrauen wird. Ich kenne Chenle zwar noch nicht so gut, aber er ist definitiv jemand, der seine Schwächen nicht zugibt… Er versucht so sehr, sein Leben im Griff zu behalten, dass es ihn langsam zerstört… 

Ich laufe hinter ihm die Treppen hinunter. Bei den letzten paar Stufen wird er immer langsamer. Erst realisiere ich nicht, wieso er das tut, doch dann sehe ich vor mich. Auf der anderen Seite der Glastür steht mein größter Feind- Jaemin. Chenle's gehauchtes 'Scheiße' entgeht mir auch nicht. Jaemin starrt auf sein Handy und scheint uns erst zu bemerken, als Chenle das Haus verlässt und vor ihn tritt. Ich trotte ihm wie ein Schoßhündchen unsicher hinterher. 
Chenle hat wohl vergessen, ihm zu sagen, dass er ihn nicht abholen soll.
Jaemin's Blick, als er mich sieht, ist unbezahlbar. 
Sein Kinn berührt ja fast schon den Boden.
"Hattet ihr 'ne Pyjamaparty?", fragt er deutlich unerfreut über die Situation.
Chenle scheint nervöser zu sein als ich. "Ich kann es dir nicht erklären, aber ich habe meine Gründe. Vertrau mir einfach, Jaemin."
Er plappert also gar nicht, dass ich rausgeschmissen wurde. Vielleicht kann ich ihm ja doch vertrauen.
Jaemin starrt uns misstrauisch an, ehe er sein Grinsen wieder aufsetzt. "Schon gut.", meint er dann einfach und geht los. Er hat doch bestimmt wieder irgendetwas in seinem Kopf ausgeheckt… 

Chenle will ihm nachgehen, doch ich greife leicht an seinen Ärmel, wodurch er mich ansieht. 
"Es tut mir leid…", flüstere ich, so dass es Jaemin nicht hören kann. 
Durch seinen Blick weiß ich, dass er nicht versteht, wofür ich mich entschuldige, also füge ich noch leise hinzu: "- Falls du wegen mir Ärger bekommst…"
Das letzte, was ich will, ist, dass Chenle's Leben meinetwegen zerstört wird. Erst recht, da ich ja nur mehr ein paar Tage hier sein werden. Auch wenn Chenle's Freunde nicht die besten sind, sollte er sie nicht wegen mir verlieren. Ich merke oft, wie sehr er an der Clique hängt und das sollte ihm nicht genommen werden… 
Das letzte mal, als sie mich mit ihm gesehen haben, hat Chenle mich angebrüllt, warum ich hergekommen bin, warum sollte es jetzt okay sein?
"Mach dir keine Sorgen deswegen.", antwortet er genauso leise und schenkt mir erneut ein Lächeln- das Lächeln, was ich so liebe. Seine antwort überrascht mich… Langsam fühlt es sich so an, als würde er anfangen, mich wirklich zu mögen.

Wir folgen Jaemin schweigend. Naja- nur ich schweige. Chenle unterhält sich mit ihm über unzählige Dinge, die ich nicht verstehe. Das meiste sind wohl irgendwelche Insider. Da Jaemin die Konversationen anfängt, zweifle ich gar nicht daran, dass er absichtlich über Sachen redet, wo ich nicht mitreden kann. Wie sehr ich es hasse, dass er bekommt was er will. 
Meine Gedanken driften langsam ab und ich bekomme gar nicht mehr mit, worüber die zwei reden. 
Der einzige Gedanke, den ich im Kopf behalten kann, ist, wie ich in nur vier Tagen in tiefem Wasser ertrinken werde. Der ganze Schmerz- diese ganzen verletzenden Gedanken einfach fort. Keine Beleidigungen mehr. Keine Schläge mehr. Situationen wie diese würden auch nicht mehr vorkommen.
Vielleicht sollte ich es ja einfach heute schon tun… 
Ob sich Chenle freuen würde, dass ich ihn endlich nicht mehr störe? Wie Jaemin ja schon meinte, würde ich jedem einen Gefallen tun, wenn ich einfach sterbe… 
Nicht einmal meine Mom hat es gestört, als ich mir das Messer in die Kehle rammen wollte. Ich musste sie dazu zwingen, ein "Ich hab dich lieb" herauszubringen. Einfach traurig. Wie sehr es weh tut, kann ich nicht einmal in Worte fassen- wahrscheinlich schmerzt es sogar mehr, als wenn ich mich wirklich erstochen hätte… 

Als ich meinen Namen höre, kehre ich in die Realität zurück. Den Satz konnte ich nicht registrieren, doch Jaemin sieht mich auf eine Antwort wartend an. "Was?", frage ich verloren.
Sein Ellbogen landet auf meiner Schulter und er wiederholt: "Ich meinte, ob du dich freust auf Sport heute, da wir nach langem wieder zum Pool schwimmen gehen."
Mit großen Augen sehe ich ihn an. Meine Angst ist bestimmt schon riechbar. "Ist was?", fragt Jaemin grinsend- deutlich wissend, wie ich nach der Party zu diesem Pool stehe. Jaemin's Blick sagt aus, dass er genau das sehen wollte- meine pure Angst. 
Wie als wäre ich seine Beute. Das muss ich wohl auf mich nehmen, dafür dass ich in sein Territorium eingedrungen bin- sein Freundeskreis.
Sein spitzer Ellenbogen drückt immer noch unangenehm in meine verletzliche Haut. Auf seine Frage schüttele ich meinen Kopf. Chenle, welcher mir damals auch beim ertrinken zugeschaut hat, wirft seinem Freund einen bösen Blick zu. Als ich das sehe, muss ich mir ein schmunzeln unterdrücken. Chenle ist jetzt wohl auf meiner Seite.

Nach ein paar Minuten, welche sich wie eine Ewigkeit anfühlen, kommen wir endlich beim Schulgelände an. Es braucht mich nicht lange, um zu merken, dass wir in Richtung Schulhof gehen- höchstwahrscheinlich zu Renjun und Jeno… 
Meine Schritte werden unsicherer und unruhig sehe ich zu Chenle, welcher meinen Blick jedoch nicht erwidert. 
Die Zwei sind wie immer bei den Steinen. Renjun sitzt auf einen dieser und Jeno steht an die Wand gelehnt vor ihm. Bevor wir den Schulhof betreten, greife ich schnell erneut nach Chenle's Ärmel.
"Ich geh schon mal in die Klasse.", meine ich leise und Chenle nickt mir nur kurz zu, ehe er mit Jaemin weitergeht. Nicht einmal ein 'bis später' kommt aus seinem Mund. Er lässt mich einfach dort stehen. Natürlich tut er das- jetzt hat er ja wieder die anderen und braucht mich nicht mehr.
Ich hätte es wissen müssen… 

Habe ich überhaupt das Recht dazu so zu denken? Vielleicht hat er einfach nicht darüber nachgedacht, wie es mich fühlen lässt… Immerhin würde jeder andere nicht so lange darüber nachdenken, wie ich es tue. Ich hasse mich dafür, dass ich durch jede kleine Sache so verletzt bin… 
Eigentlich sollte ich doch daran gewöhnt sein, dass sich niemand für mich interessiert. Sobald man mir einmal positive Aufmerksamkeit schenkt, bekomme ich schon Hoffnungen, weswegen ich dann auch schnell verletzt bin, obwohl ich es ja hätte erwarten sollen. Auch wenn mir das bewusst ist, kann ich nichts daran ändern und es bringt mich um… 

𝑹𝒂𝒊𝒏𝒚 𝑫𝒂𝒚𝒔 / {𝐶ℎ𝑒𝑛𝑗𝑖}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt