✞︎𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 19✞︎

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Wie auch beim ersten mal, als ich hier stand, zittern meine Finger und mein Herz pocht wie verrückt.
Irgendwie komisch, dass ich mich an eine Person wende, die dazu beigetragen hat, dass ich mich so elendig fühle. Vielleicht hat er sich ja wirklich geändert… Aber wenn nicht und er mir heute wieder wehtut, ist es wohl immer noch besser als zu Hause zu sein. Langsam wird es mir wirklich egal, wie oft sie zuschlagen oder was sie zu mir sagen… Ich will nur diese 6 Tage vorbeibringen.

Mein Zeigefinger drückt auf den nassen Knopf der Klingel, wodurch sich die Glastür kurz darauf öffnet. Chenle scheint mich schon erwartet zu haben.
Wieder einmal renne ich die Treppen bis zum 3. Stock hoch und bleibe etwas außer Atem vor seiner Haustür stehen. Sie steht leicht offen. Schnell versuche ich meinen Atem in den Griff zu bekommen und ziehe meine Schuhe aus. Nach einem kurzen zögern betrete ich die Wohnung und schließe die Tür hinter mir. Soll ich etwas sagen?
Gerade als ich unsicher werde, kommt mir Chenle im Flur entgegen.
“Hey..”, begrüße ich ihn ziemlich schüchtern, welches er aber mit einem Lächeln erwidert.
“Meine Eltern sind nicht da, also können wir machen, was wir wollen.”, meint er und kichert am Ende leise.
Der erste Gedanke, der mir dadurch in den Sinn kommt, sollte definitiv nicht der Erste sein.
Etwas verlegen sehe ich weg. “Und was sollen wir machen?”, frage ich leise.
Chenle’s Schritte ertönen dumpf, da er nur Socken trägt, als er sich im Flur fortbewegt und antwortet: “Ist mir egal.”
Ich folge ihm und erwidere: “Mir auch…”

Unser Weg führt uns in sein Zimmer. Das erste, was ich bemerke, ist die kühle Temperatur im Raum und ein leichter Windstoß kommt mir entgegen, da sein Fenster offen steht.
Die Tür fällt ins Schloss und das nächste, was ich spüre, ist, wie ich gegen die Wand geschubst werde.
Ohne überhaupt zu realisieren, was passiert, zucke ich zusammen. Mein Bein hebt sich um meinen Bauch zu schützen, so wie meine Arme mein Gesicht wahren. Mein Herz schlägt so schnell, ich spüre den Puls noch in meinem Hals. Angespannt warte ich darauf, geschlagen zu werden.
Ich wusste, er würde es tun.

Nichts passiert…
Unsicher lasse ich meine Gliedmaßen wieder locker.
Mein Blick landet auf Chenle, welcher vor mir steht und mich irritiert ansieht.
“Hast du etwa gedacht, ich würde dich schlagen?”, fragt er verunsichert.
“Was wolltest du denn sonst machen?”
Langsam beruhigt sich auch mein Herzschlag wieder.
“Ich- vergiss es.”, antwortet Chenle leise und sieht leicht verlegen weg.
Es ist das erste mal, dass ich ihn so sehe- Ist er etwa rot geworden?
Chenle tritt von mir weg und setzt sich auf sein Bett, doch ich lasse nicht locker: “Nein, sag schon!”
“Naja d-du weißt schon- in Filme, w-wenn- du weißt schon- der Junge jemanden an die Wand drückt-- Ich wollte das zum Spaß machen... “ Er ist plötzlich so schüchtern- süß.
Auch ich werde leicht verlegen und sehe ihn etwas stutzig an.
Er will sich entschuldigen, doch ich unterbreche ihn abrupt: “Mach es noch einmal.”
Chenles schüchterner Blick wandelt sich schnell in einen verblüfften um.
“Ich wollte dir den Spaß nicht verderben- du kannst es noch einmal machen.”
Auf meinem Gesicht zeigen sich kurz keine Emotionen, ehe ich nach meinen Worten leicht schmunzle.

Langsam steht er auf und geht auf mich zu. Desto näher er kommt, desto weiter trete ich nach hinten.
Mein Rücken presst gegen die kalte Wand. Seine Hände landen rechts und links neben meinem Kopf.
Wir starren uns in die Augen und vergessen beide das Blinzeln. Ich spüre seinen Atem an meiner Lippe, so nahe sind wir uns. Eigentlich sollte ich nervös sein und vor Verlegenheit hier auf der Stelle in Ohnmacht fallen- aber nein, mir geht es gut- bestens sogar.
Es ist wie als wären wir in unserer eigenen Welt- so wie am Weihnachtsmarkt.
Die Atmosphäre ist so warm…
Der Moment scheint kaum zu enden.
Man würde denken, es endet mit einem Kuss, aber das tut es nicht. Aus dem Nichts fangen wir plötzlich beide zeitgleich an zu lachen. Wie auf Kommando- doch es gab keines. Es ist so idiotisch was wir hier machen, wie kann man da nicht lachen? 

𝑹𝒂𝒊𝒏𝒚 𝑫𝒂𝒚𝒔 / {𝐶ℎ𝑒𝑛𝑗𝑖}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt