✞𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 4✞

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Lautes Lachen und Unruhe ertönt von weitem.
Sie scheinen noch nicht gemerkt zu haben, dass ich auf sie zugehe.
Es hat mich nicht lange gebraucht sie zu finden. Bevor die Schule beginnt, sind sie immer hier in der Ecke des Schulhofs bei den großen Steinen.
Desto näher ich ihnen komme, desto härter krallen sich meine Nägel in die Jeansjacke, welche ich in meinen Armen halte.
Als ich nur mehr ein paar Meter von ihnen entfernt bin, sieht Chenle von seinem Handy auf und starrt mich mit Terror in den Augen an.
Er steht schnell auf und geht auf mich zu.
Nun starren mich auch Jeno, Renjun und Jaemin an.
"Ich wollte-", fange ich an zu flüstern, doch Chenle packt mich am Arm und schreit mich an: "Was fällt dir ein meine Jacke zu klauen??"
Was..?
Meine Augen weiten sich und ich sehe ihn verwirrt an.
Jeno tritt zu uns vor und fragt genervt: "Gibt es ein Problem?"
"Nein.", meint Chenle kalt und Jeno wendet seinen Blick an mich.
Seine Stimme ist leise aber bedrohlich:
"Du klaust jetzt also schon unsere Sachen?"
Etwas ängstlich schüttele ich meinen Kopf und mein Blick wendet sich an Chenle.
Warum macht er sowas..?
"Ich wollte sie zurückgeben,..weil du sie verloren hast...", flüstere ich zurückhaltend.
Chenle zu verraten würde mir nichts als mehr Ärger bringen.

Jeno will mir die Jacke aus der Hand reißen, aber ich halte sie fest in meinen Armen.
In Sekunden hat sich meine Meinung geändert;
Ich will sie nicht wieder weggeben...!
Sie ist das Einzige, das ich habe, was mich glauben lässt, dass sich jemand um mich kümmert.
"Schon gut. Behalte sie.", sagt Chenle mit seinem üblichen kalten Ton.
Jeno sieht ihn verwirrt an und fragt laut: "Du willst, dass dieser kleine Wichser deine Jacke trägt?"
Chenle zuckt mit den Schultern und antwortet: "Jetzt ist sie doch sowieso schon verseucht."
Wie ein Messer stechen diese Worte in mein Herz. Ob er das ernst meint, weiss ich eben nicht...
Ich werde leicht von Jeno geschubst und angschrien: "Jetzt verpiss dich, Schwuchtel!"
Bevor ich mich umdrehe, um zur Klasse zu gehen, treffen sich Chenles und mein Blick.
Etwas in seinem Blick sagt mir, dass es ihm leid tut.
Aber das kann er sich sonst wo hinstecken!
Er hätte mir nichts vorwerfen dürfen!
Ganz ehrlich, was habe ich mir denn erwartet..?
Chenle ist nun mal einer von ihnen und damit kein Stück besser.

Noch immer halte ich Chenles Jeansjacke fest in meinen Armen, während ich meinen Weg fortsetze.
Immerhin durfte ich sie behalten...
Ein leises Seufzen entflieht meinen Lippen.
Nur noch 15 Tage.

-

"Du bist jetzt also auch noch ein Dieb?"
Jihyo flüstert, macht dies aber extra so laut, dass es sowieso fast jeder hören kann.
Ich versuche sie zu ignorieren, während ich verzweifelt probiere, die Rechnung zu lösen.
Es fühlt sich so an, als würde mich dank ihr jeder anstarren...
Vielleicht war es eine schlechte Idee, die Jacke auch noch anzuziehen..
Ich fühle mich nur irgendwie sicherer mit ihr.

Plötzlich ertönt in der Unruhe der Klasse Jaemins Stimme:
"Er hat sie bestimmt gestohlen, weil er sich selbst keine leisten kann."
Bevor ich es wirklich bemerke, wird der Griff an meinem Kugelschreiber fester und meine Fingerknöchel färben sich weiß.
Noch immer schweige ich.
Wüssten sie doch nur die Wahrheit...
Ich will nicht sagen, dass Chenle sie mir gegeben hat, weil ich seinen Ruf nicht schädigen will.
"Da hast du wahrscheinlich recht, Nana~", meint jetzt auch noch Haru aus der letzten Reihe.
Dass ich den Fehler in meiner Rechnung zu fest und lange durchstreiche, merke ich erst, als meine Seite einen fetten Riss bekommt.
Mein Griff löst sich und der Kulli rollt zu Boden.
Wie versteinert starre ich auf die zerrissene Heftseite und spüre wie mein Atem langsam schwerer und das Verlangen mich zu übergeben immer größer wird.
Hätten sie einfach ihren Mund gehalten, wäre das nicht passiert!

Ein leises Kichern ertönt und ich merke, wie Jihyo dazu ansetzen will etwas zu sagen, doch ich unterbreche sie mit unüberhörbar lauter Stimme:
"Halts Maul, Schlampe!!"
Jetzt fühlt es sich nicht mehr nur so an als würde mich jeder anstarren, sondern jetzt tun sie es wirklich.
Jeder ist plötzlich leise.
Es ist wie in einem Film oder einem Manga.
Totenstille und so viele Blicke.
Mein schneller Herzschlag ist für ein paar Sekunden das Einzige, was ich hören kann.
"Was sollte das denn, Jisung?", fragt mein Mathelehrer aufgebracht.
Wieder bekomme ich Ärger, obwohl die anderen doch angefangen haben!
Deswegen wehre ich mich nie. Ich bin die Schuld. Immer. Ich hasse es...
"Sie hat damit angefangen!", versuche ich mich rauszureden. Meine Stimme ist immer noch ungewohnt laut.
"Wir sind hier nicht im Kindergarten, Mr Park."
Nein, das sind wir nicht- so fühle ich mich aber. Jedem wird beigebracht gerecht zu sein, werden aber selbst nicht fair behandelt.
Dass ich nichts mehr sagen werde, ist klar- dafür schweige ich jetzt schon zu lange.
Mein Lehrer muss aber natürlich noch einen Kommentar nachschieben: "Wärst du nur im Unterricht auch mal so willig zu reden, wie jetzt gerade.."
Ich dachte schon sie würden wieder wegsehen, aber nein. Dank ihm starren sie mich nur wieder an. Auch als er den Unterricht fort fährt, merke ich noch Blicke an mir haften.
Jaemins fettes Grinsen ist unübersehbar.

𝑹𝒂𝒊𝒏𝒚 𝑫𝒂𝒚𝒔 / {𝐶ℎ𝑒𝑛𝑗𝑖}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt