✞︎𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 7✞︎

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Ich habe mich entschieden zu schwänzen.
Meine Eltern wollen, dass ich mich wie die anderen verhalte? Da haben sie's.
Dann rebelliere ich halt auch, so wie die ganzen respektlosen Teenager in meiner Schule.
Normalerweise würde ich gar nicht auf die Idee kommen, mich so zu verhalten, aber ich bin wütend- wütend auf alles und jeden. Wenn mich auch nur irgendjemand schief ansieht... Ich könnte ausrasten.
Obwohl ich oft gereizt bin, ist es diesmal irgendwie anders.
Diesmal fühle ich mich würdig genug, zu zeigen, wie ich mich fühle.
Denn verdammte Scheiße, ich bin doch auch nur ein Mensch!

Vorsichtig schließe ich die Haustür hinter mir und ziehe meine Schuhe aus.
Es ist niemand zu hören...
Vielleicht schläft meine Mutter noch. Mein Dad sollte allerdings schon wach sein.
Wahrscheinlich ist er oben und macht sich für die Arbeit fertig.
Leise und unauffällig will ich die Treppen zu meinem Zimmer hochgehen, ohne dass ich mich vorher noch einmal umsehe. Dabei werde ich aber von einer Stimme aufgehalten:
"Wo warst du?"
Für eine Sekunde erstarre ich, folge dann aber mit meinem Blick dieser Stimme und sehe meine Mom im Wohnzimmer stehen.
Sie ist aufgebracht. Das kann man gut in ihrem Gesichtsausdruck erkennen.
Ihre Stimme hingegen ist verunsichernd ruhig.
"Offensichtlich nicht hier.", antworte ich bissig.
So etwas habe ich noch nie getan.
Ich war noch nie frech zu meinen Eltern...
Dazu hatte ich ja nie einen Anlass, weil das hier nicht ich bin.
Erst abhauen, dann respektlos sein? Nein, das bin ich nicht.
Aber es gefällt mir irgendwie.
So wie ich mich kenne, wäre ich jetzt in mein Zimmer gelaufen, aber nein, ich bleibe genau hier stehen und starre ihr in die Augen.
Meinen schnellen Herzschlag ignoriere ich so gut wie möglich.
Ich darf jetzt nicht einknicken und wieder zum Schwächling werden!

Dieses klitzekleine Gefühl von Macht, selbst über mein Leben entscheiden zu dürfen... es gefällt mir. Sollte ich nicht alt genug dafür sein? Sollte ich nicht selbst Entscheidungen treffen können? Diese unbändige Wut, sie steigt in mir hoch. Ich gebe nicht Chenle hierfür die Schuld, aber er hat mir den Rest gegeben.
Er ist nicht mein Freund.
Wie oft dieser scheiß Satz sich schon beim Nachhauseweg in meinem Kopf wiederholt hat... Unzählige Male.

Nie habe ich es mir erlaubt auch nur ein bisschen rebellisch zu sein. Vielleicht sollte ich es einfach noch etwas genießen, bevor ich mich umbringe. Damit ich nicht völlig in Vergessenheit gerate...
Wenn sie schon nicht wertschätzen wie brav und zurückhaltend ich bis jetzt war, dann sollen sie halt negativ über mich denken und reden. Ist mir doch egal. Was sollen sie machen? Geld bekomme ich von ihnen sowieso keines und rausgehen tue ich auch nicht oft.
Bald ist schon mein Geburtstag.
Wenn ich dann weg bin, macht es für sie wahrscheinlich keinen Unterschied.
Denken sie wirklich, mir wäre in den ganzen Jahren nie aufgefallen, dass nur zwei Stühle am Esstisch stehen? Oder dass zu wenig Geschirr im Haus ist und mein Zimmer sich im Dachboden befindet, weil mein Dad sein Büro nicht für mich weggeben wollte?
Nein, so blind bin ich nicht...

Ein stechender Schmerz reißt mich aus meinen Gedanken.
Geschockt lege ich meine Hand auf meine Wange, auf der ich ein schmerzvolles Kribbeln spüre.
Mit geweiteten Augen sehe ich meine Mutter an.
Sie hat mich geschlagen.
In ihrem Blick erwarte ich ein Zeichen von Bedauern, welches ich aber nicht auffinde. Wut ist das Einzige, was ich in ihrem Gesicht sehen kann. Sie will etwas sagen, doch ich unterbreche sie:
"Du bist eine schlechte Mutter.", sage ich ruhig und angewidert, ehe ich in mein Zimmer hinauf gehe und die Tür hinter mir zuknalle.

In Sekunden steigt meine Wut von meinem Verstand in meinen Körper und alles fängt an zu kribbeln. Ich hasse dieses Gefühl, denn ich weiß nie, wie ich damit umgehen soll.
In solchen Momenten würde ich mich gerne selbst verletzen, um die Aggressionen zu stillen. Davor habe ich aber zu viel Schiss...
Ich habe Angst vor Schmerzen.
Hatte ich immer schon...
Oft ramme ich einfach meine Nägel in mein Fleisch, so wie gerade eben, was mir gerade auffällt. Es tut nicht so weh wie ein Schnitt mit einer Klinge.
Meistens hilft es, aber in diesem Moment ist es nicht genug...
Ich spüre wie meine Beine anfangen zu zittern, doch ich denke nicht einmal daran, mich zu setzen.
Ruhe. Genau das brauche ich jetzt.
Nur 10 Sekunden einfach weg sein- nichts tun.

Aber meine Gedanken wollen nicht gehen.
Sie wollen mich nicht runterkommen lassen.
Ich hätte das nicht sagen sollen.
Warum konnte ich nicht einfach meinen Mund halten??
Wäre ich einfach zuhause geblieben, wäre das alles nicht passiert!
Mein Atem wird lauter und schneller.
Das Verlangen mich zu übergeben ist auch zurück.
Plötzlich bin ich wieder so schwach.
Ich bin wieder ich... die Person, die ich am meisten hasse...

Ein Knarren und mein Kopf wendet sich der Tür zu. Mein Vater steht dort.
Er fängt ruhig an zu sprechen: "Was sollte das?" Meiner Meinung nach zu ruhig.
Auch wenn er meist still ist, kann ich seine Wut schon spüren.
Kann er mich nicht einfach alleine lassen, so wie er es den Rest meines Lebens getan hat?!
Vielleicht sollte ich doch einfach jetzt schon sterben. Was bringt es mir überhaupt, auf meinen Geburtstag zu warten?
Ich bin doch sowieso der Einzige, den es interessiert, wann dieser Tag ist.

Ich bin so sehr in Gedanken versunken, dass ich sogar vergesse ihm zu antworten.
Er fasst mich am Arm, doch ich reiße mich aggressiv von ihm los.
"Es interessiert dich ja sowieso nicht!", brülle ich ihn mit Tränen in den Augen an und weiche einen Schritt zurück.
"Warum verhältst du dich so?", fragt er immer noch mit dieser beschissenen, ruhigen Stimme.
Normalerweise sollte eine ruhige Stimmlage beruhigend sein, doch seine Stimme ist einfach nur verurteilend.
"Lass mich einfach in Ruhe!", sage ich leise und versuche mich zurückzuhalten, nicht wieder in Tränen auszubrechen.
Während er wieder auf die Tür zugeht, meint er kalt:
"Gut. Dann hast du eben Hausarrest, bis du dich wieder normal benehmen kannst!
Ob du heute noch in die Schule gehst, ist deine Sache. Du musst ja alles nachschreiben, nicht ich."
Kurz darauf schließt sich die Tür und ich stehe wieder alleine in meinem Zimmer.
Ich verstehe ihre Taten einfach nicht..
Wenn ich einen guten Test nach Hause bringe- nichts.
Wenn ich mal wieder ohne Aufforderung die Küche geputzt habe- nichts.
Aber wenn ich einmal eine Kleinigkeit falsch mache, bin ich plötzlich ihre Aufmerksamkeit wert...

Ich setze mich an den Rand meines Bettes und starre auf meinen Arm hinab.
Deutliche Kratzer und Abdrücke meiner Nägel sind auf meiner blassen Haut zu sehen. Bald verschwinden diese Spuren sowieso wieder.
In meinen Gedanken wiederholt sich dieser ganze Morgen, doch für jetzt will ich mich auf die Worte meines Vaters konzentrieren.
Ich hab also Hausarrest...
Rausgehen tue ich ja sowieso nicht, also ist es es mir egal...
Natürlich könnte ich morgen nach der Schule draußen bleiben- einfach aus Prinzip, aber was würde es mir bringen?
Es wird alles viel einfacher sein, wenn ich mich wieder normal verhalte und alles einfach über mich ergehen lasse.
Vielleicht ist es ja besser so, wenn mich niemand bemerkt.
Ich muss einfach aufpassen, dass ich keine Scheiße baue und alles wird okay werden...
Es sind ja nur noch 14 Tage...

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Okay ich habe jetzt seit 2 Wochen oder so versucht kapitel 10 zu schreiben und obwohl ich Ideen habe komme ich nicht weiter oof.
Also habt bis ich fertig bin dieses Kapitel lf, weil das letzte Update schon lange her is.

𝑹𝒂𝒊𝒏𝒚 𝑫𝒂𝒚𝒔 / {𝐶ℎ𝑒𝑛𝑗𝑖}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt