Die Haustür öffnet sich vor mir, bevor ich überhaupt den Schlüssel aus meiner Jackentasche gekramt habe.
Rote Stöckelschuhe, dazu ein passendes enges Kleid, eine schwarze Handtasche an ihrer rechten Schulter und ihre Lippen genauso rot wie ihre Kleidung.
"Ich dachte du wärst in deinem Zimmer-", gibt meine Mutter etwas befangen von sich.
"Nein-" Ich dränge mich an ihr vorbei und betrete das Haus. "Wohin gehst du?"
"Geht dich nichts an."
Im Gang ziehe ich mir meine blauen Sneaker aus und hänge meine Herbstjacke, welche viel zu dünn für die jetzigen Temperaturen ist, an den Kleiderhaken. Auch meinen Pullover ziehe ich aus, da es im Haus eigentlich immer ziemlich warm ist.
"Okay.." Natürlich trifft sie sich mit einem Mann- so dumm bin ich auch nicht. "Ich schlafe heute bei einem Freund."
Ihre Stimme wird wieder strenger. "Das habe ich dir nie erlaubt!"
Langsam gehe ich auf die Treppe zu und ohne kurzes Nachdenken, meine ich dann etwas schnippisch: "Ich wette Dad hat dir auch nie erlaubt, dich mit einem anderen Mann zu treffen."
An ihrem panischen Blick erkenne ich, dass ich wohl wirklich richtig liege.
"Mach was du willst, aber gerate nicht in Schwierigkeiten!", ist das letzte, was ich von ihr höre, bevor sich die Tür schließt und ich schließlich alleine im Haus stehe.Entspannt gehe ich die Treppen hoch und trete in mein Zimmer. Erst als ich dann in diesem kleinen Raum stehe und kurz meine Gedanken sammle, realisiere wirklich, dass meine Mom.. meinen Vater betrügt. Ich weiß nicht wirklich, was ich davon halten soll- die Familie ist ja sowieso schon zerstört.
Freuen tue ich mich nicht darüber… aber ich bin auch nicht wirklich wütend. Irgendwie verstehe ich sie ja… Wenn man in diesem Haushalt wohnt, sehnt man sich nach Liebe, die man hier eben nicht bekommt. Wäre ich sie, würde ich ihn auch betrügen- Ich halte eigentlich nichts davon, aber ich will mir gar nicht erst vorstellen, wie mein Dad reagieren würde, würde meine Mom ihn verlassen wollen.Aber irgendwie habe ich Angst.
Was wenn sie mit diesem Typen abhaut?
Würde sie mich einfach hier lassen?
Dieser Gedanke lässt meine Augen feucht werden.
Vor kurzem hat sie mich noch Sohn genannt- würde sie mich also einfach so zurücklassen? Immerhin wollte sie nie, dass ich hier bin. Sie wäre doch froh, wenn sie mich endlich los wäre- gut, dass sie nur mehr eine Woche warten muss…Wie immer wische ich die salzigen Tränen in mein T-shirt.
Meine Hand greift nach dem kleinen, braunen Rucksack, welchen ich seit Jahren unter meinem Bett verstecke. In ihm befinden sich noch kleine Spielzeugautos, welche ich, als ich wahrscheinlich nicht älter als 10 war, vom Spielplatz geklaut habe.
Sie sehen ziemlich abgenutzt und alt aus.
Die habe ich glatt vergessen…
Meine Eltern haben mir nie Spielzeug gekauft, obwohl ich immer welches wollte- deswegen habe ich die Autos einfach mitgehen lassen. Sie durften es natürlich nicht wissen, deswegen habe ich den Rucksack immer unter meinem Bett versteckt. Früher war ich zumindest etwas glücklicher, wenn ich damit gespielt habe, aber jetzt fühle ich mich irgendwie schlecht deswegen…Die 5 Autos lege ich in die Schublade meines Nachttisches. Fast stöße ich dabei das Glas Wasser um, welches seit gestern noch immer halb voll auf diesem steht. Meine Mom hat es mir gebracht… Daraus getrunken habe ich jedoch nicht.
In den Rucksack packe ich als Schlafzeug ein weißes T-Shirt, eine Blaue Shorts und Unterwäsche- dazu kommen später noch Zahnbürste und Zahnpasta.
Bevor ich mich deswegen auf den Weg ins Bad mache, sehe ich mich noch einmal kurz um.
Brauche ich noch etwas? Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich etwas vergesse…Im Badezimmer hole ich dann das Nötige. Um sicher zu gehen, dass ich nichts hier lasse, sehe ich auch noch kurz in den Schrank über dem Waschbecken, wo ich sonst eigentlich nur meine Uhr darin hatte. Sobald ich das Kästchen öffne- wofür ich auf Zehenspitzen stehen muss- springen mir die Tabletten ins Auge, die auf dem obersten Regal liegen.
Ich nehme die Schachtel in die Hand und betrachte sie. Es sind Beruhigungsmittel- Benzodiazepine um genau zu sein.. Ob sie meiner Mom oder meinen Dad gehören, weiß ich nicht…
Eine Weile starre ich sie an, bevor ich sie wieder vorsichtig zurücklege.
Der Drang sie zu schlucken ist ziemlich groß…
Vielleicht würde es mir beim Einschlafen helfen, aber ich sollte lieber meine Finger davon lassen…
Würde ich zu viele schlucken, könnte ich sterben.. aber wenn es dafür nicht genug sind, könnte das bestimmt schlimme Folgen haben…Der Kasten schließt sich, meine Fersen landen wieder am Boden und mein Gesicht ist dem Spiegel gegenüber. Die Augenringe werden nicht wirklich besser… Will ich wirklich so zu Chenle gehen? Ich bin im Gegensatz zu ihm doch so hässlich… Wenn ich ihn ansehe, erkenne ich keinen einzigen Fehler- irgendwie unfair.
Meine Hand fährt durch meine langen, schwarzen Haare, welche ich unbedingt einmal wieder schneiden sollte.
Warum Chenle wohl seine Meinung geändert hat…?
Seufz… Naja zumindest habe ich heute einen Schlafplatz, wo ich keine Angstzustände habe, dass jeden Moment jemand reinkommen könnte und mich anschreit. Chenles Mutter ist sogar wirklich nett… Sie könnte mich gerne adoptieren, wenn sie will.
Mit zerschlagenem Ausdruck sehe ich in die Augen meines Spiegelbildes. Nur wenige Zentimeter trennen das echte Ich von dem Glas. Meine Stirn lehne ich an die kalte Scheibe, seufze leise und schließe dann meine Augen. Chenle hat keinen einzigen Grund, nett zu mir zu sein, aber er ist es trotzdem- für mich ist er ein Gott dafür.
Meine Stirn bricht den Kontakt zur Scheibe, nur um wenige Sekunden danach mehrmals leicht dagegen zu prallen.
Bitte enttäusch mich nicht, Chenle…
Sag mir, dass du es diesmal ernst meinst-
Versprich mir, dass du mich nicht verarscht…
Erneut seufze ich. Könnte ich ihm das nur ins Gesicht sagen…Da ich alles nötige habe, nehme ich meinen Rucksack, stelle die Träger ein und lege einen davon um meine linke Schulter. Die Uhr im Wohnzimmer zeigt 16:31. Wenn ich langsam gehe, sollte es sich ausgehen, dass ich ein paar Minuten nach 17 Uhr dort bin. Wenn ich genau gleich wie Chenle kommen würde, wäre das ja irgendwie peinlich…
Im Flur ziehe ich dann meine Schuhe an, nehme meinen Schlüssel und verlasse das Haus.
Erst als mir der kalte Wind entgegen kommt, realisiere ich, dass ich nur ein T-Shirt trage. Kurz überlege ich noch einmal umzudrehen, aber ich bin auch sonst immer nur im T-Shirt draußen, also was soll’s.
Bei Chenle ist es dann ja sowieso warm…---
I'm sorry dass es so kurz und langweilig geworden ist :((
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𝑹𝒂𝒊𝒏𝒚 𝑫𝒂𝒚𝒔 / {𝐶ℎ𝑒𝑛𝑗𝑖}
FanficJisung wird bald 16 und für seinen Geburtstag hat er nur ein Ziel im Kopf; der Tod. Jedoch erzählt er dies niemanden. 16 Jahre lang wurde er von seinen Eltern und der restlichen Welt wie ein niemand behandelt. Dazu kommt noch, dass er seit vier Jahr...