✞︎𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 26✞︎

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Das nasse Gras streichelt meine gefrorene Wange, während ich müde auf die weißen Schneeglöckchen, die meine Mutter diesen Herbst eingepflanzt hat, starre. Sie blühen wunderschön. Ich habe sonst nie auf unseren Garten geachtet. Meine Mom hat mir früher auch gar nicht erlaubt, hier raus zu kommen- Sie hatte Angst, ich würde ihre Blumen kaputtmachen. Ich wünschte ich hätte dem Garten schon eher Aufmerksamkeit geschenkt… 

Mit nur einer Bewegung liege ich jetzt auf meinem Rücken. Meine Hand greift nach der Zigarettenschachtel, die ich vorhin aus der Schublade in der Küche entnommen habe. Der Karton ist dank der Nässe schon etwas weich. 
Ich nehme eine der Zigaretten heraus, lege sie zwischen meine blauen Lippen und zünde sie an. 
Meine Eltern sind nicht hier. Wo meine Mutter wohl ist? Einkaufen? Spazieren? Bei ihrem Freund?
Aber auch wenn sie mich beim Rauchen erwischen würden, wäre es mir egal. Ich mache heute, was ICH will. Auch wenn das heißt, dass ich diese ganze Packung rauchen werde, nur damit ich mich für einen Moment besser fühle. 
Aber auch hierbei denke ich an Chenle. Es war unser erstes Mal… Er wollte mit mir das erste mal rauchen.
Dennoch ist er nicht besser als seine Freunde… 
Verdammtes Arschschloch.

Ich meinte, ich will heute nicht mehr leiden und das meinte ich damit. Nur für heute denke ich einmal nicht daran, wie sich die anderen fühlen. Ich bin wütend auf Chenle- und ob er das verdient hat oder nicht, ist mir gerade scheiß egal. 
Still betrachte ich den Rauch, der aus meinem Mund kommt. Mein "glücklich sein" ist anders als man sich es vielleicht erwartet. Gerade bin ich zufrieden, auch wenn ich am liebsten heulen und Jaemin und auch den anderen die Fresse polieren würde. 
Ich bin zufrieden, weil es eine Erleichterung ist, seine Gefühle nicht verstecken zu müssen, nur um anderen zu geben, was sie wollen. Mein Herz ist gebrochen und anstatt zu sagen, dass ich es verdient habe, bin ich verärgert- wie ein ganz normaler Teenager. Normal.. Fickt euch doch alle mit diesem Wort. Hätte mich jemand je "normal" behandelt, wäre ich jetzt vielleicht auch "normal".
Aber nein, alles muss immer meine Schuld sein… 
Nur ich mache Fehler, richtig?
Bullshit...aber ich bin der Einzige, der seine Fehler einsieht.
Meine Unterlippe fängt leicht an zu zittern, jedoch stoppe ich es, indem ich die Zigarette wieder zwischen meine Lippen lege. 
Hier zu liegen, zu rauchen und in den Himmel zu starren hat etwas ästhetisches… Vielleicht mache ich es ja nur deswegen- für das Gefühl von etwas Schönem. Natürlich auch weil es den Stress reduziert… auch wenn es schlecht für meinen Körper ist. Aber das ist inzwischen ja egal… 
Dazu hasse ich meinen Körper sowieso.
Am liebsten würde ich an dem Rauch ersticken.

Meine Wut strömt durch meinen ganzen Körper. Wieso habe ich Chenle vertraut? Wie habe ich je in meinem Leben glauben können, dass ich eine Zukunft mit Chenle haben könnte. Ich hasse mich selbst so sehr dafür und hätte mich sogar noch mehr gehasst, hätte ich mich für ihn statt den Tod entschieden. Immer habe ich mir eingeredet, dass ich mich umbringe, damit sich die anderen besser fühlen, nur weil ich nicht glauben wollte, dass ich etwas für mich selbst tue- weil ich nicht glauben wollte, dass ich einfach nur vor den Problemen wegrenne und ich derjenige bin, der am meisten will, dass ich von hier gehe… 
Jetzt gebe ich es zu.. Ja, ich will die anderen nicht mehr stören,  aber ich will auch nicht mehr leiden müssen. Ich bin es so satt… Ich will nur, dass alles endlich aufhört. Mir egal, ob es egoistisch ist, wenn ich gehe, damit auch ich nicht mehr gestört werde. 
Jeden Tag habe ich versucht mein Bestes zu geben… nur um die Leute glücklich zu machen, die mich hassen. 

Alles was ich je wollte, waren Freunde- Leute die mich schätzen- mich hier haben wollen und es mögen, wenn ich bei ihnen bin. Das habe ich jedoch nie bekommen. In meinem Leben gab es immer nur Hass mir gegenüber...bis Chenle angefangen hat, mir etwas vorzuspielen. Was ich alles tun würde, um seine wahren Gefühle und Gedanken zu erfahren- einfach um die Wahrheit hinter all dem zu wissen. 
Auch wenn ich ihn hassen sollte und endlich verstehen sollte, dass nichts in den letzten Wochen echt war.. liebe ich ihn und kann die Hoffnung nicht aufgeben, dass mindestens einer dieser Küsse, Umarmungen oder Entschuldigungen eine Bedeutung hatte. 
16 Jahre und noch immer habe ich keinen blassen Schimmer, was jeder an mir hasst… Ich kann auch gar nicht sagen, was genau ich selbst an mir hasse- man tut es einfach. 

𝑹𝒂𝒊𝒏𝒚 𝑫𝒂𝒚𝒔 / {𝐶ℎ𝑒𝑛𝑗𝑖}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt