Mein allerliebster Jesse,
Diesen Brief zu schreiben, ist mir so unendlich schwer gefallen. Fangen wir einfach mal am Anfang unserer Geschichte an: du hast um genau 5:54 Uhr an meiner Tür geklopft und gefragt, ob ich rüberkommen könnte. Natürlich habe ich zugestimmt. Und dann ging das ganze los. Weisst du, wenn du gewusst hättest, dass ich hören konnte wie du mit James über mich geredet hast, hättest du wohl nicht so geredet. Aber ich habe weder gelacht, noch geweint. Ich habe einfach nur still zugehört. In meinem Kopf spukten tausende Gedanken umher. Werde ich auch jemals so für jemanden empfinden? Vielleicht sogar für dich? Ja, Jesse, für dich. Ich empfinde dasselbe für dich. Eigentlich war ich weder Schwul, noch Bi. Blues Meinung nach bin ich Jesse - sexuell. Auch gut. Es ist mir so verdammt schwer gefallen, diese Welt zu verlassen. Weisst du, sie birgt so viele schreckliche Dinge, doch dann behütet sie auch Dinge wie die wunderschöne Natur, Blue und James und natürlich Sammy und dich. Aber ich habe es getan, damit meine Brüder leben können. Ich hoffe inständig, dass sie nun ein eigenes Leben führen können. Andererseits hätte ich mir das nie verzeihen können. Nie. Ich liebe dich, Jesse. Lebe einfach weiter. Hebe dein Kinn, lächle und sag: ,, Ich habe vielleicht Noah verloren, aber der Rest der Welt ist noch da. Ebenso wie ich." Denn genau das sollst du tun: weiterleben. Die Welt dreht sich auch ohne mich. Ich bin nicht mehr da, aber du schon. Mache das, was du schon immer tun wolltest, mit einem Menschen, der dir viel bedeutet. Such dir einen neuen Freund, der dich täglich in den Arm nehmen und küssen kann. Denn ich kann es nicht mehr. Und dafür hasse ich mich.
Denk immer daran, Jesse: ich liebe dich. In liebe, Noah
Die viel zu weissen Zähne meiner Seelenklempnerin, Ms Hope, machten mich verrückt. Verzweifelt suchte ich irgendeine kleine Macke an ihnen, jedoch fand ich nicht einmal die kleinste Verfärbung, keinen einzigen Sprung. Sie waren genauso makellos wie die von Noah. ,, Also, Jesse, sie wollten mir doch unbedingt etwas sagen.", drängte sie mich. Schnell sah ich auf. Es kam wohl nicht oft vor, dass ein Klient mitten in der Nacht bei ihrer Praxis klingelte. Ich zögerte lange. Ja, ich wollte ihr unbedingt etwas sagen. Würde ich den ganzen Schmerz weiterhin in mich hineinfressen, würde ich das nicht überleben. Also erzählte ich es Ms Hope. Vom Anfang bis zum Ende. ,,... Und dann kamen wir nach Hause. Die anderen blieben noch unten und tauschten ihre Erlebnisse aus, aber ich wollte nur zu Noah. Also lief ich in unseren Trakt. Irgendwie habe uch gespürt, dass etwas nicht nach Plan verlief. Und da sah ich ihn: seine Leiche lag in einer Blutlache - seiner Blutlache. Aus der Stelle, an dem sich das Herz befinden müsste, ragte ein handliches Schnitzmesser aus seiner Brust. Sein sonst wunderschönes Haar war nur von rotem Blut verklebt und fiel ihm strähnig ins bleiche Gesicht. Auf seiner Blutlache schwammen ein paar Couverts, welche vom Blut getränkt waren. Den blauen Pulli den er trug, war unverkennbar meiner. Ich hatte ihn ihm geschenkt, weil er sich immer aufregte, weil er nur unbequeme Anziehsachen hatte. Ich war unfähig mich zu rühren. Unfähig zu schreien. Unfähig zu weinen. Unfähig zu ihm zu rennen und ihn versuchen zu retten. Unfähig mich in irgendeiner hinsicht zu bewegen. Dann ging alles ganz schnell. Tiffany Marson, unsere Pflegerin, kam schreiend in den Flur und hat die ganze Klapse auf Nos Leiche aufmerksam gemacht. Da konnte ich nicht mehr. Neben Noah bin ich weinend zusammengebrochen. Man hat mich mit Noah ins Krankenhaus gebracht. Doch für ihn war es längst zu spät. Der Authopsie nach, war er bereits zwei Stunden lang tot, als ich ihn fand. Wissen sie, Noah war nicht einfach nur mein Flurnachbar, auch nicht nur ein Freund. Mit ihm habe ich die Liebe meines verdammten Lebens verloren."
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Faces
RandomDrei Namen, Drei Persönlichkeiten, Ein Junge. Was, wenn Noahs dissotiative Persönlichkeitsstörung eben nicht nur eine psychische Erkrankung ist?