Kapitel 11

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„Woher kommst du, wenn nicht von hier?", fragte Nathan. Wir liefen nebeneinander die Princes Street entlang.
„Ich komme eigentlich von hier, wohne aber schon einige Jahre in London.", sagte ich.
„Ah. Also ein Besuch in der Heimat."
„Sozusagen.", mehr musste er nicht wissen. Schließlich war er ein Fremder. Wenn auch ein sympathischer, gut-aussehender. „Und du?"
„Ich wohne hier. Aber meine Familie lebt in New York. Ich bin vor ein paar Jahren hier gezogen.", ich wand ihm meinen Kopf zu.
„Du kommst aus Amerika in das regnerische Schottland?", überrascht starrte ich ihn an. „Wieso?", wollte ich wissen.
„Studium.", er zuckte mit den Schultern. „Die Uni ist ziemlich gut und ich wollte so und so aus Amerika weg. Die Welt sehen.", das konnte ich gut verstehen.
„Und wieso gerade Schottland? Ich meine, du könntest doch überall auf der Welt studieren, oder?"
„Klar. Aber mich hat Schottland, und auch England und Irland, schon immer fasziniert. Meine Eltern sind hier aufgewachsen.", erklärte er.
„Das glaube ich dir. Ich habe diese Insel noch nie verlassen.", gestand ich. „Aber weil es so schön hier ist, stört es mich auch nicht wirklich.", fügte ich hinzu. Jetzt drehte Nathan seinen Kopf zu mir und schaute mich überrascht an. „Noch nie? Aber die Welt ist doch so groß. Hattest du nie den Wunsch, mal etwas anderes zu sehen?", fragte er dann.
„Doch schon. Aber die Möglichkeit bestand nie wirklich und dann war es auch irgendwie keine Option.", ich zuckte mit den Schultern lächelte ihn an.
„Wow. Gibt es denn ein Land, was dich besonders interessieren würde? Ich meine, wenn die Möglichkeit bestehen würde.", er zwinkerte mir zu. Ich lachte.
„Ja. Frankreich. Am liebsten in den Süden. Ich glaube, da ist es sicher ganz schön. Vor allem warm.", der Gegensatz zu dem kalten, nassen Schottland und England.
„Das ist es. Südfrankreich ist einer der schönsten Orte, an denen ich je war."
„Du warst schon mal da?", fragt ich mit großen Augen.
„Naja... ich war schon fast überall.", gestand er mit einem unschuldigen Blick. „Ich hatte Glück.", erst verstand ich nicht sofort, doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
„Ah. Ok. Reiche Eltern?", fragte ich.
Er lächelte ergeben und nickte. „Jap..."
„Das ist wohl wirklich Glück.", die Trauer in meiner Stimme konnte ich nicht verbergen, so schnell war der Satz ausgesprochen.
Wie wäre mein Leben gewesen, mit meinen Eltern?
„Alles gut?", er sah mich mit zusammengezogen Augenbrauen an.
„Ja. Ja klar. Alles ok. Ich musste nur gerade an meine Eltern denken.", ich blieb stehen, da wir vor unserem Hotel angekommen waren.
„Also. Hier wohne ich. Zumindest noch bis morgen.", sagte ich.
„Es war schön dich kennenzulernen, Clara.", Nathan schenkte mir ein unwiderstehliches Lächeln.
„Ja. Danke, dass du mich begleitet hast.", ich lächelte ihn ebenfalls an.
„Gern.", er blickte an mir herunter und blieb an seinem Schal um meine Schultern hängen.
Ich folgte seinem Blick.
„Oh ja. Dein Schal.", schnell nahm ich ihn ab und hielt ihm ihn hin.
Er nahm mir den Schal aus der Hand. „Nein, behalt ihn.", er legte ihn mir wieder sanft um die Schultern und blieb nah vor mir stehen.
Seine Augen leuchteten so hell und zogen mich hinein. Mein Blick glitt über sein Gesicht.
Auch seine Augen rutschten tiefer und blieben auf meinen Lippen hängen.
„Ich würde dich gerne wiedersehen.", flüsterte er, ohne seinen Blick von meinen Lippen zu lösen.
Da ich kein Wort herausbrachte, nickte ich nur.
Mit einer beiläufigen Handbewegung zog er einen Stift aus seiner Jackentasche.
Sein Blick wanderte wieder zu meinen Augen.
Er hielt mir den Stift entgegen und streckte seinen Handrücken aus.
Erst schaute ich etwas verdutzt an. Ziemlich altmodisch. Hatte er kein Telefon? Aber gut.
Ich nahm ihm den Stift aus der Hand und schrieb ihm meine Nummer auf den Handrücken.
Dann beugte er sich zu mir herunter und gab mir einen sanften Kuss auf die Wange.
„Schlaf gut. Bis bald, Clara.", dann drehte er sich um und verschwand hinter der nächsten Hausecke.
Wie in Trance ging ich nach drin, durch die große Lobby und fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben in mein Hotelzimmer.
Ich sank auf mein Bett und musste Lächeln.
Da erklang ein kurzer Piepton aus meiner Jackentasche. Ich zog mein Handy heraus.
Nachricht von einer Unbekannten Nummer.

Wir sehen uns hoffentlich ganz bald wieder.
Gute Nacht. Ich hoffe, du hast es jetzt wärmer als in dem kalten Schnee. ;) N.

Schnell speicherte ich seine Nummer.

Viel wärmer. Danke, für die nette
Gesellschaft. :) C.

Ich legte mein Telefon auf den Nachttisch und schlüpfte in meine Schlafsachen.
Kurz verschwand ich im Badezimmer und kroch dann schnell unter die warme Decke.

Immer gern.
Sag Bescheid, wenn du
wieder im Schnee liegst. :) N.

Ich begann noch eine Antwort zu tippen, doch die Müdigkeit nahm mich plötzlich komplett ein. Mein Handy rutschte mir mitten beim Tippen aus der Hand und ich schlief ein...

Im Schatten meiner Erinnerung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt