Dunkelheit. Leere. Stille.
Ich bin nicht ich. Ich spüre Frieden, Leichtigkeit. Und dann...Grelles Licht strahlte mir ins Gesicht und zwang mich meine Augen zu öffnen. Blinzelnd stach mir die Sonne in die Augen. Automatisch hob ich meine Hand und hielt sie mir vor mein Gesicht.
„Willst du den ganzen Tag schlafen?", hört ich die Stimme meiner Mitbewohnerin.
Ich gab ein verärgertes Grummeln von mir. Eigentlich hatte ich genau das vor, ja! Mit einer schnellen Bewegung zog ich mir meine Decke über den Kopf. Ganz nach dem Motto: „Seh ich dich nicht, siehst du mich nicht.", kindisch war wohl gar kein Ausdruck mehr. Aber hey... ich war erst 22 Jahre alt, da durfte ich auch noch kindisch sein.
Doch Anni sah das anders. Mit einem Ruck zog sie mir die Bettdecke weg.
„Komm schon! Steh auf! Das Wetter ist wunderschön! Ein perfekter Wintertag!", sagte sie wie immer übermotiviert. Wie konnte ein einzelner Mensch so viel Energie haben?
„Es ist wie ein Dorn in deinem Auge, wenn ich ausschlafen will, oder?", entgegnete ich ihr amüsiert. Meine Augen blieben stur geschlossen. Ich hoffte noch immer auf den Bekannten Spruch der Unsichtbarkeit.
„Das trifft es ziemlich gut, ja.", dann stolzierte sie triumphierend aus meinem Zimmer. Natürlich MIT meiner Bettdecke, damit ich nicht auf dumme Gedanken kam.
Wie gut sie mich doch kannte.Nach 15 Minuten hatte ich mich aus meinem Bett heraus, in Jogginghose und Hoodie gequält und mich mit einem Tee in der Küche nieder gelassen. Anni machte Frühstück wie jeden Samstag morgen & sang dabei wie Schneewittchen zu den Vögeln. Ihre dauerhafte gute Laune war wirklich bemerkenswert.
„Hast du Lust auf einen Ausflug?", fragte sie und stellte einen Korb mit Brötchen auf den Tisch.
„Ah, daher weht der Wind. Deshalb hast du mich aus dem Bett geschmissen.", mit hochgezogen Augenbrauen schaute ich sie an.
Ihr Blick verriet, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.
„Was hast du dir denn vorgestellt?", mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich sie alarmiert an.
„Wandern? Und heute Abend mit Leo in seinen neuen Club?", Leo war Anni's Freund und hatte Freude daran, ein Club nach dem anderen zu eröffnen. Natürlich alles legal und nach Vorschrift. Kurz atmete ich tief ein. Egal was ich jetzt sagte, sie würde mich ja doch überreden.
„Von mir aus. Wenn's unbedingt sein muss.", ich zuckte mit den Schultern und ergab mich meinem Schicksal. „Aber maximal 7km!", forderte ich. Ich war zwar schlank und wandern mochte ich auch ganz gern, aber Sport war noch nie eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.
„Deal.", grinsend setzte sie sich mir gegenüber an den Küchentisch und begann zu frühstücken.
Wie machte sie das nur jedes Mal? Bei jedem anderen wäre ich lachend wieder in meinem Bett verschwunden. Aber bei Anni, war jeder Versuch des Entkommen zwecklos. Und wer mir nicht glaubte, dem riet ich, es selbst mal zu versuchen.Die Wanderung war wie zu erwarten, natürlich, länger als 7 km gewesen und als wir am Abend nach Hause kamen, brannten meine Füße höllisch. Selbst der Teufel hätte sich Eis geholt.
„Nie. Wieder!", sagte ich und ließ mich mit einem lauten Seufzer auf die Couch fallen.
„Tut mir leid. Ich dachte, die Runde wäre wirklich nicht so lang.", Anni sah mich schuldbewusst an. Ich zog ungläubig eine Augenbraue hoch.
„Na sicher.", entgegnete ich lachend. Als ob ich ihre Lüge nicht durchschauen würde.
Anni lachte schließlich auch und half mir, meine Schuhe auszuziehen.
„Kommst du heute Abend trotzdem mit?", vorsichtig blinzelte sie mich an.
„Das kann ich dir erst sagen, wenn ich mindestens 2 Stunden in der Badewanne lag und meine Füße sich beruhigt haben."
Damit verließ ich das Wohnzimmer und verschwand im Bad.Nach knapp 2 Stunden warmen Wasser, einem Buch und Kerzen, fühlte sich mein Körper tatsächlich erholt an.
Allerdings hatte ich nicht wirklich das Bedürfnis nach einer Party-Nacht. Doch wusste ich auch, dass Anni nicht locker lassen würden, wenn ich nicht wenigstens kurz mitkommen würde.
Also machten wir uns kurz darauf gemeinsam fertig. Anni trug eine enge Lederhose und dazu ein weißes kurzes Top. Dazu High Heels und ihre langen, blonden Haare fielen ihr in großen Locken über den Rücken. Wie konnte sie nach einer 15 km - Wanderung immer noch in High Heels stehen?
Ich entschied mich für eine schwarze, zerrissene Jeans mit einem dunkelroten, kurzes T-Shirt. Anders als Anni trug ich Turnschuh, da meine Füße immer noch unter der langen Wanderung litten und ich noch nie ein Freund von High Heels war. Meine langen, braunen Haare band ich zu einem hohen Zopf zurück.Gegen 23:00 Uhr stand wir dann vor Leo's neuen Club „Flashlight". Die Schlange war ziemlich lang und als wir an ihnen vorbei gingen, warf man uns so einige beleidigende Worte zu, welche ich teilweise nicht mal kannte.
„Hi Ryan.", begrüßten wir Leo's besten Freund & Türsteher. Er schloss uns nacheinander in die Arme und wünschte uns dann einen schönen Abend. Wie so oft, lag sein Blick etwas zu lange auf mir.
Schon nach 5 Minuten fanden wir Leo, der in eine heitere Diskussion mit einem seiner Barkeeper vertieft war. Die beiden lachten, als Anni Leo von hinten die Augen zuhielt.
In Sekundenschnelle drehte er sich um und zog sie in seine Arme. Leo war ungefähr Mitte 20, groß und sah nicht wie der Mann aus, der sich auf lange Beziehungen einließ.
Aber Anni war er von der ersten Sekunde verfallen, so wie sie ihm.
Schließlich umarmte er mich ebenfalls.
„Hey Clara. Schön, dass du auch da bist. Hattet ihr einen schönen Tag?", fragte er und sah Anni an.
„Also ich fand's ganz schön. Clara allerdings..."
„...Clara allerdings, wurde zum wandern gezwungen. Gut 15km. Und versprochen hatte sie mir maximal 7.", unterbrach ich sie und strafte sie mit einem gespielt, bösen Blick.
„Oh, das tut mir leid. Auch wenn ich froh bin, dass es so wenigstens nicht mich getroffen hat.", er lachte und erntete dafür einen kurzen Schlag von Anni auf den Oberarm.
„Also... was wollte ich trinken?"Nach 2 Stunden trinken, reden, tanzen, war ich körperlich so ausgelaugt, dass ich mich kurz setzen musste.
„Ich glaube, ich werde bald gehen. Der Tag war wirklich lang & ich könnte im Stehen einschlafen.", lachend sah ich Anni an.
„Alles gut. Soll ich dir ein Taxi rufen?", fragte sie.
„Nein, nein. Ich werde einfach hoffen, dass eins vorbei fährt.". dann umarmte ich Anni und machte mich auf den Weg nach draußen.Natürlich stand kein Taxi zufällig vor der Tür. Ich wählte die Nummer des Taxisunternehmens, wurde aber direkt in die Warteschleife weitergeleitet. Na gut, dann eben nicht.
Also lief ich einfach los. Der Club war nur ca. eine halbe Stunde zu Fuß von uns entfernt. Also lieber laufen, als ewig auf ein Taxi zu warten. Wenn ich zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte was passiert, hätte ich vielleicht lieber auf ein Taxi gewartet....
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Im Schatten meiner Erinnerung
FantasíaClara hat seit ihrer Kindheit ein und denselben Traum. Der Traum befördert sie in die Dunkelheit. Sie wird verfolgt von Déjà Vu's und findet sich in seltsamen Situationen wieder. Als sie eines Abends durch die dunklen Straßen Londons läuft, steht p...