Kapitel 4

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Nach dem Essen spazierten Anni und ich nach Hause.
Der Sonnenuntergang über der Themse und der Tower Bridge im Hintergrund war wunderschön.
„Also was hat der Mann gesagt? Deine Eltern wären in Gefahr?", Anni hatte mir irgendwann geglaubt und war nun fest entschlossen mir zu helfen.
„Ja. Aber er kann nicht meine Adoptiveltern meinen, denn ich hab keine Bindung und keinen Kontakt mehr zu ihnen.", sagte ich. Meine Adoptiveltern waren eine Katastrophe. Sie waren streng, kalt und behandelten mich mehr wie ein Dienstmädchen, anstatt als ihre Tochter. So wie ich 18 wurde, verschwand ich und war mir sicher, nie wieder zurückzukehren.
London fand ich schon immer wunderschön. Ich lernte Anni kennen, die eine Mitbewohnerin suchte. Und durch Anni bekam ich ziemlich schnell eine Job in einem von Leo's Clubs. Seitdem hatte ich in so gut wie jedem Club und jeder Bar der Stadt schon gearbeitet.
„Denkst du, er meint meine leiblichen Eltern?", Anni war stehen geblieben und lehnte sich an eine Mauer.
„Scheinbar, aber...", mein Kopf hatte sich noch nicht von der letzten Nacht erholt, sodass ich das ganze noch nicht wirklich realisierte...
„Aber wie kann das sein?", beendete sie meinen Satz. „Ich meine, der Unfall...", Anni sah mich traurig an.
Ja... der Unfall...
Als ich 7 Jahre alt war, hatten meine Eltern einen Autounfall. Ich saß auf der Rückbank und hatte gerade so überlebt.
Kurz nachdem ich aus dem Krankenhaus kam, hatte ich schon eine Adoptivfamilie. Wenn ich so im Nachhinein drüber nachdachte, ging das schon ziemlich schnell.
„Wir müssen irgendwie herausfinden, wer dieser Mann war.", mit zusammengezogen Augenbrauen starrte ich auf die Themse.
„Und wie?", Anni zuckt mit den Schultern und schüttelte den Kopf. „Du hast doch keine Ahnung, wer der Mann war...", sagte sie.
„Tja... dann werde ich wohl oder übel...", alles in mir sträubte sich in mir gegen das, was ich jetzt sagen würde.
„... meine Adoptiveltern anrufen müssen..."
„WAS? Aber...", Anni sah mich schockiert an.
„Hast du eine bessere Idee?", ich wand mich ihr zu. Sie holte Luft und wollte mir sicher widersprechen, stellte dann allerdings fest, dass es die einzige Option war.
„Na gut. Aber wir machen das zusammen. Ich lass dich nicht damit allein.", dann zog sie mich in eine liebevolle Umarmung.
Ihr Sorge war deutlich zu spüren... und berechtigt...

• • • • • • •

Als wir am nächsten Morgen gemeinsam frühstückten, überlegte wir gemeinsam, wie ich ein paar Informationen aus meine Stiefeltern herausbekommen würde.
„Und wenn du ihnen einfach sagst, du willst mehr über deine leiblichen Eltern wissen?", Anni biss von ihrem Brötchen ab.
„Hmm... das habe ich schon oft versucht. Viel sagen konnte sie mir nicht... oder wollten nicht...", sagte ich.
„Und wenn du nochmal zur Polizei gehst und sagst, du willst Infos über den Autounfall?"
„Gar keine blöde Idee. Aber erst, nachdem ich mit meinen Adoptiveltern gesprochen habe.", entschlossen stand ich auf und holte mein Telefon aus meinem Zimmer.
Ich wählte die Nummer und bevor ich auf den grünen Hörer tippte, sah ich Anni nochmal an.
„Drück die Daumen."
Sie ließ ihr Brötchen fallen und drückte beide Daumen ihrer Hand zusammen.
Lachend tippte ich auf den grünen Hörer.
Schon nach ein paar Sekunde hörte ich die mir allzu bekannte Stimme meines Adoptivvaters. Sie war tief, beängstigend und erweckte Erinnerungen. Und er war der netterer der beiden...
„Johnson?", ich atmete tief ein.
„Hallo, Tom.", nie hatte ich die beiden mit Mom oder Dad angesprochen. Denn das waren sie nicht.
„Clara? Wie kommen wir denn zu der Ehre?", seine Stimme wirkte belustigt.
„Brauchst du Geld?", fragte er.
„Nein danke...", antwortete ich ihm kalt.
„Warum rufst du dann an? Du wolltest doch nie wieder was mit uns zutun haben! Schon vergessen?", in seiner Stimme war alles zu erkennen, nur keine Reue und erst recht keine Trauer oder gar Liebe.
„Ja, und das aus gutem Grund. Aber deswegen ruf ich nicht an.", nochmal holte ich tief Luft.
„Was wisst ihr über meine leiblichen Eltern?", fragte ich gerade heraus. Wieso lange drum herum reden.
„Was?", sagte Tom Schroff. „Wieso willst du das wissen?"
Was war das denn für eine dumme Frage?!
„Wahrscheinlich, weil es meine leiblichen Eltern waren.", antwortete ich, als wäre das selbstverständlich.
„Sie waren...", er stockte, als wüsste er nicht sofort, was er sagen sollte. Jackpot.
„...arme Leute. Glaube ich.", er klang verärgert.
„Du glaubst?", hakte ich nach.
„Ja ich glaube! Ich kannte sie ja nicht!", seine Stimme wurde lauter und er war verärgert. Gut dass ich mehr als 600 km von ihm entfernt war und die beiden nicht wussten, wo ich wohnte.
„Aber sicher weißt du es nicht?", wenn schon denn schon.
„Nein... also doch... Sie sind tot und es ist doch auch egal.", sagte er genervt.
Wie bitte? Egal war das sicher nicht! Und ob sie wirklich tot waren...
„Sicher?", selbstsicher bereitete ich mich auf einen Wutanfall vor.
„Was sicher?"
„Dass sie tot sind?", da hörte ich meinen Adoptivvater nach Luft schnappen. Mitten ins Schwarze getroffen. Meine Augen weiteten sich. Anni sah mich überrascht an.
„Wie kommst du darauf, dass sie nicht tot sind?", seine Stimme war plötzlich leise, aber scharf wie ein Messer. Ein Schauer lief mir über den Rücken.
„Keine Ahnung. War so ein Gefühl.", dumme Antwort, Clara. Ich schlug mir gegen die Stirn.
„Ein Gefühl... ahja. Du solltest dich mal untersuchen lassen. Wirklich gesund warst du ja noch nie."
Empört schnaubte ich. „Alles klar. Hat sich erledigt. Mach's gut.", ohne auf eine Antwort zu warten, tippte ich auf den roten Hörer.

Selbstsicher sah ich Anni an.
„Sie verbergen etwas. Irgendwas, stimmt da überhaupt nicht.", sagte ich.
„Ok. Dann ruf jetzt bei der Polizei an. Wir brauchen mehr Informationen!"
Ich nickte und wählte die Nummer des Polizeireviers, welche den Fall meiner Eltern bearbeitet hatte. Fast 15 Jahre war der Unfall her. Hoffentlich konnte mir da jemand weiterhelfen....
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