„Bereit?", fragte Anni.
Das Buch lag in meiner Hand. Nur Zentimeter trennten mich von dem Anhänger.
Ich nickte.
Und dann, legte ich meinen Finger an das zarte Metall.Ich lag in einem Bett. An der Decke leuchteten unzählige kleine Lichter und verwandelten das Weiß in einen wunderschönen Sternenhimmel.
An meinem Bett saß eine Frau. Sie strich mir sanft über den Kopf. „Träum süß, mein Engel."
Dann stand sie auf und setzte sich auf einen Hocker... an einem Klavier?
Die Melodie, welche dann folgte, drang direkt in mein Herz. Mit jeder Zelle meines Körpers konnte ich die Töne spüren. Als wäre sie immer ein Teil von mir gewesen. Tief in mir verborgen.
(Lied: Lumière - Stephan Moccio)Und dann tauchte auch Anni wieder in meinem Blickfeld auf.
„Alles gut?", ich lag seitlich auf der Couch. Gut, das war der Plan. Wenn ich schon umkippt, dann wenigstens weich landen.
Ich lächelte Anni an.
„Ja... alles gut. Diesmal war es eine Frau. Sie spielte mir ein Stück auf dem Klavier vor. Es war wunderschön.", erzählte ich Anni von den Bildern.
„Und wer war sie?", fragte sie neugierig.
„Keine Ahnung...", wieder hatte ich kein Gesicht gesehen. „Noch ein Versuch."
Ich setzte mich wieder gerade hin und berührte den Anhänger.„Komm schon, Clara. Du kannst das mein Sonnenschein.", sagte ein Mann hinter mir.
Ich saß auf einem kleinen, rosa Fahrrad und versuchte mit aller Kraft nicht umzukippen.
Der Mann lief hinter mir her und als ich doch fiel, fing er mich auf und wirbelte mich herum.
Dann schloss er mich fest in seine Arme.
„Das nächste Mal klappt es, du wirst sehen."Wieder wurde ich in die Realität zurück gezogen.
Die Bilder waren kurz und nie sah ich ein Gesicht zu den beiden. Doch ich wusste genau, wer sie waren.
Meine Eltern.
Als ich gerade wieder zu dem Anhänger greifen wollte, hielt Anni mich auf.
„Ich glaube, für heute reicht es. Du solltest schlafen. Mute dir nicht zu viel zu. Der Tag war lang.", sagte Anni.
In ihrem Blick lag Sorge und ich nickte.
„Ich geh rüber. Um 8 beim Frühstück?", fragte ich und schloss das Buch in meine Arme.
„Klar.", sagte sie und schenkte mir ein leichtes Lächeln.
Dann verschwand ich auch schon durch die Zimmertür.In meinem Zimmer angekommen, war ich viel zu aufgeregt um zu schlafen. Doch ich wollte auch den Anhänger nicht ohne Anni berühren. Wer weiß, was passieren könnte...
Draußen schneite es leicht und die Lichter der Stadt tauchten Edinburgh in ein zartes, orangenes Licht.
Spontan zog ich mir meine Jacke und Schuhe an und machte mich auf den Weg nach draußen. Leise schlich ich an Anni's Zimmer vorbei.
Unser Hotel wir direkt in der Innenstadt.
Ich lief die Princes Street entlang und bewunderte Edinburgh Castle.
Am Scott-Denkmal blieb ich stehen.
In den Straßen waren nur noch wenig Menschen unterwegs und die Stadt lag ruhig und kalt vor mir.
Ich drehte mich und streckte das Gesicht in den Himmel. Die Schneeflocken hinterließen nasse Tropfen auf meinem Gesicht.
Auf der Wiese neben dem Scott-Denkmal ließ ich mich dann einfach in den Schnee fallen.
Ich bewegte meine Arme hoch und runter, meine Beine zusammen und auseinander.
Ein Schneeengel.
Kurz schloss ich die Augen und spürte, wie die Nässe des Schnees durch meine Sachen drang.Plötzlich schnitt ein Räuspern durch die Stille. Sofort riss ich die Augen auf und blickte in wunderschöne, eisblaue Augen., welche zu einem unfassbar attraktiven Gesicht mit dem dazugehörigen Körper gehörten. Kurz blieb mir der Atem weg.
„Ehm... was machst du da?", fragte der Unbekannte.
Ich stützte mich auf meine Ellenbogen und meine Augen wanderten über meinen Körper und den Engel im Schnee.
„Äh... Einen Schneeengel?", ich zuckte mit den Schultern.
Der Unbekannte zog seine Augenbrauen hoch und sah mich fragend an.
„Nachts? Um kurz nach 23uhr?", er schüttelte ungläubig den Kopf.
„Ja... also... am Tag ist ja hier auch viel zu viel los.", versuchte ich mich aus dieser peinlichen Situation herauszureden.
„Klar... willst du vielleicht wieder aufstehen?", jetzt lächelte er.
„Ehm... ja, klar.", antwortete ich. Er reichte mir seine Hand, welche ich dankend annahm.
Ich klopfte mir den Schnee von meiner Hose und der Jacke.
„Und du? Störst öfter Frauen? Nachts? Beim Schneeengel machen?" Das war einfallsreich, Clara. Toll.
Der Unbekannte war ca. Mitte 20, mindestens einen Kopf größer als ich und hatte breite Schultern.
Seine eisblauen Augen waren der perfekte Gegensatz zu seinem dunklen Haar, welches er zum großen Teil unter einer lockeren Mütze versteckte. Seine Gesichtszüge waren kantig und strahlten Selbstbewusstsein aus. Sein komplettes Auftreten, strahlte Selbstsicherheit aus.
„Ja schon. Man nennt mich auch den Schneeengelmann.", sagte er wie als wäre es selbstverständlich.
Oh, Ironie. Wunderbar, ironisch sprach ich fließend.
„Oh das erklärt einiges. Mit Fr. Holle arbeitest du also fest zusammen?", ich legte meinen Kopf leicht schief.
Er lachte und sah mir tief in die Augen.
„Sympathisch. Ich heiße Nathan.", er streckte mir wieder seine Hand entgegen.
„Clara.", stellte ich mich vor und gab ihm meine Hand.
„Ein schöner Name.", mit einem schiefen Lächeln musterte er mich.
„Danke."
„Was machst du hier, Clara? Und sag jetzt nicht, Schneeengel. Das hatten wir schon.", wieder lachte er. Seine offene, lustige Art gefiel mir und nichts an dieser Situation schien unbehaglich.
„Ich konnte nicht schlafen.", antwortete ich ehrlich. „Und du?"
„Hmm... das selbe. Wollen wir zusammen ein Stück laufen? Ich könnte dich nach Hause bringen.", erst jetzt fiel mir auf, dass er noch immer meine Hand hielt. Ich räusperte mich kurz und entzog ihm meine Hand. Widerwillig.
„Ich wohne nicht hier. Aber mein Hotel ist nicht weit von hier. 15 Minuten.", ich stapfte von der Wiese runter auf den Bürgersteig. Da wurde mir bewusst, dass ich von oben bis unten nass war. Die Kälte ließ mich frösteln.
„Du frierst... hier.", Nathan nahm seinen Dicken Schal ab und legte ihn mir behutsam um die Schultern. „Wäre schade, wenn du erfrierst."
Ohne ein Ton zu sagen, starrte ich ihn an. Diese Geste kam unerwartet vertraut.
„Ehm... danke.", stotterte ich.
„Komm, ich begleite dich. Dann weiß ich wenigstens, dass du nicht erfroren bist.", mit einem Kopfnicken forderte er mich zum Loslaufen auf.
„Na gut.", seine Gesellschaft war so angenehm. Und er sah wirklich gut aus. Wie sollte ich da nein sagen?....
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Im Schatten meiner Erinnerung
FantasíaClara hat seit ihrer Kindheit ein und denselben Traum. Der Traum befördert sie in die Dunkelheit. Sie wird verfolgt von Déjà Vu's und findet sich in seltsamen Situationen wieder. Als sie eines Abends durch die dunklen Straßen Londons läuft, steht p...