Ich schreibe wieder einmal für einen Wettbewerb (falls wer von euch Interesse hat - ihr findet alle Infos auf www.texte.wien.at) und ich habe jetzt schon drei Stories geschrieben, die alle meine Ansprüche nicht erfüllen. Egal, jetzt kriegt ihr sie, viel Spaß ;)!
Linien und Punkte
Ich sehe mein Gesicht, nein, eine Reflektion meines Gesichts im Spiegel. Ich frage mich, woher die Linien stammen, die wirken, als hätte sie jemand auf die Haut gezeichnet. Die Linien und die Punkte. Ich denke, sie sollen aus mir eine Karte machen, eine Erinnerung. Vielleicht sollen sie auch nur die Möglichkeit für andere darstellen, mich unter vielen wiederzuerkennen. Ich binde meiner Haare zu einem Knoten nach hinten und reiße absichtlich fester an, als notwendig wäre. Damit möchte ich mich erinnern, dass ich immer noch da bin.
Auf dem Weg sehe ich mich nicht um. Die Straße ist grau, die Häuser, die Autos. Es fehlen die Farben. Die Linien und die Punkte. Ich atme ein. Aus. Wieder ein. Verbiete mir, mich in einer Spirale aus unbeantwortbaren Fragen zu verlieren. Wieso bin ich hier? Was mache ich hier? Wo sind die Farben?
Ein welkes Blatt segelt gemächlich durch die Luft und landet ein wenig entfernt von mir. Sind so nicht auch die Menschen? Wir bilden uns ein, fliegen zu können und landen doch nur auf dem kalten Boden, ohne Chance, jemals wieder aufstehen zu können. Unmut macht sich in mir breit, so hat das alles keinen Sinn. Ich fixiere das Blatt auf dem Boden mit meinen Augen. Nochmal.
Licht, das direkt auf den Spiegel trifft. Hinter mir fällt ein Sonnenstrahl durch die gläserne Duschwand und bildet einen Regenbogen. Ich habe die Farben gefunden. Ich schaue mir selbst in die Augen und sehe vor allem eines; Neugierde. Die Linien, die Punkte, sie werden mehr werden, das ist gewiss. Ich bin zuversichtlich. Ich schüttle den Kopf, damit ich meinen Haaren dabei zusehen kann, wie sie durch die Luft fliegen wie die Blätter. Ein Anblick, der mich, wie der des Regenbogens, seltsam glücklich stimmt. Und zuversichtlich. Und mutig. Ich habe vertrauen in meine Geschichte. In die Punkte und die Linien.
Auf dem Weg sehe ich die Bäume, die Blätter, die erst ihre Farbe wechseln, bevor sie der Baum nicht mehr halten kann. Ich springe über eine Mauer und drehe mich dann um. Mit der Kreide in meiner Tasche male ich. Eine Linie und drei Punkte. Denn das reicht schon für ein kleines Gesicht. Ich fühle Mut. Mut zum Weitergehen. Ich bin schon so weit gekommen.
Aber trotzdem. Nochmal.
Ich male mir Linien ins Gesicht. Bunt, in vielen Farben. Die habe ich alle in einem Regenbogen gefunden. Die Linien machen mich anders und das macht mich besser. Ich färbe auch meine Haare. Ein bisschen.
Ich höre Vögel auf dem Weg. Ich bin unverwundbar, ich tanze und bleibe erst stehen, als mir die Luft ausgeht. Ich male die Häuser, die Straßen bunt. Und dann sehe ich das Mäuerchen hinter mir. Das kleine Gesicht aus Linien und Punkten ist verschwunden. Und ich fühle mich, als hätte ich mein eigenes Gesicht verloren. Die Straßen, die Häuser sind braun. Zu viele Farben auf einmal. Ich bin zu weit gegangen.
Und ich sehne mich zurück. Zu dem Regenbogen auf dem Boden. Zu den Linien und Punkte, die ich nicht selbst gemalt habe. Zu meinem eigenen Gesicht. Voller Linien und Punkte.
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Gedichte & Co
Short StoryWas einem so im Kopf herumspukt, kann man meistens nicht kontrollieren. Deshalb werde ich hier ab und zu Poetry Slam Texte, Gedichte oder auch Kurzgeschichten veröffentlichen.