Was ist eigentlich aus Kontakt geworden...

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Erinnert ihr euch noch an meine Kontakt-Geschichten? Naja, im Endeffekt habe ich tatsächlich eine Geschichte eingereicht (bin nicht weitergekommen, aber damit habe ich gerechnet :)) und das ist diese hier!

Alte Telefone sind fast unzerstörbar, Menschen nicht

Und der Zug zieht vorbei.

Katharina richtet sich auf. Sie ist tot. Der Zug ist über sie hinweggedonnert, hat ihren Körper zerstört. Aber es hat sich nichts verändert, irgendwie. Die U-Bahnstation sieht immer noch gleich aus, sie ist nicht einmal allein oder von Geistern umgeben oder was sonst im Tod alles passiert.

„Ist mit Ihnen alles in Ordnung?" Ein Mann sieht sie an. Manche würden sagen, er sieht sie besorgt an, aber wie kann man jemanden ansehen und sich gleichzeitig Sorgen machen?

„Ja, ja, alles okay." Um ehrlich zu sein, hätte sie ja, ja, alles seltsam, sagen müssen, aber die Welt um sie herum verwirrt sie im Augenblick zu sehr. Sie spürt die Hand des Mannes, die sich um ihren Oberarm schließt. Er zieht sie hoch, aber Katharina weiß nicht, ob ihre Beine sie tragen. Eigentlich würde sie sich gerne gleich wieder zu Boden sinken lassen. Das Gesicht zur Seite gedreht, die Augen geschlossen, um einfach zu überlegen, was jetzt passiert ist und passieren wird. Aber sie kann sich nicht gehen lassen, sie ist gefangen im Muster des Lebens und als Lebende stellt man sich mit beiden Beinen auf den Boden.

Ich bin tot, sagt sie sich, damit es wahr wird. Ich bin tot, sagt sie sich und glaubt sich selbst nicht. Der Mann sieht sie immer noch an. Sie ringt sich ein Lächeln ab, damit er endlich verschwindet.

Sie sieht eine Frau mit einem Kleinkind an der Hand. Die beiden stehen am U-Bahnsteig gegenüber und plötzlich findet Katharina das alles einfach nur scheißunfair. Ich bin jung, ich war jung, denkt sie sich. Und jetzt? Darauf gibt es keine Antwort, oder? Zumindest keine Richtige. Wie funktioniert Zeit im Jenseits? Gibt es eine Vergangenheit, eine Gegenwart?

Um Wut abzubauen, Wut und Aggression über die Ungerechtigkeit des Schicksals oder was-auch-immer-sonst-das-ist kickt sie eine leere Coladose, die auf dem Boden liegt durch die Gegend. Sie fliegt in einem schönen Bogen gegen das Bein eines Rentners, der in ihre Richtung flucht. Der ist sicher an Altersschwäche gestorben, geschieht dir recht, du depperter alter Sack, denkt Katharina grimmig. Aber, hätte die Dose nicht einfach durch sein Bein durchfliegen müssen oder gibt es doch keine Geister?

In dem Moment erwischt sie etwas am Fuß und erst denkt sie, der Alte hat sich revanchiert, aber dann, nach einem Blick in die Menge merkt sie, dass wahrscheinlich niemand absichtlich in ihre Richtung getreten hat. Alle sind konzentriert mit sich selbst oder ihrem zweiten ich, auch Handy genannt, beschäftigt.

Neben ihrem Fuß liegt ein Telefon. Ein Telefon? Katharina hebt es auf und muss einmal ihre Hand wegziehen, weil ihr fast jemand auf die Finger steigt. Dann hat sie es. Es ist ein altes Modell, mit Tasten, so dick, dass es in keine Hosentasche passt, aber beinahe unzerstörbar. Was soll sie damit tun? Braucht man im Jenseits eine Möglichkeit über Entfernung zu kommunizieren? Sie muss grinsen, jetzt versteht sie, wieso Leute sagen, dass ihr Handy tot ist. Die Geräte kommen offensichtlich tatsächlich zu den Toten.

Vor Schreck lässt sie ihren Fund fast fallen, weil das Telefon zu läuten beginnt. Auf dem kleinen, quadratischen Display steht eine Nummer, kein Name. Auch das noch. Aber Katharina hat eh nichts mehr zu verlieren, sie drückt auf die Taste mit dem kleinen grünen Telefon und legt das Gerät ans Ohr.

„Hallo?"

„Katharina. Es tut mir leid."

„Was? Woher wissen Sie, dass ich so heiße?"

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