Wenn der Gedanke, dass das Einzige, das man verlieren kann, das eigene Leben ist, seine Bedrohlichkeit verliert. Wenn du aufsiehst und siehst, wie der Himmel in Flammen steht. Wenn du deine Narben spürst. Wenn dein Kopf wie eine Eiswüste ist, durch den der Wind leise streicht. Wenn du dein Gesicht im Spiegel siehst und dich fühlst, als würdest du dich selbst kennenlernen. Wenn du spürst, wie dein Atem dich ausfüllt. Wenn der Schmerz für einen Moment nachlässt. Du schließt deine Augen. Und für einen Moment, für einen kurzen Moment fangen alle Tränen die du je geweint hast an zu leuchten. Und sie leuchten einen Weg, einen Weg durch die Vergangenheit, durch die Erinnerung. Und durch den Schmerz.
Unter dir ein Bett aus blassen Blumen, dein Haar weht um dein Gesicht. Du spürst, wie es dir über die Haut streicht.
Spür wo du herkommst. Spür wo du warst. Spür wo du bist. Erde und Sand und Schnee unter deinen Füßen, zwischen den Zehen. Spür den Wind, spür die Sonne, spür den Regen. Spür deinen Schmerz. Deinen eigenen. Lass ihn los. Spür, wie du ihn freilässt. Wie er Flügel ausbreitet und zu fliegen beginnt.
Öffne deine Augen. Sieh ihr blau, ihr braun, ihr grün. Sieh deine Seele durch all das. Sieh den Himmel, die bunten Blätter die dir entgegen schweben. Sieh das Licht, die Reflektion, dein Gesicht im Spiegel. Sieh deine Hände, die sich an deine Vergangenheit klammern um den Halt nicht zu verlieren. Sieh deine Narben, sieh sie an, erinnere dich daran, woher sie kommen.
Lass die Vergangenheit los. Du schaust ihr nach und spürst den Schatten deiner Gedanken.
Erinnere dich daran, dass du bereit warst aufzugeben. Erinnere dich an den Kampf. Erinnere dich daran, was du gewonnen hast. Erinnere dich daran, was du verloren hast. Erinnere dich an das Leuchten des Blutes in der Sonne. Erinnere dich an die, die du geliebt hast, die dich geliebt haben. Erinnere dich an dein Gesicht, wie es war. Und sieh dir an, wie es jetzt ist.
Du musst nicht lächeln. Es ist okay.
Blumen verwelken. Menschen vergessen. Zeit vergeht. Die Welt dreht sich immer weiter.
Wer den Schatten kennt, findet ihn auch mit einer Kerze in der Hand.
Das Gewicht der Welt auf deinen Schultern.
Das Gefühl der Lippen, die deine berühren.
Der Gedanke, der wie ein Stern einsam am tintenblauen Himmel steht.
Die Erinnerung die wie eine Klinge einen roten Strich in weiche Haut zieht.
Und jetzt zünde deine Kerze an. Das heiße Wachs tropft auf deine Finger. Du spürst es nicht. Du siehst nur das Licht, du betrachtest es wie einen Freund, den du schon lange nicht mehr gesehen hast. Und dann gehst du zurück, ein letztes Mal. Und du bleibst, mit deiner Kerze, bis blassrosa Blüten den Schatten verdecken und du dir endlich wieder selbst in die Augen sehen kannst.
Der Schmerz rollt sich wie ein kleines Kind in einer Ecke zusammen und schläft ein. Du deckst ihn zu und gibst ihm einen Kuss auf die Stirn.
DU LIEST GERADE
Gedichte & Co
Short StoryWas einem so im Kopf herumspukt, kann man meistens nicht kontrollieren. Deshalb werde ich hier ab und zu Poetry Slam Texte, Gedichte oder auch Kurzgeschichten veröffentlichen.