20- Ein Schritt nach dem anderen

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Nach diesem Morgen hatte sich Taes Sichtweise auf die Dinge ein wenig verändert.

Er war nun nichtmehr leblos, wie eine Hülle, sondern rastlos nervös und unsicher. Wie leicht es gewesen war, sich von seiner Trauer einhüllen zu lassen, wie schwer nun wieder aus diesem Sumpf herauszusteigen und von Neuem zu beginnen

Doch Tae hatte entschieden, dass es genug war mit all dem Leid und dem Schmerz in seinem Herzen. Er wollte versuchen für Kook stark zu sein. Für Kook so zu werden wie er es für den Älteren nichtmehr hatte sein können.

Tae wusste wer er war. Jedenfalls hatte er das gedacht, weil man ihm schon immer gesagt und gezeigt hatte wer er war.

Er war der Außenseiter gewesen, der Fremde in seinem eigenen zu Hause, bis Kook ihn gefunden hatte und ihm geholfen hatte eine neue Seite an sich zu entdecken. Die Seite in ihm, die sich verändern, formen und anpassen konnte.

Er hatte gelernt was nötig war, um nun ein Teil seiner Umgebung zu werden und auch begonnen diese Veränderung zu mögen, sowie wertzuschätzen.

Diese Wertschätzung hatte wiederum darin resultiert, dass ihm all das, was er früher aus der Not nur widerwillig gelernt hatte, nun so leicht und einfach von der Hand ging, weil es nun ein Teil von ihm geworden war.

Schließlich ist es schwer alte Gewohnheiten zu ändern, jedoch nicht unmöglich.
Und so war er nun anders. Nicht mehr der kleine Junge, der überall Unterstützung und Begleitung brauchte.

Er war nun ein fast fertig ausgebildeter Knappe und er hatte entschieden, dass Kook ihn lang genug getragen hatte. Nun war es Zeit, dass er Kook's Andenken am Leben erhielt und wie konnte er seinen Bruder und all die Mühe, die dieser in ihn gesteckt hatte, besser zurückzahlen, als zu zeigen, dass er der Beste werden konnte.

Der erste Reiter.

Und so stand er an einem der folgenden Morgende, nach dem Gespräch mit Malva, auf, zog sich an und ließ sich das erste Mal nach Wochen im gemeinsamen Esszimmer der Familie blicken.

Der erstaunte, aber erleichterte Blick seines Vaters war ein Anblick bei dem Taes Mundwinkel leicht zuckte und als er schließlich in Vauges Armen lag, merkte er, wie ein Stück der Last gedämpft wurde.

Er hatte nicht bemerkt, wie sehr er den Kontakt zu anderen Menschen vermisst hatte.

Als er aufschaute lächelte ihn Malva wissend an und nahm ihn auch kurz in die Arme. An diesem Morgen wurde nicht viel geredet, nur erzählt was in der Burg in den letzten Wochen passiert war, von dem Tae möglicherweise nichts mitbekommen hatte.

Es ging hauptsächlich um ein paar Streitereien zwischen Wasserwandler und Menschen, als Tae schließlich mit seiner Entscheidung die Erzählung zum Stocken brachte.

Ich werde erster Reiter.

Vauge verschluckte sich fast an seinem Tee: Was?!

Überraschte und verwirrte Blicke wurden zwischen Malva und Vauge ausgetauscht, bis sie sich schließlich wieder auf ihn konzentrierten.

Tae sah sei mit hochgezogener Augenbraue an und fuhr fort: Nun, ich weiß, dass das vielleicht ein wenig überraschend kommt, wenn man bedenkt, dass es mal eine Zeit gab, in der ich mich gegen all das gewehrt habe. Also ein Wellenreiter zu sein und so.

Ich hatte es bisher auch nicht wirklich eilig meine Wassertaufe zu haben oder in irgendeiner Weise ein herausragendes Bugmitglied zu werden.

Tatsächlich bemerkte er erst jetzt, wie absurd es für seinen Vater und seine Stiefmutter klingen musste.

Um seinen Standpunkt deshalb noch mehr zu untermalen holte er tief Luft und schaute seinem Vater fest in die Augen: Trotzdem habe ich nun entschieden, dass ich alles daran setzen werde erster Reiter zu werden und somit in deine Fußstapfen zu treten.

Ich möchte nicht groß erklären wieso. Eins aber ist essenziell. Ich möchte weder geschont noch verhätschelt werden. Ich will meine Ausbildung wieder aufnehmen und so schnell wie es geht besser werden.

Das schulde ich nicht nur mir und Kook, sondern auch euch.

Es herrschte kurzes Schweigen, bis Vauge schließlich erwiderte: Wenn das dein Wunsch ist, dann steht dem nichts im Weg.

Zufrieden nickte Tae und das Gespräch ging zögerlich wieder auf die Burgangelegenheiten zurück.

Er wusste, dass man ihn trotz seiner Bitte noch mit Aussagen und unnötigen Befragungen verschonen würde, und dafür war er tatsächlich dankbar, denn auch wenn er eine Entscheidung getroffen hatte, würde wohl nur die Zukunft entscheiden, wohin ihn diese bringen würde.

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Als sich Tage in Wochen und Wochen in Monate wandelten, ließ Tae sich immer mehr von seinem Training einnehmen.

Sein unerwarteter Eifer wurde mit Überraschung, aber auch Wohlwollen von den Burgbewohnern und vor allem von den anderen Wellenreitern gesehen.

Keine Übung schien mehr ein Hindernis zu sein und ein zuvor unentdecktes Talent kam in Tae hervor, der sich plötzlich im Schwertkamp selbst übertraf.

Gerade war Tae wieder dabei mit Pol zu trainieren, als Jin sich an den Rand des Kampffeldes stellte und dem Geschehen mit nachdenklicher Miene folgte.

In den letzten Monaten hatte er Tae aufmerksam beobachtet. Er wusste das Tae immer noch sehr litt.

Ihm war mit einem Schlag nicht nur sein Bruder, sondern auch sein bester Freund genommen worden. Eine der wenigen Personen, die ihn vielleicht sogar besser als er sich selbst gekannt hatte.

Jin sorgte sich ungemein, dass Tae wieder zu dem Jungen werden würde, der er vor Kooks Auftauchen gewesen war. Doch schnell hatte sich herausgestellt, dass das ein Irrtum war.

Anscheinend hatte Kooks Tod etwas in Tae ausgelöst, dass ungeahnte Kräfte entfaltete. Nun war der einst so zurückgezogene Junge, der nichts am Hut haben wollte mit dem Leben der Wellenreiter, einer der vielversprechendsten Kandidaten für die Position des ersten Reiters.

Er trainierte so hart wie kein anderer und scheute sich auch nicht mehr vor der kleinsten Herausforderung. Es war als hätte man einen Schalter umgelegt.

Machst du dir wieder Sorgen um den Jungen?, brachte Jin eine tiefe ihm wohlbekannte Stimme aus seinen Gedanken.

Pol hatte wohl eine Pause eingelegt, um sich kurz auszuruhen. Es war gerade kurz nach Mittag und auf dem Hof war es unmenschlich heiß.

Jin nickte und schenkte Pol dabei ein zaghaftes Lächeln. Sobald er in die Nähe des Kampflehrers kam handelte sein Körper wie von allein und er konnte auch gar nichts daran ändern, dass seine Wangen rot anliefen.

Das musst du nicht. Ich weiß nicht, ob er sich jemals so gut im Griff hatte wie gerade., meinte Pol, der ihn wohl aufmuntern wollte.

Jin schüttelte aber den Kopf: Ich weiß nicht. Können wir uns sicher sein? Ich glaube vieles frisst er auch einfach in sich hinein und übergeht seine Probleme indem er sich so beim Training in Zeug legt.

Besser, als, dass er gar nichts mehr tut, meinst du nicht auch? Solange er hier bei uns ist und nicht eingeschlossen da oben in seinem Raum, ist es mir ehrlich gesagt herzlich egal was er wie tut.

Die beiden verfielen in ein kurzes Schweigen und beobachteten Tae dabei, wie er sein Schwert schliff.

Jeder Mensch trauert anders. Der Junge hat entschieden, dass er sein Leben nun selbst in die Hand nimmt und etwas daraus macht.

Nicht viele würden diesen Weg gehen und wenn, dann nicht mit solch einer Überzeugung. Lass ihn gewähren Jin.

Er hat es schon so weit gebracht, dass er bald ein volles Mitglied werden kann. Vielleicht können ihm die Geister helfen.

Jin seufzte: Du hast schon Recht. Aber ist es schlau jemandem der vielleicht nicht klar denkt so viel Macht zu geben? Ich will nicht, dass er sich selbst verletzt.

Pol legte beschwichtigend eine Hand auf Jins Schulter: Mach dir nicht so einen Kopf, sie werden wissen was zu tun ist. Und wenn sie ihn als bereit sehen, dann können wir das auch.

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Wir nähern uns dem Ende... noch drei Kapitel👏☺  Vergesst nicht zu voten wenn es euch gefallen hat!

** WELLENREITER **Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt