Ich erinnere mich nicht gerne an diese Nacht. Sie bereitet mir Kopfschmerzen und lässt jedes Mal den Drang in mir aufsteigen, meinen Kopf gegen die nächstgelegene Wand zu schlagen, bis die Erinnerungen verschwinden. Dennoch schwirren sie mir noch den ganzen Abend im Kopf, selbst als ich schon längst das Haus der Jakobs verlassen habe und einen Umweg nach Hause nehme, in dem kläglichen Versuch einen klaren Kopf zu bekommen.Die sommerliche Nachtluft streicht mir über die Haut und weht mir das Haar aus dem Gesicht. Die Straßenlaternen werfen flackerndes Licht auf die Pflastersteine. Hin und wieder streifen mich die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos und lassen mich aufsehen. In Gedanken versunken, führe ich die glimmende Zigarette an meine Lippen und ziehe kräftig daran. Der Rauch brennt in meinen Lungen, stärker als ich ihn in Erinnerung habe.
Erneut flackern die Ereignisse aus dieser Nacht in meinem inneren Auge auf.
Während ich Benny damals ausgesperrt hatte, um sterben zu können, war es sein Bellen im Garten gewesen, das Diana auf mich aufmerksam gemacht hatte. Irgendwie musste sie wohl gespürt haben, dass etwas nicht stimmte, denn sie verschaffte sich mit Hilfe ihres Ersatzschlüssels Zugang zu unserem Haus, suchte alle Zimmer ab und fand mich schließlich bewusstlos auf dem Badezimmerboden.
Hätte sie mich nicht gefunden, hätte sie nicht sofort den Notarzt gerufen, ja, hätte sie Bennys Bellen nicht gehört, dann wäre ich in dieser Nacht gestorben.
Irgendwie weiß ich das.
Es ist nicht so, als wäre in dieser Nacht mein Leben an mir vorbeigezogen, wie es in Filmen der Fall ist, und auch ein weißes Licht habe ich nicht gesehen, aber irgendwo tief in mir drin habe ich doch gespürt, dass das Ende nah war. Da war eine Müdigkeit, eine tiefe Ruhe in mir, die so einladend war, wie nichts zuvor. Kein Joint, kein Pulver und keine Xanax der Welt war je verführerischer. Ich wollte in diesem Moment nichts sehnlicher, als mich der Dunkelheit hinzugeben, einfach in ihr zu schwelgen und all die weltlichen Sorgen hinter mir zu lassen.
Aber dann waren da Arme und Sirenengeheul und ein schwacher Lavendelgeruch, der mich in der Nase kitzelte und davon abhielt, in der Schwärze zu schwelgen.
Ohne es mitbekommen zu haben, stehe ich wieder im Vorgarten unseres Haus und schaue mit gerunzelter Stirn zum Haus der Jakobs hinüber.
Ich weiß, dass ich Diana dankbar für ihr Einschreiten sein sollte, dafür, dass sie praktisch mein Leben gerettet hat.
Ich weiß nicht, ob ich es bin.
Ich ziehe noch ein paar Mal an meiner Zigarette, bevor ich sie austrete, den Schlüssel aus meiner Jackentasche krame und die Haustür aufschließe.
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Ich werde von lautem Krach aus dem Erdgeschoss geweckt. Verwirrt reibe ich mir die Augen und werfe einen raschen Blick auf die Digitalanzeige meines Handys. 10:04. Wer zur Hölle macht denn um diese Uhrzeit so einen Lärm?
Krampfhaft versuche ich wach zu werden und den Nebel der Müdigkeit abzulegen.
Mein Vater ist heute morgen um sechs zur Arbeit gefahren, das hatte er mir gestern noch leicht schuldbewusst erzählt. Er kann also unmöglich der Verursacher des Lärms sein. Ein weiteres Poltern schallt durch das Haus und lässt mich zusammenzucken. Hat er vielleicht vergessen Benny nach draußen zu lassen?
Frustriert schnaubend, werfe ich die Decke zurück und schwinge die Beine aus dem Bett. Hastig greife ich nach meinem schwarzen Hoodie, der über dem Schreibtischstuhl hängt, und ziehe ihn über, bevor ich dem Lärm folge. Barfuß tapse ich aus meinem Zimmer und bleibe erschrocken stehen, als das Poltern in etwas Anderes übergeht: Schritte.
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Nevermind
JugendliteraturLiz hat es getan. Sie hat versucht sich das Leben zu nehmen und ist gescheitert. Als sie Monate später aus der Klinik entlassen wird, muss sie sich von heut auf morgen ihrem Leben und den damit verbundenen Problemen stellen. Zu ihnen gehören auch H...