Ich will ihn küssen.
Ich weiß nicht woher der Drang mich an ihn zu schmiegen, seine Haut zu spüren und ihn zu küssen kommt, aber er ist da und er ist stark.
Wir stehen vor dem Gartentor meines Hauses und Emil hat die Hände in den Hosentaschen vergraben. Er bestand darauf, mich nach Hause zu begleiten und ist den ganzen Weg schweigend neben mir her gegangen. Die ganze Zeit über habe ich mit einen Kommentar, eine Standpauke oder zumindest einen Witz über das eben Geschehene gerechnet, doch Emil schwieg. Hin und wieder sah er zu mir herüber, wie um sicherzugehen, dass ich nicht abgehauen war und schaute dann wieder stoisch nach vorn. Jetzt, wo wir vor meinem Haus angekommen sind, reibt er sich über den Nacken und sieht dabei so attraktiv aus, wie nie zuvor.
Mann, will ich ihn dringend küssen!
Noch vor weniger als einer halben Stunde habe ich mir die Seele aus dem Leib geheult, wie eine Irre in die Leere geschrien und wollte von einer Brücke springen, doch jetzt ist alles, was ich will, Körperkontakt. Mit Emil. Vielleicht werde ich ja wirklich verrückt.
Bevor ich allerdings meinem Verlangen nachkommen kann, fragt Emil: "Und du bist sicher, dass es dir jetzt besser geht?"
Ich nicke, den Blick auf sein schönes Gesicht fokussiert. Momentan geht es mir tatsächlich besser. Wahrscheinlich liegt es nur daran, dass ich mich emotional so verausgabt habe, dass einfach nichts mehr übrig ist, doch in diesem Moment nehme ich es einfach so hin. Ich konzentriere mich viel lieber auf den hübschen Jungen vor mir.
"Also kann ich dich da rein gehen lassen, ohne mir Sorgen zu machen, dass du nochmal so eine Nummer wie eben abziehst?"
Seine Worte sollten mich verletzen, aber das tun sie nicht. Ich bin viel zu gefesselt vom Anblick seiner Lippen. Ohne weiter darüber nachzudenken, sage ich: "Du kannst ja mit hoch kommen und dich davon überzeugen."
Sein Kopf ruckt hoch. Überraschung und noch etwas - Verwirrung? Freude? - schwingt in seinem Blick, als er mich ausgiebig mustert. Ich stehe nur da, schaue zurück und warte auf eine Reaktion auf meine kühnen Worte.
Findet er mich nicht attraktiv? Habe ich ihn vielleicht verschreckt? Natürlich habe ich das.
Ich würde mir am Liebsten selbst gegen den Kopf schlagen. Welcher normale Typ würde mit dem Mädchen, das er eben noch vom Suizid abgehalten hat, weniger als eine halbe Stunde später rummachen?
"Ich verstehe dich nicht, Liz, und das ist das Beste an dir." Er legt den Kopf schräg, mustert mich erneut mit seinen hübschen dunklen Augen. "Alle Anderen in dieser Stadt sind so langweilig. So verdammt berechenbar. Ich habe mich zu Tode gelangweilt und das seit dem Tag, an dem ich zum ersten Mal einen Fuß in diese Stadt gesetzt habe. Als wir uns an diesem Abend kennengelernt haben, da stand ich kurz davor abzuhauen. Einfach in den nächsten Zug springen und raus aus dieser jämmerlichen Stadt. Ich dachte, ich hätte alles gesehen, was diese Stadt zu bieten hat. Und dann kamst du aus dem Haus gestürmt."
Noch immer betrachtet er mich mit diesem ernsten Blick, der mich dazu bringt nervös von einem Fuß auf den Anderen zu treten. Meine Frage hat er noch immer nicht beantwortet und ich habe keine Ahnung worauf er mit seiner Erklärung hinaus will.
"Du hast dort auf dieser Veranda gestanden und einfach geschrien. Ganz plötzlich. Im ersten Moment habe ich mich fast zu Tode erschreckt, aber sofort danach wollte ich wissen, was du da tatest. Es hat mich interessiert. Verstehst du?"
Nein, tue ich nicht, aber ich nicke trotzdem. Seine Worte klingen in meinen Ohren nach.
Es hat mich interessiert.
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Nevermind
Teen FictionLiz hat es getan. Sie hat versucht sich das Leben zu nehmen und ist gescheitert. Als sie Monate später aus der Klinik entlassen wird, muss sie sich von heut auf morgen ihrem Leben und den damit verbundenen Problemen stellen. Zu ihnen gehören auch H...